"Stadt machen", das ist seit langem die methodische Richtschnur der Architekten. Besonders in Stuttgart, wo meist zu viel Wert auf das Einzelbauwerk und zu wenig auf seine städtebauliche Einbindung gelegt wird, folgen sie beharrlich der Maxime "Erst die Stadt, dann das Haus". So haben Lederer Ragnarsdottir Oei auch die bevorstehende Umwidmung des Wilhelmspalais zum Stadtmuseum in ihrem siegreichen Wettbewerbsentwurf nicht nur zur inneren Umgestaltung der bisherigen Stadtbücherei genutzt, sondern den klassizistischen Bau mit einer großen Freitreppe hinunter zur Straße zugleich aus seiner Isolation erlöst. Die Sanierung des Staatstheaters Darmstadt, vom hessischen Kunstministerium zunächst als rein technische Instandsetzung geplant, begriff das Büro vor einigen Jahren als Chance, das Haus, eine Art autistisches Drive-in-Theater aus den siebziger Jahren, zu öffnen und es - zusammen mit einem von den Stuttgartern attraktiv aufgemöbelten Park - der Stadt zurückzugeben.

 

Nur ein paar Meter voneinander entfernt wird an der Stuttgarter Kulturmeile in Zukunft also zweimal "Stadt gemacht": am künftigen Stadtmuseum und an der Landesbibliothek. Pionier der Bewegung ist indes der Platz mit den blauen Wasserbecken und Sprudlern der Architekten Wilford Schupp zwischen Staatsgalerie und Haus der Geschichte. Rechnet man ihn hinzu, dann sind es sogar schon drei Schritte, mit denen diese Stadtautobahn Stück für Stück reurbanisiert wird. Es macht auch nichts, dass der Verkehr vorläufig in unverminderter Lautstärke und Geschwindigkeit weiterröhrt, so dass man auf diesen Plätzen sein eigenes Wort nicht versteht und wenig Lust verspürt, sich dort aufzuhalten. Viel mehr zählt, dass die Architektur hier nicht auf die Politik gewartet, sondern von sich aus den Grundstein für eine Boulevardisierung der Kulturmeile gelegt hat, und dass sie keine Möglichkeiten verbaut, sondern - im Gegenteil-geschaffen hat.

Der Profit für die Stadt steht außer Frage

Mit einer Bibliothek, die zwar den hohen "Kuchenteller" (Jorunn Ragnarsdottir) verlässt und sich an die Straße stellt, dieser ansonsten aber die kalte Schulter zeigt, wäre allerdings auch noch nicht allzu viel gewonnen. Auf einem städtischen Boulevard muss etwas los sein, man erwartet Anregung und Abwechslung fürs Auge. Ein Konzept wie das der Stuttgarter Architekten Wulf und Partner, die ebenfalls in die Endrunde kamen, greift daher zu kurz, wenn es die Bibliothek zwar ebenfalls von der Konrad-Adenauer-Straße her zugänglich macht, die Treppe aber als schmale Wegverbindung unter dem Neubauriegel hindurchführt. Lederer Ragnarsdottir Oei dagegen geben Passanten etwas zu sehen: Ihr Haus ist - buchstäblich - bodenständig, und es öffnet sich zur Straße mit großen Schaufenstern, die den Blick auf den Ausstellungs- und Veranstaltungssaal freigeben. Mit einem alten Buchtitel von Wolf Jobst Siedler zu sprechen, der in den sechziger Jahren den Verlust urbaner Kultur anprangerte: auf diese Weise kann die "gemordete Stadt" wieder auferstehen.

Neben seinen Stadtmacher-Vorzügen bietet der Erweiterungsbau daneben noch funktionales und ästhetisches Bonusmaterial in Hülle und Fülle. Dazu gehört, dass er in den Altbau nicht eingreift. Theoretisch wäre das möglich, da die Linde-Bibliothek bisher nicht unter Denkmalschutz steht (der in Baden-Württemberg bekanntlich ohnehin wenig Sicherheit bietet), aber die Architekten respektieren sie als ein hochwertiges, intakt zu lassendes Bauwerk seiner Zeit. Der Neubau ist ein solitärer Baukörper, der das auch in seiner unangepassten, eigenständigen Architektursprache mit den Sheds über den Schulungsräumen im obersten Stock als auffälligstem Merkmal zum Ausdruck bringt. Verbunden sind die beiden Häuser am Ende nur über eine Brücke, so dass der Betrieb in der alten Bibliothek während der Bauzeit und bis zum Tag der Eröffnung ungehindert weiterlaufen kann. Alle öffentlichen Flächen - Foyer, mehrfach unterteilbare Ausstellungsräume, Vortragssäle - lassen sich von den Magazin- und Verwaltungsbereichen abkoppeln und daher auch zu den Schließzeiten der Bibliothek gesondert nutzen.

"Stadt machen"

"Stadt machen", das ist seit langem die methodische Richtschnur der Architekten. Besonders in Stuttgart, wo meist zu viel Wert auf das Einzelbauwerk und zu wenig auf seine städtebauliche Einbindung gelegt wird, folgen sie beharrlich der Maxime "Erst die Stadt, dann das Haus". So haben Lederer Ragnarsdottir Oei auch die bevorstehende Umwidmung des Wilhelmspalais zum Stadtmuseum in ihrem siegreichen Wettbewerbsentwurf nicht nur zur inneren Umgestaltung der bisherigen Stadtbücherei genutzt, sondern den klassizistischen Bau mit einer großen Freitreppe hinunter zur Straße zugleich aus seiner Isolation erlöst. Die Sanierung des Staatstheaters Darmstadt, vom hessischen Kunstministerium zunächst als rein technische Instandsetzung geplant, begriff das Büro vor einigen Jahren als Chance, das Haus, eine Art autistisches Drive-in-Theater aus den siebziger Jahren, zu öffnen und es - zusammen mit einem von den Stuttgartern attraktiv aufgemöbelten Park - der Stadt zurückzugeben.

Nur ein paar Meter voneinander entfernt wird an der Stuttgarter Kulturmeile in Zukunft also zweimal "Stadt gemacht": am künftigen Stadtmuseum und an der Landesbibliothek. Pionier der Bewegung ist indes der Platz mit den blauen Wasserbecken und Sprudlern der Architekten Wilford Schupp zwischen Staatsgalerie und Haus der Geschichte. Rechnet man ihn hinzu, dann sind es sogar schon drei Schritte, mit denen diese Stadtautobahn Stück für Stück reurbanisiert wird. Es macht auch nichts, dass der Verkehr vorläufig in unverminderter Lautstärke und Geschwindigkeit weiterröhrt, so dass man auf diesen Plätzen sein eigenes Wort nicht versteht und wenig Lust verspürt, sich dort aufzuhalten. Viel mehr zählt, dass die Architektur hier nicht auf die Politik gewartet, sondern von sich aus den Grundstein für eine Boulevardisierung der Kulturmeile gelegt hat, und dass sie keine Möglichkeiten verbaut, sondern - im Gegenteil-geschaffen hat.

Der Profit für die Stadt steht außer Frage

Mit einer Bibliothek, die zwar den hohen "Kuchenteller" (Jorunn Ragnarsdottir) verlässt und sich an die Straße stellt, dieser ansonsten aber die kalte Schulter zeigt, wäre allerdings auch noch nicht allzu viel gewonnen. Auf einem städtischen Boulevard muss etwas los sein, man erwartet Anregung und Abwechslung fürs Auge. Ein Konzept wie das der Stuttgarter Architekten Wulf und Partner, die ebenfalls in die Endrunde kamen, greift daher zu kurz, wenn es die Bibliothek zwar ebenfalls von der Konrad-Adenauer-Straße her zugänglich macht, die Treppe aber als schmale Wegverbindung unter dem Neubauriegel hindurchführt. Lederer Ragnarsdottir Oei dagegen geben Passanten etwas zu sehen: Ihr Haus ist - buchstäblich - bodenständig, und es öffnet sich zur Straße mit großen Schaufenstern, die den Blick auf den Ausstellungs- und Veranstaltungssaal freigeben. Mit einem alten Buchtitel von Wolf Jobst Siedler zu sprechen, der in den sechziger Jahren den Verlust urbaner Kultur anprangerte: auf diese Weise kann die "gemordete Stadt" wieder auferstehen.

Neben seinen Stadtmacher-Vorzügen bietet der Erweiterungsbau daneben noch funktionales und ästhetisches Bonusmaterial in Hülle und Fülle. Dazu gehört, dass er in den Altbau nicht eingreift. Theoretisch wäre das möglich, da die Linde-Bibliothek bisher nicht unter Denkmalschutz steht (der in Baden-Württemberg bekanntlich ohnehin wenig Sicherheit bietet), aber die Architekten respektieren sie als ein hochwertiges, intakt zu lassendes Bauwerk seiner Zeit. Der Neubau ist ein solitärer Baukörper, der das auch in seiner unangepassten, eigenständigen Architektursprache mit den Sheds über den Schulungsräumen im obersten Stock als auffälligstem Merkmal zum Ausdruck bringt. Verbunden sind die beiden Häuser am Ende nur über eine Brücke, so dass der Betrieb in der alten Bibliothek während der Bauzeit und bis zum Tag der Eröffnung ungehindert weiterlaufen kann. Alle öffentlichen Flächen - Foyer, mehrfach unterteilbare Ausstellungsräume, Vortragssäle - lassen sich von den Magazin- und Verwaltungsbereichen abkoppeln und daher auch zu den Schließzeiten der Bibliothek gesondert nutzen.

Noch ist die Finanzierung dieses Projekts nicht gesichert. Der Profit für die Stadt steht jedoch außer Frage.

Visualisierung: Aldinger und Wolf

Die Landesbibliothek wächst

Altbau: Die vom Staatlichen Hochbauamt unter seinem Leiter Horst Linde geplante Württembergische Landesbibliothek in Stuttgart entstand zwischen 1964 und 1970. Beherrschender Bauteil des flach gedeckten und an die Urbanstraße zurückversetzten Komplexes aus Sichtbeton, Klinker und Kupfer ist der vorgeschobene Lesesaal. Die Begrünung des Vorfelds über der Tiefgarage soll den Akademiegarten jenseits der Konrad-Adenauer-Straße optisch bis an die Bibliothek heranführen.

Modelle: Die Wettbewerbsmodelle der drei Finalisten sind im Foyer der Landesbibliothek noch bis Ende Juli ausgestellt.