Das war vor 50 Jahren, heute spricht man von den Problemen – auch im Verhältnis von Angela Merkel und François Hollande.
Der Alltag ist immer schwierig, aber es ist gut, dass es Alltag geworden ist. Nach jedem Regierungswechsel in Deutschland und Frankreich hat es immer ein paar Wochen gedauert, aber dann haben der deutsche Bundeskanzler und der französische Präsident aufs Engste zusammengearbeitet. So wird es auch jetzt sein. Das wird vor europäischen Gipfeltreffen kritisch beäugt, aber wenn sie sich nicht abgestimmt haben, wird das noch stärker kritisiert.

Als Präsident des deutsch-französischen Instituts in Ludwigsburg kennen Sie auch die Zusammenarbeit abseits der großen politischen Bühne.
Das hat sich vorzüglich entwickelt – der Jugendaustausch, die Städtepartnerschaften. Vor drei Jahren gab es eine Umfrage in Europa nach dem liebsten Volk. In Deutschland stand Frankreich an erster Stelle und in Frankreich Deutschland. Das ist doch eine unglaubliche Sache, dass so eine Zusammenarbeit und Versöhnung Wirklichkeit wurde. Sie sind verankert in den Herzen der Menschen. Ein Krieg ist undenkbar geworden. Man sagt immer, die Menschen lernen nichts aus der Geschichte, die Deutschen, die Franzosen, die Europäer haben aus der Geschichte gelernt – spät genug.

Schauen Sie mit Sorge auf die momentane Entwicklung in Europa?
Ich sehe mit großer Sorge, dass in den Jahren der Eurokrise wieder Aversionen und Instinkte wach geworden sind, die man fünf und zehn Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg noch hätte verstehen können, 60 Jahre danach ist das aber Besorgnis erregend. Und ich sehe mit Sorge, dass in Deutschland die Zustimmung zum Euro stark zurückgegangen ist, und in ganz Europa die Zustimmung zur Europäischen Union. Ich glaube aber, dass Europa heute so wichtig ist wie in den 50er Jahren, in denen Europa für mich vor allem eine Friedensgemeinschaft war und nicht in erster Linie Währungs- oder Wirtschaftsunion.

Diese Zeiten sind aber vorbei.
Nein, es ist heute genauso wichtig. Die Welt wird immer stärker zu einer Welt. Wenn Europa auf Weltwirtschaftskonferenzen mit 27 Stimmen spricht, dann hat Europa keine Stimme. Wenn es aber mit einer Stimme spricht, wird niemand an Europa vorbeigehen. Und: Europa hatte im Jahr 1900 rund 20 Prozent der Weltbevölkerung, im Jahr 2000 elf Prozent, und 2100 werden es vier Prozent sein. Wenn man sich dies vor Augen führt, haben wir als Einzelstaaten nichts zu melden. Wir haben eine einzige Chance, wenn wir als Europäische Union geschlossen auftreten und das Bündnis mit den USA aufrechterhalten.

Sie plädieren also für eine engere Zusammenarbeit auch auf politischer Ebene?
Ja, so sieht es unser Grundgesetz vor, in dessen Präambel von den Vereinigten Staaten von Europa die Rede ist, vereinigte übrigens großgeschrieben.

Zurück zum Persönlichen: Ihr erster Kontakt mit Franzosen war deren Einmarsch in Ihren Heimatort Zimmern im April 1945?
Das ist meine allererste Kindheitserinnerung, und sie ist sehr präzise. Fünfeinhalb Jahre war ich. Ich habe zum ersten Mal Panzer gesehen und schwarze Menschen, denn es war eine marokkanische Brigade. Ich erinnere mich daran, dass die französische Besatzungszeit sehr viel bedrückender war als die amerikanische oder britische. Aber das hat bei mir nicht dazu geführt, dass ich mit Franzosen nichts zu tun haben wollte. Sondern es hat mich bestärkt, dass wir Grenzen überwinden müssen.