Zum Weißen Dinner an der Meistersingerstraße ist jeder geladen, der sich an die Kleiderordnung hält. Das erste festliche Dinner dieser Art gab es 1988 in Paris. Eine Facebook-Seite wirbt für das Essen in Stuttgart.

Degerloch - Viele Damen sehen so aus, als würden sie für ein gewisses schokoladenfreies Kokoskonfekt werben. Weiße Cocktailkleider und auf dem einen oder anderen Haupt einen weißen Hut. Die Herren tragen gleichfalls weiß, dieselbe Farbe haben natürlich die Tischdecken, Servietten und das Porzellangeschirr. Beim Weißen Dinner ist die Kleiderordnung das, was in Diskotheken der Türsteher ist. Wer sich daran hält, ist an der weiß gedeckten Tafel herzlich willkommen.

 

Am Samstag, 28. September, wird es an der Degerlocher Meistersingerstraße ein solches Weißes Dinner geben – wenn es nicht regnet. Das Prinzip gleicht dem des Guerilla Dinners. Menschen, die sich oft nicht einmal kennen, verabreden sich via Internet oder SMS zu einem gemeinsam Essen. Allerdings wird nicht in Geheimküchen gespeist, die keine Restaurantlizenz besitzen. Das Fest steigt unter freiem Himmel. Deshalb bleibt das Wetter nach Ansicht der Veranstalter auch ein Risiko.

Es geht um Stil, Eleganz und Luxus

Sollte der Spätsommer anhalten, wird an der Meistersingerstraße nach einem einfachen Prinzip gefeiert: Jeder bringt etwas zu essen und zu trinken sowie Geschirr und Gläser mit, und jeder packt beim Auf- und Abbau mit an. Anwohner, die beim Dinner in Weiß mitmachen, haben sich bereit erklärt, den Gästen ihre Toiletten zur Verfügung zu stellen.

Doch wer beim Weißen Dinner an ein Picknick denkt oder sich an Studentenpartys erinnert, bei denen die Gäste selbst den billigen Wein mitnehmen, mit dem sie sich dann betrinken, der liegt daneben. Beim Weißen Dinner geht es vor allem um Stil, Eleganz und Luxus, nur eben außerhalb des kommerziellen Rahmens.

Hunderte treffen sich regelmäßig zum Dîner en Blanc

Die Idee zu Festessen im Freien, die über Mund-zu-Mund-Propaganda und soziale Netzwerke organisiert werden, kommt aus Paris. 1988 konnte der Pariser François Pasquier nicht mehr alle seine Gäste auf seiner Grillparty unterbringen. Also wich die Festgesellschaft in den Stadtwald von Paris aus, den Bois de Boulogne. Die Party im Freien muss ein großer Erfolg gewesen sein. Pasquier organisierte auch in den folgenden Jahren immer wieder Massenpicknicks an verschiedenen Orten in Paris. Zunächst galt es in der Pariser ChiChi-Gesellschaft als chic, unter den Augen der weniger Betuchten Austern zu essen und Champagner zu trinken.

Doch mit den Jahren eroberte die Mittelschicht das Ritual für sich. Champagner gab es zwar immer noch; allerdings verwandelte sich das Dîner en Blanc mehr und mehr zu einer Veranstaltung für Menschen aus allen sozialen Schichten. Die Manieren des Großbürgertums gehörten dabei zum Spiel wie das Verkleiden zum Karneval. Gerade in Deutschland wenden sich die Veranstalter über das Internet ausdrücklich an jeden, der mitmachen möchte. Hunderte treffen sich in Berlin, Hamburg und München regelmäßig zum Weißen Dinner.

Eine Facebook-Seite wirbt für das Fest in Stuttgart

In Stuttgart hat es bisher nur kleinere Feste gegeben, die dem französischen Original nacheiferten. Julia Eicken will daran etwas ändern. Sie hat gemeinsam mit Bekannten eine Seite im sozialen Netzwerk Facebook eingerichtet, die für ein weißes Dinner in Stuttgart wirbt. Sie hat auch mit der Stadt verhandelt, damit die Meistersingerstraße für das Fest gesperrt wird.

Auf die Idee dazu kam Julia Eicken in Australien. Die Globalisierung ist eben auch eine Globalisierung von Trends. Aus Julia Eickens Sicht wird es Zeit, dass das Weiße Dinner auch in Stuttgart viele Anhänger findet. Sie windet sich aber, die Lust am festlichen Dinieren als Ausdruck einer neuen Bürgerlichkeit zu werten. Sie spricht lieber von guter Nachbarschaft. Nichts liege ihr ferner als ein Fest für Snobs zu organisieren, sagt sie. Stattdessen vergleicht Eicken das Dinner in Weiß mit den Produkten eines schwedischen Möbeldiscounters. „Jeder kann es machen, aber am Ende sieht es toll aus.“