Die „Neue Arbeit“ hat ihre Verkaufsstellen modernisiert, unter anderem das Geschäft in der Kiesstraße.

Böblingen : Ulrich Stolte (uls)

Esslingen - Umgebaut, modernisiert, frisch gestrichen – das Secondhandlädle in der Kiesstraße 11 ist kaum wiederzuerkennen. Der Träger, die Neue Arbeit mit Sitz in Stuttgart-Zuffenhausen, hat den alten, wenn auch liebenswert kruschteligen Laden in Esslingen zu einem modernen Sozialkaufhaus gemacht, in dem die gebrauchten Waren schnell und übersichtlich präsentiert werden.

 

Der alte Träger war die Esslinger Beschäftigungsinitiative (EBI). Sie hat sich mit der Neuen Arbeit zusammengetan, die ebenfalls ein Sozialunternehmen ist, das für die Diakonie arbeitet. Unter dem gemeinsamen Dach gibt es jetzt in der Region fünf Sozialkaufhäuser, in denen Bürger und bedürftige Bürger einkaufen können. Eines steht in Plochingen, eines in Esslingen, eines in Stuttgart-Mitte, eines in Wangen und eines in Bad Cannstatt. Die Verwaltung ist in Zuffenhausen. Für Esslingen wie für die vier anderen Kaufhäuser hat das den Vorteil, dass die Waren zentral in Zuffenhausen verwaltet werden.

Der Aufwand ist groß

Denn der Aufwand ist groß, weil es ja Secondhandsachen sind. Elektrogeräte müssen geprüft und eventuell repariert werden, Möbel müssen geleimt und gerichtet werden, Haushaltswaren wie Töpfe, Geschirr und Besteck müssen geputzt werden. Und natürlich müssen auch die Textilien unter die Lupe genommen werden – sie machen zusammen mit den Haushaltswaren den größten Posten im Umsatz aus: „Wir prüfen jede Woche bis zu 10 000 Kleidungsstücke“, sagt Rolf Kaltenberger, der Bereichsleiter Sozialkaufhäuser und Haushaltsauflösungen. Die Waren kommen aus Haushaltsauflösungen, die ebenfalls von der Neuen Arbeit gemacht werden, oder wurden gespendet. Der Markt allerdings ändert sich. Problematisch ist derzeit, dass die Industrie kaum mehr Produkte aus Altkleidern herstellt und die Neue Arbeit die Textilien entsorgen muss. Bis zu 70 000 Euro jährliche Entsorgungskosten können da zusammenkommen.

Das Kaufhaus wird zum sozial-ökologischen Raum

Angewidert von der umweltschädlichen und unmenschlichen Überproduktion von Kleidungsstücken in der sogenannten Dritten Welt hat etwa die Wirtschaftswissenschaftlerin Sophia Alex ins Team gefunden. In Esslingen absolviert sie ein Praktikum und holt Atem, bis sie sich an ihren Master macht. Wobei „absolvieren“ ein wenig untertrieben ist: Sie hat für die Sozialkaufhäuser eine Internet-Marketingstrategie entworfen und Auftritte bei den Online-Plattformen Facebook und Instagram geschaffen. Außerdem versucht sie, eine Internet-Verkaufsplattform aufzubauen. Bei ihr wie bei allen Mitarbeitern steht der sozial-ökologische Ansatz im Vordergrund ihres Denkens und Handelns. „Wir brauchen nichts Neues kaufen, es ist alles schon da“, sagt sie.

„Ich habe hier ein neues Leben gefunden“: Nour Belboula spricht schlecht Deutsch, kam aus Algerien nach Deutschland und wurde schließlich als Ein-Euro-Jobber ins Sozialkaufhaus vermittelt. Doch will er damit nicht stehen bleiben. In den Kaufhäusern können Benachteiligte eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann machen mit Brief und Siegel von der IHK.