Esslinger Wein Teamwerk macht jetzt Teamwork

Prost beim Herbstsatz: die Winzer Maximilian Kusterer, Achim Jahn und Adolf Bayer sowie Finanzbürgermeister Ingo Rust Foto: Roberto Bulgrin

Viele Köche verderben den Brei – und viele Winzer den Rebensaft? Die Esslinger Wengerter sind anderer Meinung: Sie planen eine Gemeinschaftskreation. Der Kollektiv-Wein soll rechtzeitig zum Stadtjubiläum 2027 auf den Markt gebracht werden.

Alles Trollinger – oder was? Nun ja, ein Stück weit vielleicht. Der Esslinger Herbstsatz begann mit dem Testen eines Muskat-Trollinger-Sekts. Doch bei der in ihrer Tradition bis ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Aussprache über die aktuelle Ernte und die Situation der Weinbauern gab es mehr als nur das schwäbische Nationalgetränk: Neben einer Erörterung des Drohnen-Einsatzes in den Steillagen setzten die Winzer zu weiteren Höhenflügen an.

 

Einen „abgehoben“ anmutenden Vorschlag hatte Gastgeber Adolf Bayer parat. Wie wäre es denn, so gab der Winzer zu bedenken, wenn er, sein Kollege Maximilian Kusterer und die Mettinger Winzergenossenschaft Teamwerk sich zusammentun und einen gemeinsamen Wein kreieren würden? „Wir sind ja keine Konkurrenten, sondern Kollegen.“ Der im Teamwork mit Teamwerk entstandene Rebensaft könne dann verkauft und der Erlös als Spende für einen guten Zweck an die Stadt Esslingen übergeben werden.

Kollektiv-Wein zum Stadtjubiläum

Nachdem die anderen Winzer und Achim Jahn von Teamwerk Zustimmung signalisiert hatten, wollte Bürgermeister Ingo Rust, der in Vertretung von OB Matthias Klopfer zum Herbstsatz gekommen war, kein Wasser in den Wein der Freude gießen. Die Idee gefiel dem Kommunalpolitiker so gut, dass er sie gleich ergänzte: Die Stadt werde den Winzern ihr Gemeinschaftsprodukt abkaufen und es – solange der Vorrat reicht – als Präsent an Jubilare oder städtische Besucher überreichen. Aus der Runde kam schließlich der Vorschlag, dass der Kollektiv-Wein zum 1250-jährigen Stadtjubiläum im Jahr 2027 auf den Markt gebracht werden solle.

Die Kreation eines Gemeinschaftsgetränks soll indessen keine Luftnummer bleiben. Doch die Esslinger Winzer waren 2023 auch auf reale Weise in die Luft gegangen. Erstmals wurden in den Steillagen Drohnen zum Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln eingesetzt. Nein, nicht zum Spritzen, wie Winzer Wilfried Rapp korrigierte. Es werde nicht gespritzt, sondern „appliziert“. Doch egal, welcher Begriff dafür benutzt wird, die Wengerter zollten der neuen Methode trotz anderslautender kritischer Stimmen ihren Respekt. Der fliegende Helfer mit einem Durchmesser von 3,5 Metern und etwa 30 Litern Flüssigkeit an Bord könne mit einer Ladung innerhalb von sieben bis acht Minuten gut 20 Ar Fläche mit Pflanzenschutzmitteln versorgen, erklärte Wilfried Rapp.

Fliegende Arbeitshelfer

Das bedeute eine enorme Ersparnis an Zeit, Arbeitskräften, Muskelkraft und Kapazitäten. Gerade in diesem Jahr, in dem die Weinreben stark unter Pilzerkrankungen – vor allem dem Meltau – litten, hätten die Drohnen eine enorme Erleichterung beschert. Es sei zu Jahresbeginn nicht einfach gewesen, eine Genehmigung vom Regierungspräsidium zu bekommen, da der zuständige Sachbearbeiter in den Ruhestand gegangen war und der Nachfolger sich erst einarbeiten musste. Zwölf „Piloten“ seien für den Einsatz der Drohnen geschult worden, so Rapp. Aber es sei wie beim Autofahren: Beim ersten Mal sei die Handhabung des Fahrzeugs noch schwer, doch mit jedem Starten des Motors würde es besser gehen. Auch der Drohnen-Einsatz könne verbessert werden. Da konnte ihm sein Kollege Hans Kusterer nur zustimmen: Die Winzer könnten mehr Vorarbeit leisten und etwa stark belaubte Rebstöcke entblättern, damit das Pflanzenschutzmittel effizienter aufgetragen werden könne.

Eine Botschaft des Herbstsatzes mutet gerade in Wasen-Zeiten eigenartig an: Viel Alkohol sei nicht mehr gefragt. Die Kunden wollten leichtere Weine mit 10,5 oder 11 Prozent. Die Zeiten von Rebensäften mit einem Alkoholgehalt von 13 bis 14 Prozent seien vorbei. Ebenso wie eine Lese Ende September oder im Oktober. Der Zeitpunkt rücke wegen der wärmeren Temperaturen durch den Klimawandel weiter nach vorne. Aufgrund der Wetterveränderungen würden auch andere Weinsorten etwa aus dem südeuropäischen Raum angebaut.

Der Berg soll leben

Doch den Reben allein sollen die Weinberge nach Ansicht der Winzer nicht vorbehalten bleiben: „Der Berg muss leben“, formulierte es Wilfried Rapp druckreif und regte bei der Stadt Esslingen an, aufgrund des hohen öffentlichen Interesses mehr Hinweistafeln und Informationsschilder etwa mit Beschreibungen der Weingüter in den Weinbergen zu installieren. Ingo Rust sagte das zu: Viele Hinweistafeln im Stadtgebiet seien ohnehin in die Jahre gekommen, und es müsse auch mit Blick auf den Tourismus etwas getan werden.

Zu Ende des Herbstsatzes schenkte Adolf Bayer nochmals einen Trollinger aus. Diese Sorte werde vielleicht weniger werden, aber geben werde es sie immer. Alles Trollinger!

Der Esslinger Herbstsatz und seine Tradition

Bedeutung
 Mit dem Begriff „Herbstsatz“ war laut Ursula Kümmel vom Stadtarchiv Esslingen ursprünglich der von der Stadtverwaltung festgesetzte Termin für die Weinlese gemeint. In alten Ratsprotokollen etwa vom 13. Oktober 1749 sei vermerkt, dass der Amtsbürgermeister bestimmt habe, wann die Weinernte zu starten habe.

Name
„Herbsten“ bedeutet nach Deutung von Ursula Kümmel „lesen“, mit „Satz“ sei die Festsetzung eines bestimmten Datums eben für die Weinlese gemeint. Im Laufe der Jahre und der durch den Klimawandel bedingten früheren Weinernte habe sich der Herbstsatz aber verändert und diene nun eher einer Aussprache der Winzer mit der Stadtspitze über anstehende Probleme, die aktuelle Ernte sowie die zu erwartende Weinqualität und -quantität.  

Neuerung
Im Jahr 2000 gab es nach Recherchen von Ursula Kümmel eine Neuerung beim Herbstsatz. Erstmals wurden neben der Weingärtnergenossenschaft auch Selbstvermarkter zu der Veranstaltung eingeladen.

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