Die britische Regierung hat ihre Klage gegen eine von der EU geplante Begrenzung von Bankerboni zurückgezogen. Sie hätte laut dem Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs kaum Chancen gehabt.

Brüssel - Das seit Jahresanfang geltende EU-Gesetz, das die Bonuszahlungen an Banker einschränkt, wird nicht länger vor Gericht angefochten. Nachdem der Generalanwalt beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) am Donnerstagmittag den Richtern in einem eindeutigen Rechtsgutachten empfohlen hatte, eine entsprechende Klage der britischen Regierung abzuweisen, zog Londons Schatzkanzler George Osborne sie am Abend ganz zurück. Stattdessen werde man an einem Banksystem mitarbeiten, „das die Verantwortung stärkt und nicht schwächt“, hieß es in einer Mitteilung des Finanzministeriums.

 

„Die Klagen der britischen Regierung gegen die neuen EU-Finanzmarktgesetze fangen an, mich zu langweilen“, sagte der grüne Finanzexperte im Europaparlament, Sven Giegold, in einer ersten Reaktion: „Der Versuch, Innenpolitik oder Interessenpolitik über den Europäischen Gerichtshof zu machen, funktioniert nicht.“

Als Konsequenz aus der Finanzkrise hatte die EU Anfang 2013 beschlossen, dass Bankerboni nicht höher liegen dürfen als das Grundgehalt – im Falle, dass der betroffene Mitgliedstaat und die Aktionäre dies genehmigen, dürfen die Zahlungen doppelt so hoch liegen. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zu Jahresbeginn lagen die profitabhängigen Gehaltsbestandteile teils deutlich darüber. Dies führte zu einem, so schreibt Generalanwalt Niilo Jääskinen , „Anreiz, unangemessen hohe Risiken einzugehen, um an kurzfristigen Gewinnen der Bank beteiligt zu werden, nicht aber an den Kosten ihres Scheiterns“. Diesen Risikofaktor im Finanzsystem soll das neue Gesetz bannen, von dem Europas größter Finanzplatz London besonders stark betroffen ist.

Die britische Regierung, im EU-Ministerrat einst überstimmt, hatte dagegen Klage eingereicht, da sie einen Eingriff in die Lohngestaltung ausgemacht hatte, der in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten falle, und auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt sah. Entsprechend war es für die Londoner Regierung ein harter Rückschlag, dass Generalanwalt Jääskinen empfahl, „sämtliche Klagegründe zurückzuweisen“ – und dies nach Ansicht der Finanzexpertin Anne-Kathrin Baran vom Freiburger Centrum für Europäische Politik (CEP) auch noch „gut und nachvollziehbar begründete“. Osborne sah offenbar ebenfalls keine Erfolgschancen mehr.

Deckelung der absoluten Gehaltshöhe wäre wohl gescheitert

Den Eingriff in das Entlohnungssystem rechtfertigt Jääskinen damit, dass sich „der variable Bestandteil der Vergütung unmittelbar auf das Risikoprofil der Finanzinstitute auswirkt“ und „damit die Stabilität der Finanzmärkte in der Union beeinträchtigt“. Diese zu sichern sei sehr wohl Aufgabe der EU. Zugleich wird eingeräumt, „dass die Bestimmung der Höhe des Arbeitsentgelts unbestreitbar Sache der Mitgliedstaaten ist“. Dessen absolute Höhe aber werde nicht bestimmt, nur die Relation zwischen Boni und Festgehalt. Der Satz von 100 Prozent könne „an jeden beliebigen Betrag anknüpfen, den das Finanzinstitut als festes Gehalt zu zahlen bereit ist“, heißt es im Gutachten, was ein „Fehlen einer ,Deckelungswirkung“ bedeute: „Da es keine rechtliche Begrenzung der Grundvergütung, die gezahlt werden kann, gibt, gibt es auch keine Begrenzung der Gesamthöhe.“

Tatsächlich haben vor allem britische Banken in den vergangenen Monaten diesen Weg gewählt. „Wir wissen, dass die Grundgehälter in der City of London zuletzt deutlich angehoben wurden“, sagt der CSU-Finanzexperte im Europaparlament, Markus Ferber. So hat beispielsweise eine Umfrage des britischen Personalberaters Morgan McKinley ergeben, dass neu eingestellte Banker im Juli dieses Jahres durchschnittlich 20 Prozent mehr Gehalt aushandelten als im Vormonat. Schon im April hatte der Anstieg 14 Prozent betragen.

Diese Entwicklung hatten Kritiker von Anfang an befürchtet und eine Deckelung der absoluten Gehaltshöhe für die „Bankster“ gefordert. Ein solches Gesetz – das zeigen nun die Einlassungen des Generalanwalts – wäre aber wohl tatsächlich vor dem Europäischen Gerichtshof gescheitert. „Wäre ein absoluter Deckel festgelegt worden“, sagt die CEP-Expertin Baran, „hätte das Gericht dies als Teil der Sozialpolitik angesehen, was die alleinige Zuständigkeit der Mitgliedstaaten ist.“ Die höheren Grundgehälter seien „der Preis, den wir bereit waren zu zahlen“, sagt der CSU-Mann Ferber: „Wir wollten vor allem das Gezocke abstellen, und höheres Grundgehalt heißt weniger Zockerei.“

Obwohl höhere Grundgehälter möglich sind, versuchen einige Banken dennoch weiter, Beschäftigte stärker erfolgsabhängig zu bezahlen. Die EU-Bankenaufsichtsbehörde (Eba) hat im Oktober festgestellt, dass 39 Banken vermeintlich feste Zulagen zahlen, die eigentlich ebenfalls variabel sind. Dazu gehören die Großbanken Barclays, Bank of Scotland, Lloyds und HSBC. Die Eba hat angekündigt, dieses Schlupfloch im Gesetz über neue Umsetzungsvorschriften schließen zu wollen.