Die Europäer wollen ihre Hilfe einfrieren und bieten gleichzeitig an, zwischen Ägyptens Konfliktparteien zu vermitteln.

Stuttgart - Was kann Europa in Ägypten überhaupt ausrichten – zumal angeblich schon reiche Scheichs bereitstehen, um etwaige Mittelkürzungen auszugleichen? Mit dieser Frage sah sich Bundesaußenminister Guido Westerwelle schon vor Beginn des Brüsseler Krisentreffens konfrontiert. „Der Einfluss der Europäer ist sicherlich begrenzt“, musste der deutsche Chefdiplomat denn auch gleich einräumen, kleinreden wollte er das strategische Potenzial des alten Kontinents aber auch nicht. Würde die Zusammenarbeit zwischen der EU und Ägypten eingestellt, „kann das nicht durch zwei, drei Golfstaaten ausgeglichen werden“, so Westerwelle: „Diesen Hebel müssen wir nutzen.“

 

Die EU-Außenminister beschlossen am Mittwoch dementsprechend, die gesamte Palette der Kooperation auf den Prüfstand zu stellen. Und allen scheinbar desinteressierten Bemerkungen aus Kairo zum Trotz werden die dortigen Militärmachthaben diesen Prozess sehr genau verfolgen – schon allein deshalb, weil die Europäische Union für das Land am Nil der mit Abstand größte Handelspartner ist. Es bezog im vergangenen Jahr Produkte im Wert von 15,4 Milliarden Euro aus Europa. Die eigenen Exporte erreichten ein Volumen von 8,4 Milliarden Euro. Dieser rege Warenaustausch ist auch das Ergebnis eines 2004 angeschlossenen Assoziierungsabkommens mit günstigen Handelskonditionen. Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger hatte schon vor dem Treffen gesagt, auch dieses Abkommen werde „überprüft“. Nicht zuletzt arbeitet jeder fünfte Ägypter im Tourismussektor, der wiederum besonders stark auf europäische Kunden ausgerichtet ist.

Noch ist nichts endgültig

Noch wichtiger sind in diesem Zusammenhang freilich die Gelder, über die die Politik direkt bestimmen kann. Nach der Revolution im Frühjahr 2011 hatten die verschiedenen EU-Institutionen einer demokratisch gewählten Regierung insgesamt fünf Milliarden Euro an langfristiger Hilfe zugesagt. Seit 2007 hat Ägypten „nur“ etwa eine Milliarde Euro im Rahmen der sogenannten Nachbarschaftspolitik erhalten.

Endgültig beschließen wollten die Außenminister eine entsprechende Kürzung am Mittwoch aber noch nicht – einerseits um „nichts gegen die ägyptische Bevölkerung zu unternehmen“, wie es der britische Minister William Hague ausdrückte. In der Ministererklärung ist daher klargestellt, dass „die Unterstützung für die Zivilgesellschaft und im sozioökonomischen Bereich fortgeführt wird“. Andererseits hätte man mit einem nach Ansicht Westerwelles „zu frühen“ Beschluss vorschnell die eigenen Einflussmöglichkeiten aus der Hand gegeben. „Wir“, sagte Hague, „dürfen die Tür auch nicht zuschlagen.“

Keine militärische Kooperation mehr

Konkret beschloss die Runde daher nur, jegliche militärische Kooperation mit der Militärregierung in Kairo einzustellen. „Wir waren uns einig, alle Exportlizenzen für Waffenlieferungen auszusetzen“, sagte die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach der Sitzung. Die Entscheidung erstreckt sich auch auf anderweitige Ausrüstung für die Sicherheitskräfte, die in der vergangenen Woche unter den gegen die Absetzung von Präsident Mursi protestierenden Muslimbrüdern ein Blutbad angerichtet hatten. Dieses Vorgehen sei „unverhältnismäßig“ gewesen, urteilten nun Europas Chefdiplomaten.

Erneuert wurde das Angebot, zwischen den Parteien zu vermitteln und einen möglichen politischen Prozess, der alle Seiten einbindet, zu unterstützen. Ashton, die zu Vertretern beider Seiten Kontakt hält und als erste Politikerin überhaupt vor zwei Wochen den inhaftierten Expräsidenten Mursi hatte besuchen können, scheint dazu prädestiniert.