Die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso soll nun schnell geklärt und Jean-Claude Juncker rasch zum Kommissionschef gewählt werden. Die Zukunft von Martin Schulz ist dagegen immer noch offen.
Brüssel - Im Kampf um die Nachfolge von EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso soll nun alles sehr schnell gehen. „Jean-Claude Juncker ist der einzige Kandidat, der eine Mehrheit bekommen kann“, sagte Hannes Swoboda, der scheidende Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament. Und die Betonung lag dabei auf „kann“. Schon auf dem nächsten EU-Gipfel Ende der kommenden Woche könnte sich Juncker im Kreis der Staats- und Regierungschefs zur Wahl stellen – auch gegen den Widerstand des britischen Premiers David Cameron. Auch die Bundesregierung wünsche eine schnelle Lösung, berichtete die „Financial Times“ am Dienstag. Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi als neuer linker Leuchtstern unterstützte das Vorgehen.
Es war eine merkwürdige Pressekonferenz, zu der der österreichische Sozialdemokrat in seinem Büro geladen hatte. Aufrecht stand er hinter dem schweren Schreibtisch und analysierte die Lage nach den Europawahlen. „Großbritanniens Platz ist weiter in der EU“, beharrte Swoboda. Er stellte aber auch fest: „Cameron hat sich da weiter und weiter ins Abseits manövriert.“ Zugleich machte Swobodo klar, dass Juncker den Sozialdemokraten ein Kompromisspapier bieten müsse und nannte Bedingungen. Er mahnte „eine neue Flexibilität in der Interpretation des Stabilitäts- und Wachstumspakts“ an. Den hatte die EU zwar erst in der Bewältigung der Euro-Krise vereinbart, nun aber sollen die Spar- und Etatvorgaben etwas lockerer gehandhabt werden. Inhaltlich ist das die sozialdemokratische Kernforderung an Juncker.
Italiens Premier Renzi gilt als linker Leuchtstern
Schon tags zuvor hatte sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) für Lockerungsübungen ausgesprochen. Italien und Frankreich mahnen ohnehin mehr Zeit für den Schuldenabbau an. Und je länger Swoboda redete, etwa zur Neuausrichtung der Migrationspolitik, umso mehr hatte man das Gefühl, hier spreche Italiens sozialdemokratischer Regierungschef Matteo Renzi. Dessen Land übernimmt zum 1. Juli den Vorsitz unter den 28 EU-Staaten. Als wichtigste Aufgaben hatte Italiens EU-Botschafter Stefano Sannino unlängst im kleinen Kreis einen flexibleren Sparkurs und eine neue Flüchtlingspolitik genannt. Swobodas Äußerungen glichen dem fast im Wortlaut.
Es gibt also eine neue linke Agenda in Europa und einen neuen linken Leuchtstern: Der junge Renzi, 39, hat die von Frankreichs Staatschef Francois Hollande nie ausgefüllte Rolle eingenommen. Auch deshalb wird er von Cameron vor der Kür Junckers umworben. Aber Cameron kann nur Schweden und Ungarn für seine ablehnende Haltung gewinnen. Zu wenig, um Juncker zu verhindern.
Matteo Renzi ist also Merkels neuer Gegenspieler in Europa. Und noch einer ist auf ihn angewiesen: Martin Schulz. Der deutsche Sozialdemokrat hatte die Idee ersonnen, dass der neue Kommissionschef aus dem Kreis der Spitzenkandidaten zur Europawahl stammen müsse. Aber für Schulz könnte es sich am Ende nicht auszahlen – auch wenn Swoboda kräftig für ihn warb. Seine Strategie: Wenn Juncker als Wahlsieger an die Spitze der Kommission rückt, gebührt auch Schulz ein Kommissarsamt. Von einer „starken Nummer Zwei“, sprach Swoboda. Aber es klang wie ein vergiftetes Lob. Denn selbst Swoboda räumte ein: „Am Ende entscheidet Angela Merkel.“
Ein Trostpflaster für Martin Schulz
Am heutigen Mittwoch wird Schulz zunächst zum Fraktionschef der Sozialdemokraten gewählt. Von einer Übergangslösung sprach der aus dem Parlament ausscheidende Swoboda. Denn auch im Plenum setzt Renzi Zeichen. Seine italienische PD kommt auf mehr Abgeordnete als die SPD und beansprucht die Fraktionsführung. Sollte Schulz das Kommissarsamt verpassen, bliebe der Parlamentsvorsitz für zweieinhalb Jahre. Ein Trostpreis. Cameron hingegen wird mit einem starken britischen Kommissarsamt umworben. Sein Intimus Andrew Lansley könnte zum Binnenmarktkommissar aufsteigen, mit weitreichenden Befugnissen für Bereiche wie Energie. Swoboda nannte erstmals auch öffentlich den Namen der dänischen Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt als favorisierte Nachfolgerin für den scheidenden Ratspräsidenten Herman Van Rompuy. „Eine starke Frau“, sagte Swoboda – und wenigstens ein starkes Amt für die Sozialdemokraten. Europas Personaltableau fügt sich rascher als gedacht. Am 1. Juli steht die Wahl des Parlamentspräsidenten an. Am 14. Juli könnte das Parlament Juncker als Kommissionschef bestätigen.