Der Befreiungsschlag, den Verteidigungsminister Thomas de Maizière vornehmen wollte, reitet ihn immer weiter in den Schlamassel. Denn die Verteidigungslinie, die er zur Erklärung seines Verhaltens in der Euro-Hawk-Affäre zog, verlangt von ihm sträfliche Ahnungslosigkeit.

Berlin - Der Befreiungsschlag, den Verteidigungsminister Thomas de Maizière am Mittwoch vornehmen wollte, reitet den Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt immer weiter in den Schlamassel. Denn die Verteidigungslinie, die er zur Erklärung seines Handelns in der Euro-Hawk-Affäre zog, verlangt von ihm sträfliche Ahnungslosigkeit. Dreh- und Angelpunkt seiner Argumentation ist seine Behauptung, er habe erst am 13. Mai davon erfahren, dass die Probleme bei dem Drohnenprojekt nicht mehr lösbar seien. Vorher sei er bis zur letzten Sekunde davon ausgegangen, die Probleme könne man schon noch in den Griff bekommen. De Maizière sagt, er habe den Stopp des Projekts nicht einmal selbst entschieden, sondern lediglich die zuvor schon getroffene Entscheidung der beamteten Staatssekretäre Stéphane Beemelmans und Rüdiger Wolf gebilligt. Die drei Wochen Aufbereitungszeit nach der Entscheidung hat er demzufolge gebraucht, um sich selbst ein Bild davon machen zu können, was da überhaupt abgelaufen ist.

 

Dies allein ist für einen Minister, der sich seiner Gründlichkeit und Detailversessenheit rühmt, schon ein gewagtes Eingeständnis – vor dem Hintergrund, dass der Euro-Hawk ein Milliardengrab zu werden drohte und mit dem Stopp in jedem Fall ein dreistelliger Millionenbetrag verbrannt wurde. Noch schwieriger wird die Lage für de Maizière, wenn Dokumente auftauchen, die belegen, dass selbst halbwegs interessierte Zeitungsleser mehr Ahnung von der sich zuspitzenden Projektlage haben konnten als der zuständige Ressortchef – sofern dessen Behauptung stimmt. Zwei derartige Belege machen dem Minister schon zu schaffen: die auf den 20. März 2013 datierte schriftliche Antwort seines Hauses auf eine Anfrage des SPD-Verteidigungsexperten Hans-Peter Bartels und mitgeschnittene Zitate des Ministers bei einem Redaktionsbesuch beim „Donaukurier“ in Ingolstadt.

Keine Kenntnis von der Antwort an die Opposition?

Aus der schriftlichen Antwort des Parlamentarischen Staatssekretärs Thomas Kossendey geht hervor, dass schon im März über Ausstiegsszenarien nachgedacht worden ist. An keiner Stelle ist die Rede davon, dass die Probleme lösbar seien, wovon de Maizière zu diesem Zeitpunkt angeblich noch überzeugt war. Die Frage nach Mehrkosten in Höhe von 500 Millionen Euro wird in dem Schreiben nicht dementiert, sondern kommentiert: „Es ist zutreffend“, dass wegen der Zulassungsprobleme „nicht unerhebliche Mehrkosten identifiziert wurden“. Es werde „eine Entscheidung zum weiteren Vorgehen“ erarbeitet und „abschließend geprüft, ob eine Beschaffung der Serie Euro Hawk vor dem Hintergrund der Zulassungsproblematik zu rechtfertigen ist“, heißt es in dem Schreiben.

Stefan Paris, de Maizières Sprecher, behauptet, der Minister habe von der brisanten Antwort an die Opposition – formuliert von der Leitungsebene seines Hauses - „keine Kenntnis gehabt“. Und auch der Umstand, dass Antworten auf solche Anfragen gewöhnlich in Kopie ans Ministerbüro geleitet werden, bedeute nicht, dass der Minister davon wusste. Es sei „keine zwingende Folge, dass all das, was im Ministerbüro landet, auch auf dem Tisch des Ministers landet“, sagte Paris. De Maizière hätte aber nur den Pressespiegel seines Hauses lesen müssen, um die Dramatik zu erkennen. Am 23. März berichtete die „Berliner Zeitung“ von der Antwort auf die SPD-Anfrage. Überschrift: „Drohnen-Programm vor dem Absturz“. Die Bundeswehr müsse auf das Prestige-Projekt „wohl verzichten“.

Zweideutige Antwort beim Besuch beim „Donaukurier“

Der zweite für de Maizière unangenehme Vorgang ist ein Redaktionsbesuch beim „Donaukurier“ am 8. Mai. Nach Angaben des Ministersprechers ist das just der Tag, an dem Staatssekretär Wolf die Ausstiegsentscheidung abgezeichnet hat, angeblich fünf Tage, bevor de Maizière davon erfahren haben will. Der „Donaukurier“ erscheint in Ingolstadt. Der Militärflughafen Manching, auf der die Testdrohne des Euro Hawk stationiert ist, liegt dort vor der Haustür. Das Ministerium versicherte der StZ aber, dass de Maizière an diesem Tag nicht in Manching gewesen sei, Grund der Reise sei ein Truppenbesuch bei der Pionierschule in Ingolstadt gewesen. Gleichwohl war der Euro Hawk eines der interessantesten Großprojekte im Einzugsgebiet des Blattes.

Deshalb musste der Minister damit rechnen, dass die Drohne bei dem Redaktionsbesuch eine Rolle spielt. Der Minister wurde prompt gefragt, ob die Bundeswehr, wie geplant, fünf Euro-Hawk-Drohnen anschaffen werde. Seine Antwort: „Im Moment sieht es nicht so aus.“ Man sei aber noch in der Prüfung. Paris, sein Sprecher, bestätigte, dass dieser Satz so gefallen ist. De Maizière sei damit aber nicht von seiner Verteidigungslinie abgewichen, die auf der Behauptung fußt, er sei bis zum 13. Mai von der Lösbarkeit der Probleme ausgegangen.