Immer mehr wichtige Entscheidungen müssen getroffen werden. Da reichen die Sitzungen am Tag oft nicht aus. Aus diesem Grund wird die Europapolitik nach einer vorübergehenden Verschnaufpause wieder zusehends nachtaktiv.

Brüssel - Aus eigener Erfahrung zeigt wenigstens die Bundeskanzlerin ein wenig Mitgefühl. „Dankeschön, dass Sie auch so lange wach geblieben sind“, ruft Angela Merkel um kurz vor drei Uhr am Freitagmorgen den Journalisten zu, nachdem sie dem voll besetzten Pressesaal gerade Auskunft über die vorangegangenen Griechenland-Gespräche gegeben hat. Andererseits, was soll man auch machen? Wer ins Bett geht, trifft auch keine Diplomaten, die einem die oft kryptischen EU-Erklärungen in Verständlich übersetzen können.

 

Manchmal hat das Warten auch Sinn

Schlimm ist es, wenn es nach dem Ausharren gar nichts zu erklären gibt, demnach völlig umsonst gewartet wurde. Das ist in vielleicht neun von zehn Fällen der Fall. Manchmal wird in der Nacht aber eben doch Griechenland geholfen, ein Rettungsschirm aufgespannt oder das bankrotte Zypern erpresst. Und dann will die heimische Redaktion schon am frühen Morgen eben doch wissen, wie der Hase genau gelaufen ist. Also bleibt man doch.

Blöderweise wird die Europapolitik zurzeit wieder nachtaktiver - der deutschen und griechischen Regierung sei Dank. Mit der abermaligen Rückkehr der Krise werden auch die Brüsseler Nächte wieder länger – und die EU-Reporter schwanken zwischen den beiden Polen „elektrisiert“ und „ermattet“. Alle stöhnen.

Tumult unter den Journalisten

Irgendwann aber ist Schluss, wie Thomas de Maizière gerade erfahren musste. Als der Bundesinnenminister kürzlich ankündigte, dass auch er und seine Amtskollegen sich im Juni erst am späten Nachmittag treffen und solange in die Nacht verhandeln wollen, bis sie sich auf die Datenschutzreform verständigt haben, bricht in der Journalistenrunde ein kleiner Tumult aus: Nicht auch noch die Innenminister!

Die alten Hasen berichten, wie früher eigentlich nur Überstunden gemacht, wenn alle paar Jahre neue europäische Verträge ausgehandelt wurden. Oder bei den Agrarministern, wenn sich über die jährlichen Fischfangquoten gefetzt wurde. Inzwischen aber scheint die Nacht der neue Tag zu sein. Die Staats- und Regierungschef, die Finanzminister – und immer wieder Griechenland.

Eine total entspannte Nacht

So richtig verstehen konnte de Maizière die Aufregung im Raum nicht. Er fand seine letzte Brüsseler Nacht nämlich total spannend. Anfang Mai sprang er kurzfristig für den erkrankten Finanzminister Wolfgang Schäuble ein und zimmerte in nur einer Nacht – mit dem drohenden Zusammenbruch des internationalen Finanzsystems im Rücken – den Euro-Rettungsschirm. Dass er nochmal eine Nachtsitzung vorschlägt, scheint da verständlich – es war ja auch seine einzige.