Der Streit um die Vergabe eines gut bezahlten Brüsseler Postens an einen CDU-Politiker bringt die Kommissionschefin in Erklärungsnot. Das Parlament legt nun nach.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Markus Pieper ist kein Politiker, der das Rampenlicht sucht. In den Reihen seiner Kollegen gilt der Europaparlamentarier eher als stiller Arbeiter. Doch nun ist der Name des Deutschen in Brüssel plötzlich über die Parteigrenzen hinweg ein Thema. Am Donnerstag wurde dem CDU-Mann sogar die zweifelhafte Ehre zuteil, im Mittelpunkt einer Debatte im Europaparlament zu stehen. An deren Ende forderten die Abgeordneten die EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dazu auf, die Ernennung Markus Piepers zum Beauftragten für kleine und mittelgroße Unternehmen rückgängig zu machen. Ein von Grünen, Sozialdemokraten und Liberalen verfasster Antrag dazu wurde im Plenum mit 382 Stimmen angenommen. 144 Abgeordnete votierten dagegen, 80 enthielten sich.

 

Ein Fall von „Günstlingswirtschaft“?

Der Europaparlamentarier Michael Kauch (FDP) sieht in dem Fall das „Ergebnis von Günstlingswirtschaft“. Und sein Kollege Daniel Freund von den Grünen legt nach: „Der Mittelstandsbeauftragte in der EU-Kommission ist ein wichtiger Posten. Bei der Besetzung zählt Qualifikation, nicht Parteizugehörigkeit.“ Unter der Hand wird auch erzählt, Ursula von der Leyen habe auf diese Weise einen innerparteilichen Kritiker ruhigstellen wollen.

Hintergrund der Vorwürfe ist unter anderem, dass in der Anfangsphase des Auswahlverfahrens zwei Bewerberinnen aus Schweden und Tschechien besser bewertet worden waren als der 60 Jahre alte Pieper. Der aus dem Münsterland stammende CDU-Politiker setzte sich demnach erst in den Auswahlgesprächen durch.

Der Fall könnte zum „Pieper-Gate“ werden

Nach anfänglichem Schweigen hat inzwischen auch Ursula von der Leyen erkannt, dass sich der Fall für sie zu einem „Pieper-Gate“ auswachsen könnte. Also lässt sie ihre Mitarbeiter ausschwärmen, um ihre Version der Geschichte zu erzählen. Die Emissäre betonen immer wieder, dass es in Bewerbungsprozessen vollkommen normal sei, dass sich Kandidaten am Ende nicht durchsetzten, die in den ersten Runden noch besonders gut abgeschnitten hätten. Zudem wird unter anderem auf die jahrelange Erfahrung Piepers in der Mittelstandspolitik verwiesen.

Für Ursula von der Leyen ist die Angelegenheit deshalb überaus heikel, da sie als CDU-Politikerin erst vor wenigen Wochen zur Spitzenkandidatin der konservativen EVP für die Europawahlen gekürt wurde. Das aber gefiel nicht einmal allen Parteifreunden, denn der Deutschen haftet der Ruf an, sie neige zu selbstherrlichen Entscheidungen. So steht etwa der Vorwurf im Raum, sie habe auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie eigenmächtig mit Pfizer-Chef Albert Bourla Verhandlungen über die Lieferung von Impfstoffen geführt. Inzwischen untersucht die Europäische Staatsanwaltschaft wegen eines möglichen strafrechtlichen Fehlverhaltens in dem 20-Milliarden-Euro-Deal.

Unglückliches Agieren von Ursula von der Leyen

Selbst in der CDU/CSU-Fraktion im Europaparlament ist das Agieren Ursula von der Leyen nicht ganz unumstritten. Aber angesichts des anlaufenden Europawahlkampfes bildet sich eine Art Wagenburg-Mentalität. So werden die zum Teil sehr scharfen Vorwürfe wegen der Ernennung von Markus Pieper als politische Kampagne der Opposition gebrandmarkt. Aus manchen Kollegen spreche da wohl der Neid, heißt es. Der Grund: der zukünftige Mittelstandsbeauftragte rangiert in der Besoldungsstufe AD15, was einem Monatsgehalt von mehr als 18 000 Euro entspricht.

Trotz des am Donnerstag verabschiedeten Antrags im Parlament könnte der Fall allerdings doch noch im Sande verlaufen. Denn anfangs hatten auch vier Mitglieder der EU-Kommission gegen ihre Chefin das Wort erhoben. Das Kollegium müsse „gemeinsam über eine Antwort auf die Vorwürfe und über mögliche Auswirkungen auf die nächsten Schritte im Einstellungsverfahren beraten“, heißt es in einem nicht ganz zufällig bekanntgewordenen Schreiben der Kommissare Thierry Breton, Nicolas Schmit, Paolo Gentiloni sowie des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.

Alles doch nur Wahlkampfgetöse?

Doch auch hier wurde aus dem Umfeld Ursula von der Leyens sofort die Erzählung gestreut, es handle sich bei dem Papier um ein durchschaubares Wahlkampfmanöver. So sei etwa der Luxemburger Nicolas Schmit Spitzenkandidat der Sozialdemokraten bei der Europawahl. Die Arbeit der Strippenzieher scheint Erfolg zu haben. Bei einer Unterredung des Kollegiums am Mittwoch, so wird erzählt, habe es keinen allzu großen Widerstand gegen die Ernennung gegeben.

Wohl deshalb zeigt sich Ursula von der Leyen unbeirrt. Einer ihrer Sprecher machte am Donnerstag kurz nach der Entscheidung des Parlaments folglich noch einmal deutlich, dass es keine Pläne gebe, die Personalentscheidung rückgängig zu machen. Markus Pieper wird also am kommenden Dienstag seine Arbeit als Mittelstandsvertreter antreten.