Die euroskeptische Alternative für Deutschland (AfD) sieht sich in ihrem Wahlkampf beeinträchtigt. In Universitätsstädten bleibt kein Plakat unbeschädigt. Bernd Lucke spricht sogar von „erschütternden Wahlkampferfahrungen“.

Berlin - Bernd Lucke, der Sprecher der eurokritischen Alternative für Deutschland (AfD), ist aufgebracht. Auf einer Pressekonferenz in Berlin spricht er von „erschütternden Wahlkampferfahrungen“. Der Grund liegt nicht etwa darin, dass die AfD im Europawahlkampf kein Publikum fände. Die Meinungsumfragen sehen die AfD bei etwa sechs Prozent. Vielmehr sieht sich die neue Partei dadurch behindert, dass ein Drittel der Plakate zerstört worden sei. In Universitätsstädten bleibe kaum ein Plakat länger hängen als einen Tag. Lucke klagt, dass eine sachbezogene Auseinandersetzung kaum möglich sei. Anstatt sich mit den Argumenten auseinderzusetzen, würden die Eurokritiker von Politikern beschimpft. Die saarländische Ministerpräsidenten Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sieht die AfD gar an der Grenze zur Verfassungsfeindlichkeit.

 

Das empört Lucke, der Spitzenkandidaten für die Eurowahl ist. Er fordert ein „klärendes Wort“ des Bundespräsidenten oder des Bundesinnenministers. Anstatt die Partei zu verunglimpfen, sollte die Auseinandersetzung um die Europapolitik im Mittelpunkt stehen, meint Lucke. Der AfD-Kandidat und frühere IBM-Manager Hans-Olaf Henkel wirft „Vertretern der Staatsmacht“ sogar vor, Bürger gegen die AfD aufzuhetzen.

Die AfD hat inzwischen 18000 Mitglieder

Dass sich Lucke und seine Mitstreiter von Medien und „Altparteien“, wie es im AfD-Jargon heißt, verfolgt fühlen, ist nicht neu. Auch dass Lucke die Störung des Wahlkampfs gern zum Thema macht, folgt einem bekannten Muster. Als kurz vor der Bundestagswahl im September vergangenen Jahres einige Chaoten eine Wahlveranstaltung mit Lucke sprengten, nutzte dies die AfD umgehend für ihre Öffentlichkeitsarbeit. Gern verbreitet sie ihr Selbstbild vom aufrechten Streiter, der verunglimpft wird.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die AfD in diesen Wochen mit ihren Einwänden zur Eurorettung nur schwer durchdringt. Das liegt vor allem daran, dass sich die Lage in den europäischen Krisenländern stabilisiert. Lucke und die 18 000 Parteimitglieder sind überzeugt, dass es eine trügerische Ruhe ist. Mit Briefen an den Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will Lucke den Nachweis führen, dass bei der Griechenland-Rettung hohe Folgekosten zu erwarten sind. In einem aktuellen Schreiben weist er darauf hin, dass die Zinsermäßigung für Griechenland Milliarden koste. Schäuble lässt die Post auch beantworten, allerdings von seinem Staatssekretär. Die Idee ist auch ein Kennzeichen für die professorale Welt des Herrn Lucke, der meint, Briefe könnten im Wahlkampf Aufmerksamkeit erregen.

Wie krampfhaft die AfD nach populären Themen sucht, zeigt sich auch daran, dass sie an alle Mitglieder der Parlamente die Aufforderung verschickt hat, bei Bahn- und Flugreisen nicht mehr in der ersten Klasse oder in der Business-Klasse zu sitzen. Die zweite Klasse reiche auch.

Leitlinien sollen nach rechts abgrenzen

Im Wahlkampf setzt die Partei vor allem auf ihren Spitzenmann Bernd Lucke und den Exmanager Henkel. Beide reisen „wie ein Haken schlagender Hase“ durch Deutschland, wie es Henkel formuliert. Von einem guten Abschneiden bei der Europawahl erwartet sich die Partei neuen Schwung. Im Europäischen Parlament will die AfD mit eurokritischen Parteien ein Bündnis bilden. Lucke legt dabei allerdings Wert darauf, dass keine radikalen Eurogegner in Frage kommen.

In der AfD sehen das allerdings nicht alle Funktionäre so. Die Junge Alternative, in der sich junge Parteimitglieder versammeln, lud vor einigen Wochen zu einem Treffen mit islamfeindlichen und rechtspopulistischen Politikern aus dem Ausland. Lucke betont zwar, die Junge Alternative sei nicht die offizielle Jugendorganisation der Partei. Die Distanzierung wirkt aber halbherzig. Auf Bundesparteitagen der AfD verteilt die Gruppe Einladungen für Treffen mit europäischen Rechtspopulisten.

Mit ihren politischen Leitlinien will die AfD den Nachweis führen, dass sie keine rechtspopulistische Partei sein möchte. Die Leitlinien sind auch der Versuch, sich von extremen Stimmen im eigenen Lager zu distanzieren. „Unsere Mitglieder müssen sich fragen, ob sie auf dem Boden der politischen Leitlinien stehen“, sagt Gustav Greve, Beisitzer im Bundesvorstand.