Die Grünen sind auch in Leonberg stark. Politiker aus der Region machen einen Grund aus: den Klimaschutz.

Leonberg - Bernd Murschel kann es selbst kaum glauben. „Nein, dieses Ergebnis hätte ich nicht erwartet“, sagt der Leonberger grüne Landtagsabgeordnete und Stadtrat. Auf 23 Prozent kommen die Grünen in Leonberg, zehn Prozentpunkte mehr, als bei der Europawahl 2014. Auch im ländlicheren Heimsheim hat die Ökopartei 22 Prozent der Stimmen bekommen. „Ich freue mich riesig, zehn Prozentpunkte zusätzlich sind sensationell“, sagt Murschel.

 

Der Abgeordnete muss nicht lange überlegen, warum seine Partei so erfolgreich war. „Wir haben die richtigen Themen angesprochen, wir besetzen die Themen der Zukunft.“ Das ist ganz zentral natürlich der Klimaschutz, aber auch das Engagement für Europa. Die etablierten Volksparteien müssten sich fragen lassen, warum sie nicht verstehen, was die Themen der Zukunft sind, fragt sich der Grünenpolitiker.

Vor allem die SPD muss sich das fragen. Schlecht ist die Stimmung bei der SPD. Gut 13 Prozent haben die Sozialdemokraten in Leonberg bekommen, fünf weniger als bei der letzten EU-Wahl. Katja Mast, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Abgeordnete des Enzkreises, redet nicht lange um den heißen Brei herum. „Für uns ist das ein bitterer Abend“, sagt sie, „da gibt’s überhaupt nichts schönzureden“. Warum die Sozialdemokraten so abgefallen sind? „Ich gehöre nicht zu den vorpreschenden Schnellanalysten, die gleich nach den ersten Zahlen die Gründe schon kennen“, sagt Mast. „Klar ist: Das zentrale Thema war der Klimaschutz. Hier sind die Unterschiede zu den anderen Parteien nicht deutlich geworden.“

CDU: „Wir haben viel zu lange über Migrationspolitik diskutiert“

Zum selben Ergebnis kommt auch ihr CDU-Kollege aus dem Kreis Böblingen, der Bundestagsabgeordnete Marc Biadacz, der die Auszählung im Böblinger Rathaus verfolgt. „Für uns ist das kein gutes Ergebnis, das war aber abzusehen“, sagt er. 29,7 Prozent der Leonberger Wähler haben sich für die CDU entschieden. 35,9 Prozent waren es 2014. Das schlechte Abschneiden liege an den Themen. „Wir haben viel zu lange über Migrationspolitik diskutiert, nicht über Klima, Umwelt und Digitalisierung – das war falsch.“ Dabei sei die CDU mit Klaus Töpfer doch mal eine starke Umweltpartei gewesen, ist Biadacz überzeugt. „Das müssen wir uns zurückerarbeiten.“ Euphorisch klingt auch Markus Frohnmaier nicht. Mit neun Prozent ist die AfD in Leonberg nur einstellig, im Bund zweistellig. Den AfD-Abgeordneten erreichen wir auf dem Weg in den Urlaub, den er sich nach einem Wahlkampf mit 20 Auftritten gönnt. „Wir hatten geplant, zweistellig zu werden – das ist uns gelungen“, sagt der Weil der Städter. „Aber natürlich ist immer Luft nach oben.“ Die AfD habe in den vergangenen Wochen mit der Berichterstattung über die Russland-Kontakte und mit dem Absturz der FPÖ in Österreich viel Gegenwind erfahren. „Da ist es umso erstaunlicher, dass wir so stark abgeschnitten haben“, sagt Frohnmaier.

Landrat von Wahlbeteiligung begeistert

Bei der FDP bleibt Böblingens Abgeordneter im Bundestag gelassen. „Europawahlen waren für uns immer ein bisschen schwierig“, sagt Florian Toncar. Woran das liegt, müsse man jetzt analysieren. Für das Klima treten auch die Liberalen ein, freilich mit anderen Mitteln.

„Unsere Aufgabe wird es nun sein, die Schwächen der Grünen herauszuarbeiten“, kündigt der Geschäftsführer seiner Bundestagsfraktion an.

Einen Wahlgewinner gibt es indessen auf jeden Fall: Nämlich die Demokratie. Die Wahlbeteiligung lag in Leonberg bei fast 70 Prozent – ein Durchschnitt, der sich auch im Rest des Landkreises abzeichnet. Beim Landrat Roland Bernhard hat „die satte Wahlbeteiligung“ Begeisterung ausgelöst: „Das ist genial“, sagte der Kreiswahlleiter am Abend im Landratsamt in Böblingen.