Die Deutsche hat große Chancen, nach der Europawahl im Juni erneut EU-Kommissionschefin zu werden. Ganz vollständig ist der Rückhalt aber auch in ihrer eigenen Parteienfamilie nicht.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Für Ursula von der Leyen beginnt der Wahlkampf. Knapp drei Monate vor der Europawahl ist sie nun offiziell Kandidatin der europäischen Parteienfamilie EVP für eine zweite Amtszeit als Präsidentin der EU-Kommission. Die CDU-Politikerin wurde am Donnerstag in der rumänischen Hauptstadt Bukarest bei einem Kongress formell aufgestellt. Ein kleiner Wermutstropfen mischte sich allerdings in die allgemeine Freude bei den Konservativen: die erhoffte Einstimmigkeit wurde verfehlt. Für Ursula von der Leyen stimmten 400 EVP-Delegierte, 89 sprachen sich dagegen aus. Gegenkandidaten gab es nicht.

 

In ihrer Rede an die Delegierten betonte die 65-Jährige, die Europäische Union stehe für Frieden, Sicherheit, Freiheit und Wohlstand. In diesen von Krisen geplagten Zeiten werde sie für diese Werte kämpfen. Rechte Nationalisten und Demagogen „wollen unsere Werte mit Füßen treten und sie wollen unser Europa zerstören“, warnte sie. „Das Signal von Bukarest heute ist, dass die EVP für Europa steht, für ein starkes, sicheres, friedliches, wohlhabendes, demokratisches und geeintes Europa“, sagte die Politikerin.

„So lange wie notwendig“

Unverbrüchlich sei auch ihre Unterstützung für die Ukraine im Kampf gegen den Aggressor Russland. Dabei wiederholte sie die seit zwei Jahren bekannte Formulierung: „So lange wie notwendig“. Manche europäischen Regierungschefs haben diesen Satz angesichts der von russischen Soldaten verübten Gräueltaten inzwischen abgewandelt und versprechen Kiew Hilfe „bis zum Sieg über Russland“. So weit will Ursula von der Leyen bei ihren Versprechungen offensichtlich nicht gehen. In diesem Zusammenhang bekräftigte die Deutsche auch, dass sie den Plan der EVP unterstütze, in der künftigen Kommission einen neuen Posten eines Kommissars für Verteidigung zu schaffen.

In dieselbe Kerbe schlug CDU-Chef Friedrich Merz bei seiner Rede auf dem EVP-Parteitag. Mit Blick auch auf die mögliche Wiederwahl von Donald Trump in den USA und dessen Drohung, die Nato zu verlassen, betonte Merz, dass sich Europa um die „eigene Verteidigung gegen jegliche Aggression“ kümmern müsse. Zwar stimme es, dass „wir alle der Nato und unserer transatlantischen Partnerschaft zutiefst verpflichtet sind“, räumte der CDU-Chef ein. „Aber wir Europäer sollten uns nicht nur auf die Nato verlassen.“

Nicht nur Lobeshymnen auf die Kandidatin

Natürlich wurden auf dem Kongress in Bukarest viele Lobeshymnen auf Ursula von der Leyen gesungen, aber das Verhältnis sehr vieler Konservativer zu der deutschen EU-Kommissionschefin ist eher gespannt. Deutlich wurde das durch die Gegenstimmen aus dem französischen Lager der Republikaner von Ex-Präsident Nicolas Sarkozy. Die hatten schon vor dem Treffen angekündigt, gegen sie als Kandidatin zu votieren. Deren Gruppenchef François-Xavier Bellamy hatte sogar einen offenen Brief verfasst. Hauptkritikpunkt ist Ursula von der Leyens Vorzeigeprojekt Green Deal, mit dem sie die EU bis 2050 klimaneutral machen will. Bellamy wirft der Deutschen vor, sie überhäufe die Wirtschaft mit Bürokratie und stelle sich immer wieder gegen die hart arbeitenden Landwirte, auf deren Stimmen das bürgerliche Lager bei der anstehenden Europawahl setzt. Damit macht sich der Franzose zum Wortführer jener Konservativen, die von der Leyens „grüner“ Politik abwehrend gegenüberstehen. Auch Abgeordnete von CDU und CSU im Europaparlament stimmten zuletzt gegen eine Reihe von Gesetzesvorschlägen der EU-Kommission, nachdem sich Bauernverbände quergestellt hatten.

Scharfe Kritik kommt aus dem EU-Parlament

Bisweilen scharfe Kritik kommt aus dem Europaparlament. Die Abgeordneten hätten gerne jemanden aus ihren Reihen zur EU-Kommissionschefin gewählt. Grund für die Abneigung ist auch, dass Ursula von der Leyen nach der Europawahl 2019 von den Staats- und Regierungschefs für das Amt nominiert worden war, obwohl sie zuvor nicht Spitzenkandidatin einer Parteienfamilie für den Posten war. Allerdings wird sich auch die deutsche Bundesregierung sehr wahrscheinlich hinter die Kandidatur der Niedersächsin stellen. Denn sollte sie nicht gewählt werden, würde der Posten an eine Kandidatin oder einen Kandidaten aus einem anderen EU-Land vergeben.