European Championships 2022 Inklusion an der Ruderregatta – gemeinsam stark

Nicht zu schlagen: Tim Hecker (li.) und Sebastian Brendel Foto: dpa/Hoppe

Kanuten und Ruderer machen es vor: Wenn wie bei den Europameisterschaften in München paralympische und olympische Sportler ihre Wettkämpfe zusammen austragen, profitieren alle davon: die Aktiven und die Zuschauer.

Sport: Dominik Ignée (doi)

Im Zielraum an der Ruderregatta etwas nördlich von München geht es Schlag auf Schlag. In einer Kanu-Kategorie nach der anderen werden am Freitag die Sieger gekürt, danach geht es zum Interviewmarathon, die ganze Angelegenheit wird unübersichtlich. Die Gewinner feixen schon herum und schmieden Partypläne für den Abend, und die anderen Podestbesucher sind entweder hochzufrieden – oder hätten insgeheim auch auf Gold gehofft.

 

Die Wettbewerbe sind so straff durchgetaktet, weil alle beisammen sind in diesen Tagen bei diesen Europameisterschaften in München: paralympische und olympische Kanuten, wie zuvor schon bei den Ruderern. Man macht gemeinsame Sache. Die Zuschauer kommen voll auf ihre Kosten: Es gibt viel mehr Wettkämpfe zu sehen. Das Programm lässt keine Pausen zu. Auch Julius Beucher ist begeistert von diesem dualen Weg. „Die Integration der Para-Events hat sehr gut geklappt. Die Athleten sprechen von einer tollen Atmosphäre und lautstarken Unterstützung an der Wettkampfstätte“, sagt der Präsident des Deutschen Behindertensportverbands. In München erleben die Para-Sportler, wie es ist, mal vor 4000 Zuschauern zu paddeln oder zu rudern. Im normalen Wettkampfbetrieb ist das nicht üblich.

Schön für alle

„Das haben wir bei Weltmeisterschaften auch immer, dass wir gemeinsam unterwegs sind, und ich finde das sehr gut“, sagt Tobias Schultz, der am Freitag Europameister mit dem Kajak-Vierer wurde. Allerdings kommt es nicht immer zu Freundschaften zwischen olympischen und paralympischen Sportlern. „Man muss ehrlich sagen, dass wir weniger Berührungspunkte haben als erhofft. Aber es ist schön für beide, dass das alles zusammengefasst ist“, sagt Schultz.

Anja Adler scheint deutlich kontaktfreudiger zu sein. Die Europameisterin des Jahres 2021, die am Freitag in ihrer ersten Disziplin Va’a-Einer auf den vierten Platz kam, sagt: „Hier enstehen definitiv Freundschaften, also bei mir ist das so.“ Sie spricht von einem Prozess, in dem sich alles abgespielt hat in den vergangenen Jahren. „Anfangs wurden wir Para-Sportler noch etwas separat gehalten, doch jetzt sind wir richtig schön inkludiert, feuern uns alle gegenseitig an, feiern zusammen – also das ist schon etwas sehr Schönes. Ich bin stolz darauf, dass wir so eine inklusive Sportart haben.“

Zu viele Klassen

Im Kanu-Rennsport werden inzwischen alle internationalen Meisterschaften gemeinsam ausgetragen, nur bei Olympischen Spielen nicht, in dieser Hinsicht ist es auch besser so. Sonst würden die paralympischen Sportarten wohl untergehen. „Das Gute an den Paralympics ist ja, dass sich dann die Aufmerksamkeit nur darauf konzentriert“, sagt Anja Adler, die aber findet, dass der gemeinsame Weg auch Vorbild für andere Sportarten sein könnte. Allerdings gelte das nicht für jede Disziplin. In der Para-Leichtathletik etwa gibt es so viele Klassen, dass es schwierig werden könnte, eine gemeinsame Veranstaltung mit einem ordentlichen Zeitplan auf die Beine zu stellen. „Das könnte schwierig werden“, meint Adler, „denn wenn man hier bei den European Championships mal zur Leichtathletik herüberschaut, haben die ja schon selbst ein vollgepacktes Programm.“ Allein die doppelte Menge an Athleten unterzubringen, dürfte eine große Herausforderung sein. „Aber man könnte es ja mal probieren.“

Die Kanuten beider Bereiche sind in München im selben Hotel, da trifft man sich und stößt am Abend auch mal miteinander an. Vor den Weltmeisterschaften haben die Kanuten sich in Duisburg gemeinsam auf die WM vorbereitet, auch in Kienbaum wird öfter mal zusammen trainiert. Nächste Woche bei den Deutschen Meisterschaften gibt es sogar ein inklusives Rennen in einem Kajak-Zweier. „Da fährt dann ein Parasportler mit einem Rennsportler zusammen. Die Disziplin heißt K2-Mix, dieses Format erfreut sich immer größerer Beliebtheit“, sagt Adler.

Eigentlich selbstverständlich

Manuela Diening hat bei der EM im Rudern Silber gewonnen. Für sie ist der gemeinsame Weg nur logisch. „Ich sehe es eigentlich als Selbstverständlichkeit an, dass Para-Rudern oder allgemein der Parasport hier dabei ist. Man trennt ja auch nicht Frauen- und Männer-Europameisterschaften in unserem Sport. Warum sollte man dann die Para-EM trennen?“, sagt sie und mit dieser Meinung steht sie nicht allein.

Am Wochenende geht es indes für die Kanuten heiter weiter. Gemeinsam. Und stark.

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