Am Dienstagabend beginnt in Malmö der große Wettkampf um das beste Lied. Eine Favoritin gibt es beim Eurovision Song Contest jetzt schon: Emmelie de Forest aus Dänemark.

Malmö - Sie arbeitete in einer Konditorei, als sie sich um einen Platz in der dänischen Ausscheidung zum Eurovision Song Contest bewarb. Als sie erfuhr, dass sie angenommen war, „fielen mir vor Schreck die Torten runter“. Beim ESC-Finale am Samstag sollte Emmelie de Forest daher die Hände lieber frei haben, denn die Chance ist groß, dass die Conferencieuse Petra Mede am Ende ausrufen wird: „And the winner is – Denmark!“

 

Das ist vorerst Zukunftsmusik, doch mit der großen Galaeröffnung am vergangenen Sonntagabend ist die ESC-Woche nun auch offiziell in Gang. Da waren die 39 Teilnehmer über den siebzig Meter langen roten Läufer in Malmös Oper stolziert, sodass sich die Lokalpresse an eine Oscar-Feier oder die Filmfestspiele in Cannes erinnert sah – obwohl die Künstler von der schwedischen Heimathoffnung Robin Stjernberg bis zu Farid Mammadour aus Aserbaidschan, der im Abba-T-Shirt kam („für den besten ESC-Song aller Zeiten“ lautete seine Huldigung an „Waterloo“, den Siegertitel von 1974), den Ruhm erst noch gewinnen müssen. Als Favoritin gilt nur eine. Es ist wie damals bei Lena oder im Vorjahr bei der rassigen Schwedin Loreen. Die Wettbüros jedenfalls sind sich seit Wochen sicher: Wer auf Emmelie setzt, bekommt sein Geld nur zweimal zurück, mit großem Vorsprung führt sie die Listen der Odds an.

Das hat sich auch nach den ersten Proben nicht geändert, die Beobachter noch eher an einen Hühnerhof erinnerten als an eine Mustershow. Auch die Malmö Arena, eine wenig charmante Mehrzweckhalle auf einer riesigen Bauhalde, hat noch nicht viel vom Flair eines Musentempels. Doch das wird sich ändern, wenn im Lauf der Woche die ESC-Fans das Gelände einnehmen und das Betongebäude zum Kochen bringen. Ruhig sitzen und zuhören gilt jedenfalls nicht: in der Halle gibt es nur Stehplätze, auch für die mit den teuersten Tickets.

Und was sagt sie zu ihrer Favoriten-Rolle?

Als Emmelie de Forest über den roten Teppich schritt, wurde der Jubel der Neugierigen an den Absperrzäunen besonders laut. Was sie zu ihrer Favoritenrolle sagt? „Ich fand das Lied ja auch gleich toll“, erwidert sie mit schüchternem Lächeln. Geschrieben hat es Lis Cabble, eine der erfahrensten dänischen Song-Schneiderinnen, die selbst mit der Frauenband „Miss B.Haven“ Karriere gemacht hat. „Sie hat meine Stimme gehört und mich ausgewählt“, erzählt Emmelie stolz,. Ihr zuliebe hat die Komponistin „Only Teardrops“ etwas folkiger angehaucht, damit es besser zur Sängerin passt.

Dass ihr Vater Schwede ist, sichert ihr in Malmö einen Heimvorteil. Sie wird barfuß singen wie einst Sandy Shaw, die den Grand Prix 1967 gewann. „Ich mag zwar Highheels, aber ich habe Angst, dass ich auf der Bühne umkippe“, sagt sie, und sie fühlt sich nicht zu jung für den „tiefen Love-Song“, den sie zu interpretieren hat. Dass sie gegen eine Bonnie Tyler antritt, die ihre Großmutter sein könnte, löst bei ihr nur Staunen aus: „Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich in der selben Arena auftreten werde wie sie, wow, ich fasse es nicht.“ Doch nicht die Britin mit ihren 45 Jahren Bühnenerfahrung gilt als Emmelies größte Rivalin – und auch nicht die deutsche Band Cascada, die Loreens vorjährigen Siegertitel leicht abgewandelt repetiert.

Die Wettbüros führen die Ukrainerin Zlata Ognevich mit ihrem pompösen „Gravity“ auf Platz zwei und geben auch dem modernen, mit nervigen Drums unterlegten Popsong der Norwegerin Margaret Berger, der milden Russin Dina Garipova mit ihrer schnulzigen Friedensbotschaft „What if“ („Was, wenn wir alle die Waffen vergraben würden“ – hör’s Putin!) und der Niederländerin Anouk Außenseiterchancen. Anouk, seit 15 Jahren ein Star in ihrer Heimat, singt „Birds“ mit der klarsten Stimme des ESC. Doch kann ein Lied ohne schmissiges Arrangement tatsächlich gewinnen? Auffällig ist diesmal die hohe Zahl der Interpreten, die in der Landessprache singen, zwanzig von 39. Wie oft hat man beim ESC schon Albanisch, Hebräisch, Isländisch oder Ungarisch gehört? Nur auf deutsch singt niemand.

Schräges aus der Schweiz

Der schräge Auftritt, der es in jedem Grand Prix ins Spitzenfeld schafft, kommt diesmal aus der Schweiz, die die Heilsarmee ins Rennen schickt, mit einem Lied, wie man es auf Fußballtribünen grölt, das sofort ins Ohr geht und nicht wieder raus. Die Jüngste im Sextett ist 21, der Älteste 95, und sie nennen sich Takasa. Das heiße Reinigung auf Suaheli, flunkert die Gruppe, denn die Buchstaben stehen natürlich für „The Artists Known as Salvation Army“ – ein eleganter Seitenhieb auf das Eurovisions-Reglement, das den Auftritt als Heilsarmee und in den bekannten Uniformen untersagte.

Doch zunächst müssen alle Teilnehmer außer dem Veranstalterland und den vorqualifizierten fünf „Großen“ – Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien – durch den Nervenkitzel der Semifinals. Auch Emmelie. Darauf zu wetten, dass sie es ins Finale schafft, ist allerdings kein gutes Geschäft: wer 100 Euro darauf setzt, bekommt 101 zurück.