Eva Schulz gelingt es, Politik für ein junges Publikum spannend aufzubereiten. Im Interview spricht sie über ihr neues ARD-Format und über die Kunst, schwere Themen respektvoll und unterhaltsam zugleich zu vermitteln.

Eva Schulz ist eine der bekanntesten Fernsehmacherinnen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Vor einigen Jahren hat die Journalistin bei Funk, dem jungen Content-Netzwerk von ARD und ZDF ihr Politik-Format „Deutschland3000“ gestartet. In ihrem Podcast interviewt sie bekannte Persönlichkeiten von Pop bis Politik. Vor der letzten Bundestagswahl hatte sie etwa Robert Habeck, Olaf Scholz und Annalena Baerbock vor dem Mikrofon. Jetzt ist mit „Die Woche mit Eva Schulz“ ihre neue Sendung in der ARD-Mediathek angelaufen. Jeden Donnerstag resümiert sie mit zwei meinungsstarken Gästen, was in der Welt und in Deutschland gerade los ist.

 

Frau Schulz, wie hat sich die erste Sendung angefühlt?

Richtig schön! Wir haben monatelang unter Ausschluss der Öffentlichkeit an der Sendung gewerkelt. Alles, was wir vorbereitet hatten, wurde jetzt zusammengeführt und gipfelte darin, dass es real wird – das hat richtig gutgetan.

Was ist die Zielsetzung Ihrer Sendung?

Ich kenne von mir selbst, dass man Ende der Woche grob alle Schlagzeilen mitbekommen hat. Es fehlen aber oft noch die Einordnung, Hintergrundwissen und verschiedene Perspektiven auf die Themen, damit ich mir eine eigene Meinung bilden kann. Der Ansatz unserer Sendung ist es, am Donnerstagabend einen Ort zu schaffen, an dem sich die Zuschauerinnen und Zuschauer mit mir und meinen Gästen treffen können. In einer lockeren und konstruktiven Atmosphäre wird dann darüber gesprochen, was die Woche los war.

Was wollen Sie mit Ihrer Talksendung anders machen als schon bestehende Formate?

Es gibt sehr viele gute Politik-Talkshows in Deutschland. Im Austausch mit unserer Zielgruppe habe ich aber immer wieder gehört: Diese Talkshows zu schauen, fühle sich an, wie Hausaufgaben machen. Man muss sich eine Stunde lang mit diesem Thema auseinandersetzen, es ist alles sehr kompliziert, ernst, und mitunter schwer.

In der ersten Ausgabe ging es um den Anschlag auf die Zeugen Jehovas in Hamburg, um die Proteste im Iran und am Schluss um ein positives Thema, den Oscars für einen deutschen Film. Ist das die Themenmischung auch für kommende Sendungen?

Unsere Formel lautet, wir möchten die Leute weiterbringen, ohne sie runterzuziehen. Wir hören in den letzten Jahren oft, dass sich Menschen von den Nachrichten abwenden. Sie sagen, es sei so viel Schlimmes los in der Welt und das führt zu Überforderung und Hilflosigkeit. Da wollen wir gerne ansetzen und mit der Atmosphäre, die wir herstellen deutlich machen: Es muss nicht immer ernst und belastend sein, sich mit den Nachrichten auseinander zu setzen. Wenn etwas Heftiges in der Welt passiert, und ich verstehe das Thema durch eine Sendung wie unsere am Ende ein bisschen besser, dann kann das ein gutes Gefühl geben. Und wir werden tatsächlich sehr gezielt für das Ende der Sendung lockere Themen suchen, die ja auch eine große Relevanz haben.

In der ersten Ausgabe waren Michel Abdollahi und Aline Abboud zu Gast.

Das sind beides angesehene Journalisten, die ihre Themen ernst nehmen, aber sich selbst nicht zu sehr. Und genau solche Leute will ich haben. Ich bin ganz gespannt, ob diese Mischung gut angenommen wird. Oder ob die Leute sagen, ich schalte ein, weil ich bei euch die ernsten Themen sehen möchte, und für die lustigen Sachen gehe ich wieder auf TikTok. (lacht)

Schon mit Ihren anderen Formaten konnten Sie junge Menschen für Politik gewinnen. Wie macht man das?

Als wir vor Jahren mit Deutschland3000 angefangen haben, haben wir Leute aus unserer Zielgruppe gefragt, was sie politisch interessiert. Viele haben erst einmal geantwortet: Ich bin nicht politisch. Wenn wir dann aber gefragt haben, was sie aufregt, hatten wir sie in wenigen Minuten dort, wo sie eben doch politisch waren! Die Leute denken immer noch, man müsse alles wissen und anspruchsvolle Diskussionen führen können. In Wirklichkeit steckt jeder drin in der Politik, jeder ist Teil unserer demokratischen Gesellschaft. Politik begegnet einem im Supermarkt, im Bus, bei der Arbeit. Das zu vermitteln, ist mir so wichtig!

Beobachten Sie, dass junge Menschen heute politischer sind als noch vor etwa fünf Jahren?

Ja. Bei der vorletzten Bundestagswahl haben wir gemerkt, dass sich viele Youtuberinnen und Influencerinnen gar nicht politisch äußern wollten. Sie wollten die Leute nicht verprellen. Politik war da tatsächlich nicht so sexy. Seitdem ist aber unheimlich viel passiert. Es gab unterschiedliche Protestbewegungen etwa zur EU-Urheberrechtsreform, dann kam Fridays for Future und Black Lives Matter, das hat die jüngeren Generationen politisiert. Auch die Pandemie hat sehr vielen Leuten bewusst gemacht, wo in ihren Alltag hinein Politik überall spielt. Und dann natürlich die Tatsache, dass die regierende Partei nach 16 Jahren abgewählt wurde und jetzt eine Regierung viele Sachen angeht, die lange Zeit eher vernachlässigt wurden, macht noch einmal deutlich: Da kann sich also etwas ändern, wenn man wählt!

Mit Ihren Funk-Formaten waren Sie vor allem auf Social Media präsent. „Die Woche mit Eva Schulz“ läuft exklusiv in der ARD-Mediathek.

Wir richten uns an ein Publikum, das ab Ende Zwanzig langsam aus Funk herauswächst. Das Ziel ist es, mit der Show zu zeigen: Es gibt einen Streaming-Service, den hast du längst abonniert und der hat richtig viele gute Inhalte. Die Leute sollen diese Plattform kennenlernen. Anders als bei Funk gehen wir jetzt nicht dahin, wo die Zielgruppe ist, sondern versuchen, der Zielgruppe eine neue Plattform nahezubringen. Das ist eine neue Herausforderung.

Auch für Sie persönlich ist die neue Show der Schritt raus aus der Funk-Zielgruppe und rein in die ARD. Fühlt sich das wie der nächste Entwicklungsschritt an?

Ja, absolut. Die ARD ist ein anderer Kosmos, in dem ich jetzt unterwegs bin. Ich finde es schön die Möglichkeit bekommen zu haben. Und dass man sich darum bemüht, Menschen wie mir, die man mit Funk aufgebaut und größer gemacht hat, im Rest der ARD einen Platz zu geben. Das hat der Sender nicht immer gut hinbekommen und sehr viele Leute verloren. Da müssen Brücken geschlagen werden von der Innovationsinsel Funk. Und daran zimmern wir jetzt gerade.

Was hat Funk bei ARD und ZDF bewirkt?

Während ich meine Abschlussarbeit schrieb, fiel gerade die Entscheidung, dass es keinen Jugendkanal geben wird, sondern dass die jungen Inhalte ins Internet müssen. Funk hat dadurch ein riesiges Know-how aufgebaut, wie Inhalte auf Social Media Kanälen verteilt und gestaltet werden müssen. Davon profitieren jetzt die gesamte ARD und das gesamte ZDF, weil sich aus dem Erfolgsbeispiel Funk vieles auch für Formate älterer Zielgruppen ableiten lässt.

Sie haben Ihre Abschlussarbeit 2013 über Innovationsverhinderung bei den Öffentlich-Rechtlichen geschrieben. Was muss auch heute noch anders werden?

Woran ich stellenweise verzweifelt bin, ist, dass es wendiger und schneller werden muss. Entscheidungen werden immer noch sehr langsam gefällt. Es sind so viele Instanzen beteiligt, es gibt immer sehr viele Bedenken. Das ist zum Teil natürlich berechtigt, da an Öffentlich-Rechtliche ein sehr hoher Anspruch gestellt wird und dem müssen wir gerecht werden. Und trotzdem glaube ich, dass man, gerade wenn es um Innovation und um Nachwuchsförderung geht, schon noch eine Schippe drauflegen kann.

Die Retrowelle mit einer Rückkehr von „Wetten Dass“ im ZDF und „TV Total“ auf Pro7 war nicht gerade ein Innovationsbeweis.

Ein stückweit kann ich es verstehen. Ich finde es ja auch cool, altvertraute Formate wieder zu sehen, weil es einem ein warmes Gefühl gibt. Und diese Formate waren auch richtig tolle Innovationen zu ihrer Zeit. Ich denke von manchen Entertainern wie Hans Rosenthal und Peter Alexander und deren Showkonzepten kann man heute noch lernen. Aber es war auch ein Beispiel dafür, lieber auf Nummer sicher zu gehen und etwas zu nehmen, das schon mal erfolgreich war, anstatt etwas Neues auszuprobieren. Das würde ich übrigens auch heute noch kritisieren, dass neuen Formaten nicht genügend Raum gegeben wird.

Stichwort Raum: Von Ihrer experimentellen Sendung „Der Raum“ vor der letzten Bundestagswahl gab es nur zwei Folgen.

Man muss solche Sendungen in einer Regelmäßigkeit machen. Das betrifft viele Mediatheks-Formate. Es werden erst einmal drei oder sechs Folgen gemacht und danach wird entschieden: War das jetzt schon erfolgreich? Aber ich glaube ganz oft ist für Erfolg eine Verlässlichkeit nötig. Die Leute müssen erst einmal mitbekommen, dass es das gibt, wann es das gibt und sich dann angewöhnen einzuschalten.

Was funktioniert schon besser als es zur Zeit Ihrer Bachelorarbeit war?

Es gibt inzwischen Initiativen, dass Gelder umgeschichtet werden aus dem Linearen ins Digitale. Wir müssen den Menschen zeigen, dass wir relevante Inhalte für alle Teile der Gesellschaft machen. Deswegen ist mir persönlich dieses Digitale auch ganz wichtig, weil man das da noch viel besser zeigen kann. Im linearen Programm schalte ich ein und wenn da gerade nichts für mich läuft, dann bin ich vielleicht sofort enttäuscht. Wenn ich aber eine gute, optimierte Mediathek öffne und mir werden sofort die für mich relevanten Inhalte angezeigt, bin ich viel zufriedener damit, diesen Rundfunkbeitrag zu zahlen.

2020 hat der damalige ARD-Programmdirektor Volker Herres in einem Interview gesagt, es gebe kein weibliches Pendant zu Kai Pflaume. Daraufhin haben Sie auf Twitter in einer sehr umfangreichen Liste zahlreiche Frauen empfohlen, die durchaus in Frage kommen würden. Hat man sich das zu Herzen genommen?

Man muss nur mal die Mediatheken von ARD und auch ZDF aufrufen und zählen, wie viele weibliche und wie viele männliche Köpfe man sieht. Da kann man wirklich noch viel machen. Das Bewusstsein, dass es nicht nur Kai Pflaume gibt, ist inzwischen trotzdem deutlich größer. Zumal Volker Herres mit Christine Strobl eine weibliche Programmdirektorin nachgefolgt ist. Und ich sehe, dass jetzt viele Frauen auftauchen. Im ZDF etwa sind Mai-Thi Nguyen Kim und Salwa Houmsi sehr präsent. Ich glaube, sie haben den Schuss gehört, dass es nicht nur weiblicher, sondern auch diverser was Alter oder persönliche Hintergründe angeht, werden muss.

Sie wussten schon ganz früh, dass Sie Journalistin werden möchten. Wie bewahren Sie sich die Begeisterung?

Das Coole an dem Beruf ist, dass man fürs Lernen bezahlt wird. Ich kann meine Neugierde ausleben. Ich darf immer wieder Leute treffen und Orte besuchen, zu denen man sonst keinen Zugang hätte. Ich darf Neues lernen, Zusammenhänge erkennen und das dann an andere vermitteln, das ist der Kern von dem Job für mich. Und das gibt mir Energie.

Deutschland3000 – Die Woche mit Eva Schulz: donnerstagabends in der ARD-Mediathek