Eigentlich wollte Karl-Heinrich Lebherz Sportjournalist werden, doch sein Vater bestand darauf, dass der Sohn erst „etwas Ordentliches“ lernte. So schlug er die Verwaltungslaufbahn ein und wurde Oberbürgermeister von Winnenden.

Waiblingen – - Er war 16 Jahre lang Oberbürgermeister der Stadt Winnenden, als Sportfunktionär stand er an der Spitze des Leichtathletikverbandes Württemberg und hat den Stuttgartlauf initiiert. Er war zehn Jahre lang Regionalrat und hat als gut vernetzter Kommunalpolitiker immer noch großen Einfluss. Karl-Heinrich Lebherz, der sich mit Enthusiasmus und Erfolg für das Winnender Feuerwehrmuseum engagiert, wird an diesem Freitag mit einem Empfang seiner Stadt geehrt.
Herr Lebherz, in welchem Lebensjahr haben Sie mit dem organisiertem Sport begonnen?
In Oberrot, wo ich aufgewachsen bin, habe ich mit 13 Jahren begonnen, Fußball in der B-Jugend zu spielen – gegen den Willen meiner Eltern. Der Sportplatz war 100 Meter von unserer Bürgermeisterwohnung entfernt. Da konnte ich bei jeder Gelegenheit hinüberwitschen.
Sie laufen bis heute regelmäßig?
Ja, im Wald nutze ich einen Trimm-dich-Pfad, der ungefähr sieben Kilometer lang ist. Im Winter kann man da allerdings nicht immer laufen. Dann suche ich mir morgens ein Ziel in der Stadt, das ich dann vom Schelmenholz aus ansteuere.
Wie kamen Sie zur Leichtathletik?
Das war am Gymnasium in Backnang, dort haben wir sehr viel Leichtathletik betrieben. Ich war Sprinter, habe aber auch Mehrkampf betrieben. Bis zum 400-Meter-Lauf hat es gereicht, zu mehr nicht, denn ich war trainingsfaul. Bis heute mache ich aber immer im Sommer zusammen mit Freunden eine Sportkur auf der Mettnau am Bodensee. Gesundheit durch Bewegung, lautet das Motto der Klinik – dieses gilt auch heute noch für mich.
Eigentlich hatten Sie als junger Mann andere Berufspläne?
Ja, ich wollte Sportjournalist werden und habe nebenbei sieben Jahre lang für die Backnanger Kreiszeitung über Fußball berichtet. Hans „bli“ Blickensdörfer war mein Vorbild, der hat mich richtig fasziniert. Mein Vater war von meinem Berufswunsch nicht begeistert. Er hat gemeint, lern’ erst etwas Rechtes, danach kannst du machen, was du willst. Er hat entschieden, – er, nicht ich – dass ich in den gehobenen Verwaltungsdienst gehen müsse. Bei ihm im Rathaus habe ich die drei Lehrjahre absolviert.
Ihr Vater war Ihr Dienstherr? Ging das gut?
Noi! (lacht). Er war ein sehr Gestrenger. Aber von der sportlichen Seite war das hervorragend. So konnte ich mich in jeder freien Minute auf dem Sportplatz austoben. 1957 habe ich die Ausbildung abgeschlossen und bin zur Stadt Backnang gegangen. Die letzten zwei Jahre dort war ich persönlicher Referent des legendären Backnanger Oberbürgermeisters Dr. Walter Baumgärtner.
Der bis heute als Original bekannt ist...
Er war einmalig als Oberbürgermeister. Er war sehr volksnah. Manche Leute sagen, er habe jeden gegrüßt, sogar Kanaldeckel, weil da jemand hätte drunter hocken können. Es war nicht immer einfach, manchmal war ich auch in Lebensgefahr, der Walter konnte nämlich nicht gut Auto fahren. Sein Hund Hellesle fuhr als „Erster Beigeordneter“ auf dem Beifahrersitz mit, ich auf dem Rücksitz. Einmal hat er ein Stoppschild übersehen und einem anderen die Vorfahrt genommen. Bremsenquietschen, der andere zeigt ihm den Vogel und er sagt: „Ha, Hellesle, was isch denn des für ein Nachtwächter? Kennt denn der mich net?“
Wie kamen Sie nach Winnenden?
Als in Winnenden die Stelle des Hauptamtsleiters ausgeschrieben war, habe ich mich beworben. Unter größter Vertraulichkeit, denn falls ich es nicht geschafft hätte, wäre ich zwischen allen Stühlen gesessen. Als ich Walter Baumgärtner dann sagte, dass ich nach Winnenden gehe, meinte er: „Warum hat mein alter Freund Hermann Schwab, der Schlamper, mir des net gsagt?“
Hermann Schwab war damals Bürgermeister in Winnenden?
Ja, es war die Zeit, als der Bau des Schelmenholzes begann. Die Grundsteinlegung im Frühjahr 1963 habe ich miterlebt.
Sie zählen zu den Ersten, die dort einzogen?
Wir sind Ureinwohner. Im September 1964 sind wir in den zweiten Block eingezogen, der erste war im August fertig geworden. Nachdem die Firma AEG Elektrowerkzeuge 1962 ihren Betrieb in Winnenden eröffnete, sind viele Mitarbeiter mit ihren Familien von Bad Cannstatt hergezogen.
AEG war damals der größte Arbeitgeber in Winnenden?
Das war ja mit ein Grund, warum die Stadt sich so im sozialen Wohnungsbau engagiert hat. Und, oh Wunder, Winnenden hat damals Fördermittel von zwei Millionen Mark (rund eine Million Euro) bekommen, die eigentlich für Stuttgart reserviert waren, wo aber mangels geeigneter Grundstücke nicht gebaut werden konnte. Das hat uns natürlich auf die Sprünge geholfen, das Schelmenholz zu entwickeln.
In der Kreisreform hatte Winnenden dann die Rolle des neutralen Verhandlungsorts?
Ja, am 6. Februar 1970, meinem 35. Geburtstag, kam es zu dem historischen Treffen der Landräte Wilhelm Schippert aus Backnang und Werner Bertheau aus Waiblingen in Winnenden. Da hat man zum ersten Mal von einem gemeinsamen Landkreis gesprochen. Es wurden viele Fragen hin und her geschoben, etwa, wo der Kreissitz sein sollte. Hermann Schwab meinte, dass Winnenden am zentralsten liege und sich deshalb als Standort anbiete. Und es wurde damals bereits von einem zentralen Krankenhaus in Winnenden gesprochen.
Wann haben Sie Paul Hug kennengelernt, mit dem Sie gemeinsam viel erreicht haben?
Das war 1978, als ich zum Oberbürgermeister gewählt worden war. Er wurde mein Nachfolger als Erster Beigeordneter. Wir sind vom Wesen her grundverschieden, aber als Doppelspitze in der Verwaltung waren wir unschlagbar. Nach Paul Hugs Aussage bei meiner Verabschiedung wurden in meiner Amtszeit von 1978 bis 1994 in Winnenden mehr als 325 Millionen Mark (rund 163 Millionen Euro) investiert, unter anderem das neue Rathaus und das Wunnebad gebaut. Nicht zu vergessen die Fußgängerzone in der Altstadt, die zuerst sehr umstritten war. Unser Verhältnis ist bis heute hervorragend.
Das merkt man, wenn man Sie beide im Feuerwehrmuseum erlebt.
Herr Hug ist unser Kassier. Er wurde auf meine Bitte aktiviert und ist der Grund, warum unser Erster Vorsitzender Helmut Pflüger und ich auch heute noch ruhig schlafen können. So etwas wie das Museum ehrenamtlich zu bauen und zu betreiben, ist nicht einfach und es braucht kompetente Leute, auf die man sich verlassen kann.
Nachdem Sie 1994 auf eine weitere Kandidatur verzichtet hatten, begann Ihr zweites Leben als Sportfunktionär.
Und in der Regionalpolitik, beides ist parallel verlaufen. Nachdem Mitte 1993 durch die Presse bekannt wurde, dass ich nicht mehr kandidieren werde, kam der Anruf vom Württembergischen Leichtathletikverband, ob ich nicht das Amt des Präsidenten übernehmen wolle. Ich wurde gewählt und war es dann bis 2004. Zur selben Zeit ist der Verband Region Stuttgart entstanden, zu dem ich zuerst gewisse Vorbehalte hatte. Er leidet auch heute noch unter zwei Geburtsfehlern: Er hat zu wenige Kompetenzen und keine eigenen Mittel – Umlagefinanzierung ist sein großes Problem. Aber er ist keine zusätzliche Verwaltungsebene, für den ihn einige Mitglieder damals hielten. Das soll auch so sein.
Wie kam es zum Stuttgartlauf?
Es sollte in Stuttgart eine Sportveranstaltung entstehen, die nachhaltig an die grandiose Leichtathletik-Weltmeisterschaft von 1993 erinnert. Der damalige Sportbürgermeister Wolfgang Schuster dachte an einen Marathonlauf. Aber Dieter Baumann riet mir davon ab. Seine Meinung: bei einem Halbmarathon kannst du auch die Masse der Hobbyläufer mitnehmen. Wir haben 1994 mit 1400 Teilnehmern begonnen, zehn Jahre später waren es mehr als 20 000. So konnten aus der Laufszene viele Interessierte als Mitglieder in den Verband gewonnen werden. Als ich 2004 aufhörte, hatte der WLV bereits 109 000 Mitglieder – ein Plus von 20 000.
Was haben Sie gedacht, als Winnendens Partnerstadt Albertville Austragungsort der Olympischen Winterspiele wurde?
„Karl-Heinrich Lebherz ist ganz aus dem Häuschen“, hat Ottmar Letzgus damals in der Stuttgarter Zeitung geschrieben. Ich war zur Weinlese in Oberstenfeld und habe die Nachricht im Radio gehört. Da habe ich den Butten fallen lassen und bin nach Winnenden gefahren, um meinem Kollegen und Freund Henri Dujol zu gratulieren. Ich habe ihn gefragt, ob wir für die Siegesfeier etwas beisteuern können, vielleicht die Stadtkapelle? (lacht)
Hatten die Albertviller erwartet, dass sie die Spiele bekommen?
Nein, sie waren krasse Außenseiter. Albertville hatte nur 17 000 Einwohner, aber eine fantastische Region etwas größer als unser Landkreis. Während der Spiele haben wir tolle Sachen erlebt, etwa als Zuschauer auf der kanadischen Eishockey-Reservebank.
Wie kam es dazu?
Das Spiel Kanada gegen Schweden war ausverkauft. Henri Dujol wollte es unbedingt sehen und sagte, als Vizepräsident des Organisationskommites komme er überall rein. Und tatsächlich hat er uns mit seiner Schärpe unter Blaulicht hineinbugsiert. Da keine Plätze mehr frei waren, saßen wir dann in der dritten Reihe der Reservebank neben und hinter den nassgeschwitzten kanadischen Spielern. Das war ein Live-Erlebnis, das ich nie vergessen werde.