Wir stehen ganz oben, so wie Sie damals in Ihrer Karriere. Jeder denkt, dass der Sieg bei der Vierschanzentournee 2002 der absolute Höhepunkt war. Ist das so?
Ja. Ich habe jeden Titelgewinn genossen, aber für mich ist nichts höher einzuschätzen als dieser Sieg bei der Tournee – das wäre auch so gewesen, wenn ich damals nicht alle vier Springen gewonnen hätte.
Ehrlich?
Ganz ehrlich. Die Tournee war mein erster Berührungspunkt mit dem Skispringen, damals mit meinem Vater auf dem Sofa vor dem Fernseher. Sie wollte ich immer gewinnen, deshalb zählt dieser Sieg mehr als Olympia- oder WM-Gold.
Auf dem Turm einer Schanze kann es ganz schön unruhig werden. Wann in Ihrer Karriere haben Sie den meisten Gegenwind gespürt?
Das war im Frühjahr 1997. Im Verband wurde über meine Zukunft diskutiert, ich hätte beinahe meinen Status als Kaderathlet verloren. Mein damaliger Heimtrainer Wolfgang Steiert hat sich für mich eingesetzt und mir eine Schonfrist von einem Jahr verschafft. Damals bin ich aus meinem Schlummerdasein erwacht, habe dann auch prompt am 6. Januar 1998 in Bischofshofen mein erstes Weltcup-Springen gewonnen und Kazuyoshi Funaki damit den Grand Slam vermasselt. Sonst wäre mein Triumph 2002 nicht in die Geschichte eingegangen.
Wer Anlauf nimmt, für den gibt es auf der Schanze kein Halten mehr. Geht Skispringen nur ganz oder gar nicht?
Für mich war es so. Ich hatte von der Sprungkraft her immer schlechtere Voraussetzungen als viele meiner Rivalen. Das musste ich in anderen Bereichen, bei der Technik oder beim Material, ausgleichen. Jahrelang habe ich 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche fürs Skispringen gelebt. Das war Raubbau an Körper und Geist.
Sie mussten sich 2004 wegen eines Burn-out-Syndroms behandeln lassen, sind danach nicht mehr auf die Schanze zurückgekehrt. Wie hart war die Landung im Leben?
Am Anfang war ich froh, weil niemand mehr etwas von mir erwartet hat. Doch dann habe ich gemerkt, dass alles auch ein bisschen langweiliger ist. Deshalb bin ich froh, nun wieder in meinem Sport dabei zu sein, zumal ich Skispringen als Fernsehmann jetzt aus einer anderen Perspektive erlebe. Ich kann auch mal schauen, was links und rechts von der Schanze läuft. Gepaart mit meinen Erinnerungen ist das eine schöne Sache.
Sie sind im Leben angekommen?
Auf jeden Fall. Am 11. Februar kam unser Sohn Glen auf die Welt, ich genieße es, eine eigene Familie zu haben – das wäre mit meinem Sport früher nie vereinbar gewesen. Und beruflich läuft es auch bestens. Ich habe meine Balance gefunden.
Sie sind für Eurosport bei fast allen Weltcup-Springen, haben eine Unternehmensberatung gegründet, halten moderierte Talks in Firmen, geben Seminare auf Schanzen und versuchen anderen dabei zu helfen, in die Spur zu finden.
Richtig. Stress ist im heutigen Berufsleben nicht zu vermeiden, aber man muss lernen, mit ihm umzugehen. Dabei ist es wichtig, aus der Spur auch mal auszubrechen, sich Luft zu lassen. Ich war als Sportler in einer Dauerschleife: Anlauf, Absprung, Landung, mit dem Lift wieder nach oben. Es wäre sinnvoll für mich gewesen, auch mal was anderes zu tun. Deshalb will ich vermitteln, dass es wichtig ist, sich mit seinem Beruf hundertprozentig zu identifizieren. Aber nicht rund um die Uhr.