Was derzeit in Deutschland passiert, ist eine der größten Unwetterkatastrophen der Nachkriegszeit. Jörn Birkmann ist Experte für Starkregen – und sagt, dass die Risiken bisher unterschätzt wurden.
Herr Birkmann, wie können wir uns gegen Starkregen und Hochwasser schützen?
Gegen Hochwasser helfen Dämme, mehr Raum für Flüsse und eine Bauplanung, die Risikogebiete meidet. Starkregen kann überall auftreten. Da ist es sinnvoll, vor allem die kritische Infrastruktur zu schützen, etwa Kliniken oder Kraftwerke. Ähnlich wie bei einer Pandemie müssen wir fragen: Wer ist besonders gefährdet, welche Anlagen sollten möglichst nicht ausfallen, welche Einrichtungen sind systemrelevant?
Wo gibt es Versäumnisse?
Gegen Feuer helfen Brandmelder. Natürlich wissen wir nicht genau, wo der Brand ausbricht, aber wir können Vorkehrungen treffen in jedem Gebäude. Wenn ein Haus gebaut wird, ist Brandschutz zwingend vorgeschrieben. Die Risiken von Starkregen haben wir jedoch nicht auf dem Radar. Wenn wie jetzt in Rheinland-Pfalz Kelleretagen von Krankenhäusern evakuiert werden müssen, zeigt sich, dass wir solche Risiken stärker in den Blick nehmen müssen. Ein flächendeckender Schutz ist schwierig und kostspielig. Es gilt, neuralgische Punkte ausfindig zu machen.
Da ist jede einzelne Kommune gefragt?
Genau. Der Aufwand für Schutzmaßnahmen lässt sich wohl nicht für jeden Bereich rechtfertigen. Bei Kitas oder Kliniken wäre das aber notwendig. Ungeachtet menschlicher Opfer, die es im Katastrophenfall geben kann, sind das ja kostspielige Einrichtungen. Allein der materielle Schaden kann bei Starkregen größer sein als die Kosten angemessener Schutzvorkehrungen.
Sind solche Katastrophen auch eine Folge der Versiegelung der Landschaft?
Ja, das ist auch ein Thema. An manchen Stellen wäre vielleicht da und dort auch ein Rückbau sinnvoll, wo es Sturzfluten geben kann. Aber Starkregen kann eben überall auftreten. Da muss man fragen, ob es auch in kleineren Orten sichere Plätze gibt, die nicht überflutet werden können. Es geht darum, die Verwundbarkeit zu reduzieren.
Wie gut ist Deutschland bei der Vorsorge gegen solche Katastrophen?
Was die Rettungshilfe und den Bevölkerungsschutz im Katastrophenfall angeht, da sind wir sehr gut. Aber bei der strategischen Vorsorge, der Berücksichtigung entsprechender Risiken im Zuge der Stadt- und Gebäudeplanung haben wir noch Luft nach oben. Man hat sich zu sehr auf den Hochwasserschutz an den Flüssen konzentriert.
Können wir uns mit Ingenieurkunst gegen die Folgen des Klimawandels schützen?
Auf jeden Fall bleibt da immer ein Restrisiko. Man muss die Schutzmaßnahmen außerdem auch aufeinander abstimmen. Wenn zum Beispiel ein Firmenareal gegen Starkregen geschützt wird, könnte das umliegende Wohngebiet dadurch unter Umständen mehr Wasser abbekommen – das darf natürlich nicht sein. Deshalb ist dafür eine vernetzte Strategie erforderlich. Zudem wäre auch wichtig, nicht nur Dämme zu bauen, sondern gleichzeitig zu schauen, wo Wasser abfließen und versickern kann, etwa auf Sport- oder Kinderspielplätzen. Diese Idee nennt man Schwammstadt – jede Kommune muss möglichst das Wasser bewältigen, das auf sie herabregnet.
Experte für Stadtplanung in Zeiten des Klimawandels
Planer
Jörn Brinkmann (Jahrgang 1972) leitet das Institut für Raumordnung und Entwicklungsplanung der Uni Stuttgart. Er studierte in Dortmund und Bonn, arbeitet auch für den Weltklima-Rat. Sein Thema ist die Resilienz von Städten im Klimawandel.