Die Koreanerin Oh Eun-Sun besteigt mit dem Annapurna im Himalaya als erste Frau den letzten der 14 höchsten Berge der Welt.

Nepal - Der Wettlauf in der Todeszone ist entschieden: Die südkoreanische Bergsteigerin Oh Eun-Sun hat als erste Frau der Welt alle 14 Achttausender erklommen. Der koreanische Fernsehsender KBS zeigte am Dienstag live die Ankunft der 44-Jährigen auf dem Gipfel des 8091 Meter hohen Annapurna in Nepal. Bei minus 29 Grad warf Oh mit einer Flagge Südkoreas in der Hand jubelnd ihre Arme in die Höhe und rief "Hurra!" und "Danke, danke!".

Der Annapurna ist als der tödlichste Berg des Himalajas verschrien. Die berüchtigten Schnee- und Eislawinen haben bereits 60 Bergsteiger unter sich begraben. Auf weniger als drei erfolgreiche Besteigungen kommt ein Todesfall. Ohs Team profitierte nun davon, dass die aus dem Baskenland stammende Edurne Pasaban den Gipfel bereits am 17. April erklommen hatte. Pasaban hatte nach den schweren Schneefällen des vergangenen Winters, schon den Weg gespurt, Fixseile gelegt und Gletscherspalten ausgeforscht.

Mit Ohs gestrigem Erfolg ist nun eine Rekordjagd beendet, die vor rund einem Jahrzehnt begann: Denn noch zwei andere Frauen waren zuletzt nahe dran, neben ihrem männlichen Pendant Reinhold Messner in die Geschichte einzugehen. Zum einen eben die Spanierin Edurne Pasaban (36), der aber noch der Shisha Pangma (8027) fehlt. Und zum anderen die Österreicherin Gerlinde Kaltenbrunner (39), die mit dem deutschen Rekordbergsteiger Ralf Dujmovits im badischen Bühl lebt.

Sie stand auf zwölf der Bergriesen. Die Österreicherin jedoch wehrt Vergleiche mit den beiden anderen Bergsteigerinnen stets ab: "Das Höhenbergsteigen ist ein viel zu gefährliches Unterfangen, um darin einen Wettstreit sehen zu wollen", sagt Gerlinde Kaltenbrunner immer wieder. Die 39-Jährige konzentriert sich derzeit nach zwei gescheiterten Versuchen am K2 auf die Begehung des schwierigen Supercouloir in der Mount-Everest-Nordwand. Das Supercouloir ist bisher nur ein einziges Mal ohne Sauerstoff bezwungen worden. Kaltenbrunner legt größeren Wert auf anspruchsvolle Begehungen und einen puristischen Stil als auf ein schnelles Abhaken aller Gipfel. Der Einsatz von künstlichem Sauerstoff, Fixseilen und Trägern ist für sie ein Tabu.

Oh steht bei den Konkurrentinnen in der Kritik


Nicht so für Oh Eun-Sun. Ihr waren alle Mittel recht, um sich einen Platz in der Galerie der Pioniere zu sichern. "Ich habe eben einen Job zu erledigen", erklärte sie wiederholt. Die Südkoreanerin greift bei Bedarf zu künstlichem Sauerstoff, lässt sich von einer großen Zahl an Trägern helfen und fliegt per Helikopter von Basislager zu Basislager, um Zeit zu gewinnen. Geld spielt überhaupt keine Rolle. Der koreanische Staat finanziert alle ihre Expeditionen.

Für den Aufstieg zum Gipfel des Annapurna brauchte Oh einem Fernsehbericht zufolge etwas mehr als 13 Stunden. Sie habe diesmal keinen zusätzlichen Sauerstoff aus der Flasche benutzt. Die Rekordhalterin sei unter anderen von drei Trägern und einem Kameramann begleitet worden. Im Oktober vergangenen Jahres hatte Oh, die 1,54 Meter groß ist und 50 Kilogramm wiegt, einen Versuch, auf den Annapurna zu gelangen, wegen schlechten Wetters abbrechen müssen.

Nur durch generalstabsmäßige Planung und den großzügigen Einsatz von Material und Hilfspersonal ist es zu erklären, dass die lange Zeit unbekannte Oh Eun-Sun in nur 15 Monaten acht Achttausender bestiegen hat. Generell umstritten ist ihre Besteigung des Kangchendzönga, da es kein Gipfelfoto gibt, auf dem sie einwandfrei zu identifizieren wäre. "Mit selbstverantwortlichem Bergsteigen hat das nichts zu tun", kritisiert Kaltenbrunner.

Bei Messner lief es ähnlich


Ansonsten lassen die Erfolge von Oh Eun-Sun die Österreicherin sowie die Spanierin Pasaban, die gut miteinander befreundet sind, zumindest nach außen hin kalt. Edurne Pasaban vertrieb sich vor ein paar Wochen die Zeit im Basiscamp der Annapurna damit, mit ihrer größten Konkurrentin Volleyball zu spielen und sich mit Oh bei einer Tasse Tee über die Besteigung auszutauschen. Dabei gab sie dem koreanischen Team zudem die Erlaubnis, die von ihr angebrachten Fixseile zu nutzen. Pasaban und Kaltenbrunner geht es um die Erfüllung eines Lebenstraums, nicht um die Unsterblichkeit. Eun-Suns erklärtes Ziel hingegen war stets der Eintrag ins Guinnessbuch der Rekorde. Schließlich winkt ihr nun auch viel Geld durch lukrative Sponsorenverträge und Buchveröffentlichungen.

Das wusste auch Reinhold Messner, der sich 1986 ebenfalls mit dem Hubschrauber vom Makalu- zum Lhotse-Basislager fliegen ließ. Er musste Zeit sparen, um den Wettkampf gegen seinen härtesten Widersacher, den polnischen Bergsteiger Jerzy Kukuczka, zu gewinnen. Seither haben 19 Männer seine Leistung wiederholt - zuletzt der Portugiese João Garcia. Dauerhaft ins öffentliche Gedächtnis schrieb sich allerdings nur Reinhold Messner ein. Auch Messner erntete nicht nur Anerkennung, sondern auch Kritik an seinem Begehungsstil. Doch diese geriet in Vergessenheit und er wurde zur Legende.