Kaum ein Thema beschäftigt die Wirtschaft in der Region Stuttgart momentan mehr als der drohende Fachkräftemangel. Die politische Region entdeckt ein neues Aufgabenfeld und stärkt die bestehende Koordinierungsstelle Fachkräfteallianz.

Stuttgart - Kaum ein Thema beschäftigt die Wirtschaft in der Region Stuttgart momentan mehr als der drohende Fachkräftemangel. Fast im Wochenrhythmus weisen die Wirtschaftsfördergesellschaft (WRS) und die Industrie- und Handelskammer (IHK) in Veranstaltungen oder Studien auf das Problem hin. „Der Konkurrenzkampf um qualifiziertes Personal hat bereits begonnen“, sagt Walter Rogg, der Chef der WRS. Inzwischen hat auch die Regionalpolitik reagiert: Die bei der WRS angesiedelte Koordinierungsstelle Fachkräfteallianz soll dauerhaft eingerichtet werden. Eine Entscheidung darüber steht aber noch aus.

 

Die SPD-Fraktion in der Regionalversammlung macht sich für eine dauerhafte Verankerung der Koordinierungsstelle stark. „Über die Frage des Fachkräftemangels wurde lange gesprochen, das zog aber wenig konkrete Schritte nach sich“, kritisierte der SPD-Fraktionsvorsitzende Harald Raß, „wenn nichts passiert, wird sich der Mangel in den nächsten etwa 15 Jahren spürbar negativ auf die Wirtschaftsleistung auswirken.“ Es genüge nicht, nur auf das Problem hinzuweisen. „Wir müssen das mit konkreten Handlungsempfehlungen verbinden“, sagt er. Dazu gehören für die SPD „Best-Praxis-Beispiele“ aus Betrieben, die die Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf erleichtern, die schwächeren Schülern eine betriebliche Ausbildung ermöglichen und die Arbeitsplätze alters- und behindertengerecht gestalten. Allein könne die Region diese Herausforderung nicht stemmen, warnt Raß, sie sei auf die Mitwirkung aller Akteure angewiesen. Diese Vernetzung soll die seit März 2013 bestehende und zunächst von der EU finanzierte Koordinierungsstelle bewerkstelligen. Die SPD fordert eine dauerhafte Förderung durch den Verband Region Stuttgart.

IHK-Betriebe befürchten, zu wenig Personal zu finden

Auch die IHK Region Stuttgart beobachtet die Entwicklung bei den Fachkräften kritisch. Im Frühjahr stellte sie eine Erhebung vor, wonach mehr als die Hälfte der mittelständischen Betriebe auf Personalsuche sind und Schwierigkeiten haben, qualifizierte Fachkräfte zu finden. In ihrem Fachkräftemonitor spricht die Kammer zwar für dieses Jahr von keinem Mangel, bis ins Jahr 2030 werden aber durchschnittlich 66 000 Fachkräfte in der Region fehlen. Auf einem IHK-Kongress im Sommer wurde bekannt, dass mehr als ein Drittel der Betriebe befürchtet, künftig seinen Personalbedarf nicht mehr decken zu können. Besonders ausgeprägt ist dies laut IHK in den Branchen Beratungs-, Informations- und Telekommunikationsdienste.

Wie drängend die Problematik ist, wird auch im „Strukturbericht 2013 für die Region“ deutlich, der Mitte September von Handwerkskammer, IHK, IG Metall und Regionalverband herausgeben wurde. „Eine bestimmende Rolle für die Zukunftsfähigkeit des Standorts wird die Fachkräftesicherung spielen“, stellen die Autoren fest. Sie gehen davon aus, dass im Jahr 2030 in der Region rund 109 000 Fachkräfte fehlen. Steigenden Bedarf erwarten die Experten vor allem im Dienstleistungsbereich. Und sie stellen fest: die Fachkräftelücke kann in der Region geschlossen werden, wenn die Potenziale bei Menschen mit Migrationshintergrund, bei Frauen und bei Älteren genutzt werden, Teil- in Vollzeitstellen umgewandelt sowie die berufliche Aus- und Weiterbildung intensiviert werden. Auch ein Willkommenszentrum für ausländische Fachkräfte, wie es in Stuttgart bereits geplant ist, wird befürwortet.

Zentrale Rolle der Koordinierungsstelle

Eine zentrale Rolle messen sie aber der Koordinierungsstelle Fachkräfteallianz zu. Die Allianz will die regionalen arbeitsmarktpolitischen Akteure vernetzen, Aktivitäten bündeln und initiieren. Bisher sind darin die Arbeitsagenturen, die Kammern, Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften vertreten. Die Koordinierungsstelle müsse stärker als zentrale Anlaufstelle für Fachkräftethemen in der Region etabliert werden, fordern die Autoren des Strukturberichts. Diese Botschaft ist bei der WRS und der Regionalpolitik offenbar angekommen. Die Aktivitäten im Bereich Fachkräfte gehören zu einem der Handlungsfelder, die im aktuellen Strategieprozess als wichtiges Aufgabengebiet definiert werden.