Fahrradbranche E-Bikes auf der Überholspur

Der Trend geht zum Zweit- oder Drittrad. Foto: IMAGO/Sylvio Dittrich/IMAGO/Sylvio Dittrich

Fahrradfahren liegt im Trend, auch wenn die Branche deutlich weniger Räder verkauft als in der Coronazeit. E-Bikes haben bei den Verkäufen erstmals die klassischen Fahrräder überholt und sind im Schnitt sogar teurer geworden.

Wirtschaft: Imelda Flaig (imf)

E-Bikes sind der Motor der Fahrradbranche. Im Jahr 2023 wurden in Deutschland mit 2,1 Millionen Stück erstmals mehr E-Bikes verkauft als klassische Fahrräder mit 1,9 Millionen. „Der Trend wird sich fortsetzen“, sagte Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV). Vor allem Mountainbikes mit E-Antrieb sind der Renner.

 

Der Bestand an Rädern ist wie in den vergangenen Jahren weiter gewachsen – auf 84 Millionen, darunter elf Millionen E-Bikes, deren Zahl sich seit 2019 verdoppelt hat. Zwar büßte die lange erfolgsverwöhnte Fahrradbranche 2023 Absatz und Umsatz ein, „doch die Katastrophe ist ausgeblieben“, sagte Stork. Der Umsatz mit Fahrrädern und E-Bikes sank auf 7,06 (nach 7,36) Milliarden Euro. 2021 wurden Räder im Wert von 6,56 Milliarden Euro verkauft.

Zuletzt hatte die Branche mit vollen Lagern, Preisdruck und Rabattschlachten zu kämpfen. In der Pandemie hatten viele das Radfahren wieder für sich entdeckt. Wegen der damals stark gestiegenen Nachfrage und des Teilemangels aufgrund der unterbrochenen Lieferketten mussten die Kunden oft lange auf ihr neues Fahrrad warten. Die Händler stockten ihre Bestellungen auf, und die Hersteller konnten gar nicht genug Räder produzieren. Doch dann schwächte sich der Markt ab, was unter anderem auch mit der hohen Inflation zu tun hatte.

Trend geht zum Zeit- oder Drittrad

Der ZIV sieht die Branche in Deutschland als krisenfest. Von einer Marktsättigung will Stork nicht reden, im Gegenteil. Der Trend gehe sogar zum Zweit- oder Drittrad. Zudem seien hochwertige Räder und Service gefragt. Drei von vier Rädern wurden im Fachhandel gekauft. SB-Warenhäuser, Baumärkte und Discounter haben mit einem Marktanteil von einem Prozent weiter an Bedeutung verloren. Die Werthaltigkeit der Räder spiegelt sich auch in den Verkaufspreisen, wobei viele Händler und Hersteller ihre höheren Kosten – vom Material bis zum Transport – nicht weitergeben konnten, so Stork.

2023 verzeichnete die Branche einen Brutto-Durchschnittspreis bei Fahrrädern von 470 Euro (2022: 500 Euro) und bei E-Bikes von 2950 Euro (Vorjahr: 2800 Euro). Der Trend zu höherwertigen Rädern sei im stationären Fachhandel zu spüren, sagte auch Uwe Wöll vom Fachverband Verbund Service und Fahrrad (VSF). Dort liegt der durchschnittliche Verkaufspreis für E-Bikes sogar bei 4190 Euro. Leasingräder hätten dabei eine überragende Bedeutung, zumal Kunden bei Leasing durchschnittlich höherwertigere Räder aussuchten. Die Lage im Fahrradfachhandel sei eindeutig positiv – bezogen auf Gesamtumsätze, Durchschnittspreise, Geschäftserwartungen und Lagerbestände, die sich normalisierten.

Zuversicht dominiert auch beim ZIV. Die Marktdaten zeigten, dass die Menschen in Deutschland dem Radfahren im Alltag und in der Freizeit und den dazugehörigen hochwertigen Produkten einen großen Stellenwert einräumten, sagte Stork. Er ist sich sicher, dass die Attraktivität von Fahrrädern und E-Bikes angesichts steigender Kosten in vielen Bereichen verbunden mit einem steigenden Gesundheits- und Umweltbewusstsein der Konsumenten, hoch bleiben wird. Die Politik sollte laut Verband diesen Trend mit weiteren Maßnahmen flankieren.

Lastenräder sind gefragt

Deutliche Unterschiede gibt es bei Rädern zwischen den Produktgruppen. Während bei den Trekkingrädern die motorlosen Räder nach wie vor einen deutlichen Verkaufsvorsprung haben, entfallen bei den Mountainbikes mehr als 90 Prozent der Verkäufe auf E-Bikes. Lastenräder sind zwar mit 235 250 verkauften Cargobikes (plus 14,5 Prozent) noch ein kleines Segment, aber auch hier sind vor allem E-Bikes gefragt.

Dass der Rückruf der Lastenrad-Marke Babboe – es ging um Sicherheitsmängel – für die Branche negative Folgen hat, glaubt ZIV-Geschäftsführer Stork nicht.

Was die Fahrradhersteller angeht – auch bei ihnen haben E-Bikes die Nase vorn. 2023 wurden in Deutschland rund 1,6 Millionen E-Bikes hergestellt und 700 000 klassische Fahrräder. Insgesamt wurden im Inland 2,3 Millionen Räder produziert – das sind 300 000 weniger als 2022. Exportiert wurden insgesamt 1,41 Millionen Räder, darunter 610 000 E-Bikes. Die Niederlande sind nach wie vor Hauptabnehmer deutscher Fahrräder, gefolgt von Österreich und Frankreich.

Importiert wurden im Gegenzug 3,48 Millionen Fahrräder und E-Bikes, das sind 21 Prozent weniger als im Jahr zuvor, was den Lagerbeständen und einer starken Inlandsproduktion geschuldet ist. Auch haben einige deutsche Hersteller Produktionsstätten in EU-Nachbarländern. Größter Lieferant von Fahrrädern – ohne E-Bikes – ist Kambodscha mit 20 Prozent. Der Großteil der 1,22 Millionen importierten E-Bikes kommt aus EU-Ländern, aus Asien nur noch etwa ein Viertel. Der ZIV begründete dies damit, dass Anti-Dumping-Zölle (China) funktionierten und auch notwendig blieben.

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