Einmal im Jahr treiben es die Inder bunt: Wenn der Frühling anklopft, wirft man beim Holi-Fest mit bunten Farben um sich. Zum ersten Mal feiern nun auch Witwen das Farbfest – ein Tabubruch.

Indien - Auf Balkonen lauern Kinder mit Wasserpistolen, durch die Straßen ziehen junge Männer mit Trommeln und Farbbeuteln, bei Partys lassen sich ansonsten seriöse Politiker mit Farben beschmieren, bis sie wie bunte Clowns aussehen. Und selbst biedere Familienväter genehmigen sich schon mal einen berauschenden Bhang-Lassi, ein Getränk aus Joghurt und Cannabis.

 

In Indien herrschte gestern Ausnahmezustand. Einmal im Jahr, wenn der Mond den Wechsel vom Winter zum Frühling, feiert man Holi, das legendäre Festival der Farben. Dann sind die Büros verwaist, die Geschäfte zumindest halbtags geschlossen, und das halbe Land ist außer Rand und Band. Selten sieht man das konservative Gandhi-Land so fröhlich, verspielt und ausgelassen. Nach dem Hindu-Weihnachtsfest Diwali ist Holi das wichtigste Fest Indiens. Auch viele ausländische Touristen kommen, um es mitzuerleben.

In diesem Jahr kam es zu einer kleinen Revolution, die davon zeugt, dass der Kampf um ein neues Frauenbild zwar noch lange nicht gewonnen ist, aber weitergeht. Erstmals überhaupt feierten Hunderte von Witwen in Vrindavan Holi – und brachen damit ein Jahrhunderte altes Tabu. In der indischen Kultur sind Witwen zu einem der Leben der Trauer verdammt. Feiern ist ihnen untersagt. Vrindavan, etwa 150 Kilometer von Delhi entfernt im Bundesstaat Uttar Pradesh, wird auch „Stadt der Witwen” genannt. Dort warten viele Tausend meist bitterarme Witwen, die von ihren Familien verstoßen wurden, auf den Tod.

„Es ist ein Holi der Hoffnung für die Frauen“

„Dieses Holi feiern wir und versuchen, die Witwen von den Fesseln der Tradition zu befreien”, sagte Bindeshwar Pathak, der Gründer der Hilfsorganisation Sulabh International, der Nachrichtenagentur AFP. „Es ist ein Holi der Hoffnung für diese Frauen.“ In Teilen Indiens gelten Witwen als finanzielle Bürde. Und man sagt ihnen nach, sie würden Unglück bringen. Viele werden von ihren Familien verstoßen, müssen in Ashrams oder Heimen leben, ihre Köpfe rasieren und weiße Trauerkleider tragen, bis sie sterben. „Im Grunde ist es eine Form lebenslänglicher Gefangenschaft“, sagt Bindeshwar Pathak.

An Holi feiern die Inder den Sieg des Frühlings über den Winter und den Triumph des Guten über das Böse. Ähnlich wie im Karneval fallen die Schranken zwischen Arm und Reich, zwischen Alt und Jung. An Holi sind die Menschen vielleicht nicht gleich, aber ein Stückchen gleicher.

Nicht alle Holi-Fans benutzen harmlose Farben

Und auch die Frauen, die sich sonst den Männern zu fügen haben, schlagen zurück – zumindest in den beiden benachbarten Dörfern Nandgaon und Barsana in Uttar Pradesh. Dort reisen Männer laut Medienberichten ins Nachbardorf und beleidigen die Frauen. Doch die lassen dies an Holi nicht auf sich sitzen, sondern verprügeln die Rowdys mit Stöcken. Zwar dürfen die Männer sich mit Schildern schützen, aber zurückschlagen ist nicht erlaubt.

Ganz harmlos sind die kollektiven Farbspiele nicht immer. Vor allem auf den Straßen geht es auch ruppiger zu. Einige Männer missbrauchen Holi, um Frauen zu belästigen. Nicht alle Holi-Fans benutzen harmlose Farben. Naturfarben werden immer mehr durch Chemiefarben dubioser Zusammensetzung abgelöst. Jedes Jahr gibt es vereinzelt Tote. So fiel ein 26-jähriger in Mumbai aus einem Zug und starb, nachdem ihn Rowdys mit ätzenden Farbpulver beworfen hatten.