„Die Meßlatte steigt immer höher“: Vor dem Fedcupduell am Samstag mit Serbien in Stuttgart spricht die Bundestrainerin Barbara Rittner im StZ-Interview über ihre Spielerinnen und ihr Bauchgefühl.

StuttgartBarbara Rittner peilt mit ihrem Fedcupteam heute (14 Uhr) und morgen (11 Uhr/jeweils live auf Sat 1 Gold) in Stuttgart gegen Serbien den Wiederaufstieg in die Weltgruppe I an. Ein anderes Ziel hat die Tennis-Bundestrainerin bereits erreicht: die deutschen Spielerinnen gehören zur Weltspitze. „Die Messlatte steigt immer höher“, sagt die 39-Jährige.
Frau Rittner, nutzen Sie den Fedcup eigentlich auch, um im Training gegen Ihre Spielerinnen anzutreten?
Auf keinen Fall. Ich spiele so gut wie kein Tennis mehr für mich selber, denn mir tut dabei mittlerweile schon einiges weh, vor allem Schulter und Fußgelenke. Deshalb macht es mir relativ wenig Spaß. Bei Junioren-Lehrgängen spiele ich manchmal mit den 14- bis 16-Jährigen, aber gegen die Großen nicht. Sie hätten wenig davon – und ich sowieso nicht, außerdem wäre ich danach zerstört.

Hätten Sie erwartet, dass es in Ihrem Team so schnell so viele Spielerinnen gibt, gegen die Sie nach Duellen zerstört wären?
Oh nein (lacht). Die Entwicklung ist toll. Die Mädels haben sich gegenseitig hochgezogen, haben sich ein professionelles Umfeld geschaffen und gehen ihren Weg.

Was war das Entscheidende für den Aufschwung?
Das kann man nicht so auf einen Punkt bringen. Es ist eine gute Generation. Sie arbeitet sehr hart und hat die richtige Einstellung zu ihrem Sport. Die Spielerinnen sind schon in jungen Jahren regelmäßig bei Lehrgängen zusammengekommen. Wenn man sich so gut kennt, oft gegeneinander gespielt hat und plötzlich hat eine von ihnen Erfolg, dann merken die anderen: ich habe mit ihr doch mitgehalten, ich kann das auch schaffen. Ein Beispiel dafür ist Angelique Kerber.

Warum?
Als Angie vor zwei Jahren aus den Top 100 gerutscht war, sagte Andrea Petkovic zu ihr: „Mensch, du bist doch nicht schlechter. Tritt dir mal selber in den Hintern!“ Dadurch wurde sie wachgerüttelt. Es gibt also einen gesunden Konkurrenzkampf mit gegenseitigem Motivieren. Ich sehe das jetzt auch bei den Jahrgängen, die danach kommen. Sie haben nicht mehr das Ziel, nur die Top 80 zu erreichen. Sie orientieren sich an den Top 10 oder Top 20, dort wo die anderen Deutschen stehen. So steigt die Messlatte immer höher.

Das deutsche Frauentennis ist nun auf einem Niveau, für das Sie schon 2005 als neue Teamchefin den Weg geebnet haben.
Es kam einfach viel zusammen. Vor allem die Partnerschaft mit Porsche hilft dem Nachwuchs ungemein. Außerdem war es natürlich wichtig, dass mit mir eine Person eingearbeitet wurde, die konstant und verlässlich da ist und 100-prozentig an die Mädels glaubt.

Ihre Mädels sind nun in der Weltspitze. Was waren auf dem Weg dahin Ihre größten Herausforderungen?
Ich bin ja 2005 nahtlos von der Spielerin zur Teamchefin geworden. All die Verantwortung, die ich plötzlich hatte – auch für die Erziehung junger Spielerinnen. Eine ganz harte Zeit war auch die Situation mit Anna-Lena Grönefelds schwierigem Trainer Rafael Font de Mora. Er hätte sie fast kaputt gemacht. Und weil ich ihr helfen wollte, hat er mich sogar bedroht. Dann gab es noch einen kleineren Boykott von Spielerinnen, die in der Weltrangliste jenseits der Top 50 standen. Die musste ich dann aussortieren. Stattdessen habe ich ganz auf die Jüngeren gesetzt.

Wurden Sie daraufhin von der Verbandsspitze unter Druck gesetzt?
Nein, im Gegenteil. Ich hatte immer den Rückhalt des Präsidiums unter Georg von Waldenfels. Er hat vielleicht generell für den Verband nicht alles richtig gemacht, aber er hat mich immer unterstützt. Und der Respekt und das Vertrauen der Verantwortlichen sind mir sehr wichtig. Denn ich handle sehr oft nach meinem Bauchgefühl, da können auch mal Fakten dagegen sprechen. Aber um solche ungewöhnlichen Entscheidungen zu treffen, brauche ich Rückhalt, um mich das zu trauen. Den habe ich damals bekommen. Und da haben sie nicht viel falsch gemacht.

Warum hören Sie so oft auf ihr Bauchgefühl?
Auch wenn ich es nicht so gern zugebe: ich bin sehr sensibel. Ich spüre unheimlich viel. So merke ich, mit wem ich härter umgehen muss und wen ich lockerer anfasse. Ich kann viele Rollen einnehmen. Und dann macht man die Dinge auf seine Weise. Ich habe das immer mit sehr viel Liebe getan und mit der Überzeugung, dass mein Weg richtig ist. So bekommt man immer mehr Bestätigung und Selbstbewusstsein.

Aber es läuft doch nicht immer alles glatt.
Es gibt natürlich auch Auseinandersetzungen. Aber dadurch wächst man. Die Spielerinnen wissen, dass ich meinen Job mit Herz und Leidenschaft mache. Daher können sie mir Fehler verzeihen. Ich kann mit jeder Spielerin sehr gut darüber reden. Außerdem habe ich das beste Betreuerteam um mich herum. Ohne solch ein vertrautes Team wäre es nicht machbar.

Welche Rolle spielen die Rückschläge des Teams wie der Abstieg gegen Australien im vergangenen Jahr?
Auf einige Stationen unseres Reifeprozesses hätten wir gut verzichten können. Es gab aber eine Situation, die ich mit Tränen in den Augen beobachtet habe. Das war im vergangenen Jahr, nachdem wir gegen die Tschechinnen im Viertelfinale verloren hatten. Ich musste schon zum TV-Interview und sah wie meine fünf Spielerinnen auf der Bank saßen und sich gegenseitig getröstet haben – und ich war nicht dabei. Es ist komisch, aber da war ich eigentlich am stolzesten. Weil sie so zusammenstanden, auch in der Niederlage.

Im Duell mit Serbien wäre es am Wochenende sicher noch schöner, Ihre Spielerinnen jubeln zu sehen.
Natürlich, wir wollen unbedingt gewinnen. Aber die Chancen stehen 50:50. Ana Ivanovic hat viel Fedcup-Erfahrung und ist jetzt wieder auf einem guten Weg. Auch Bojana Jovanovski ist sehr talentiert. Es wird auf jeden Fall ein hohes Niveau geben.

Nervt Sie die Erwartungshaltung?
So ticken eben die Deutschen. Gegenüber den Mädels ist das ein bisschen unfair. Denn wenn eine mal das Halbfinale erreicht, wird sofort der Turniersieg erwartet. Man merkt, wie sie teilweise unter diesen Erwartungen leiden.

Besonders im Fokus wird Ihre Spitzenspielerin Angelique Kerber stehen.
Weil sie im Februar verletzt war, hat sie nun ein Jahr keine Fedcup-Partie gespielt. Und dieser Wettbewerb ist etwas Besonderes. Bei ihrem ersten Match gegen Tschechien war sie so nervös. Das Duell mit Serbien wird ein wichtiger Schritt für sie, Verantwortung als Nummer eins zu übernehmen.

Mona Barthel gibt heute ihr Fedcupdebüt. Ist nach ihrer Absage für die Partie gegen Frankreich noch etwas hängen geblieben?
Nein, alles ist ausgeräumt. Sie hatte private Gründe, es gab keinen Streit. Mona hat eine tolle Entwicklung genommen.

Sabine Lisicki hatte zuletzt zu kämpfen.
Dass sie etwas schwankt, ist normal. Sie war im vergangenen Jahr oft krank. Die Konstanz zu finden ist dann schwer. Jetzt hat sie einen neuen Trainer, auch das muss sich erst einpendeln. Aber sie arbeitet hart.

Auch Andrea Petkovic hat nach ihren Verletzungen eine schwere Zeit hinter sich.
Andrea ist gereift. Sie hat gelernt, auf sich zu gucken und lässt es langsamer angehen. Dass sie beim Team ist, auch als Ersatzspielerin, ist ganz wichtig.

Ist die Situation also derzeit so, wie Sie es sich erträumt haben?
Es sieht schon gut aus mit der Zukunft. Alle aus dem Fedcupteam haben ihr bestes Tennis noch vor sich. Alle, ohne Ausnahme.