Nach dem 1:2 in Freiburg und angesichts der vielen offenen Fragen kritisiert Erwin Staudt bereits die Spieler.

Stuttgart - Es sind 85 Minuten vorbei, als Joachim Löw einen Zwischenspurt einlegt und sich zügig auf den Heimweg macht. So muss er keine Fragen zum VfB beantworten. Das ist gut für ihn, denn wenn der Bundestrainer bis zur 90. Minute geblieben wäre und dann die Wahrheit gesagt hätte, hätte er sich in Stuttgart keine Freunde gemacht. Schließlich konnte jeder im Stadion sehen, dass die Mannschaft in der Krise steckt. Nach dem 1:2 beim SC Freiburg und der dritten Niederlage im dritten Saisonspiel ist der Fehlstart perfekt.

Durch seinen Abgang versäumt Löw eine Szene nach dem Schlusspfiff, die womöglich bezeichnend für die Stimmungslage ist. Wie üblich will sich Timo Gebhart bei den mitgereisten Anhängern für die Unterstützung bedanken. Im Mittelkreis wartet er auf seine Kollegen, die teilweise jedoch schon in der Kabine verschwunden sind. Gebhart winkt aufgeregt. Zumindest einige folgen ihm dann doch noch und marschieren in Richtung Kurve - um auf halber Strecke wieder umzudrehen. Ein Affront gegen die Fans soll das wohl nicht sein. Eher spiegelt sich darin das Innenleben der Mannschaft wider. Es herrscht der Eindruck, dass jeder in erster Linie an sich selber denkt. So spielen sie übrigens auch.

Der Teamgeist fehlt


Diese Entwicklung hat nun sogar Erwin Staudt auf den Plan gerufen. Am Sonntag redete er dem Team eindringlich ins Gewissen. Der Präsident forderte die Profis auf, sich wieder auf ihren Job zu konzentrieren. Das Fazit der Bestandsaufnahme lautete, dass es so nicht weitergehen kann. Staudt betonte, dass er mehr erwartet. Das zeigt: die Verantwortlichen beim VfB sind schon sehr nervös. Es herrscht Alarmstufe eins.

Wenn der Appell an die Spieler nicht fruchtet, wird sich Staudt an den Trainer wenden. So sind die Mechanismen, das weiß Christian Gross. Er ist der Erste, der sich am Samstag in die Katakomben zurückzieht - und danach ziemlich ratlos wirkt. Wie schon zuletzt sagt er erneut, dass die Niederlage unnötig gewesen sei. Oder dass die Gegentore nach Fehlern gefallen seien. Oder dass sich die Mannschaft das selbst eingebrockt habe. Oder dass es nun hart werde. "Wir müssen da bald rauskommen." Wie das gelingen soll, sagt Gross nicht.

Vielleicht hat auch ihm die Körpersprache in der zweiten Halbzeit zu denken gegeben, als die Spieler mutlos über den Platz gelaufen sind. Da war kein Aufbäumen, kein Wille, kein Zusammenhalt. Der VfB schien auseinanderzufallen und wirkte, als sei er mit den Kräften am Ende - als Folge einer komplizierten Saisonvorbereitung? Jedenfalls gibt es Spieler, die nicht gerade begeistert über die vielen Trainingscamps im Sommer waren. Außerdem wird in der Mannschaft auch über den Sinn der intensiven Belastungseinheiten am Tag vor einigen Europa-League-Spielen diskutiert.

Vorbereitungsphase war schwierig


Allerdings war es auch nicht einfach für Gross, der zum einen dafür sorgen musste, dass der VfB international im Rennen bleibt - und andererseits auch fit in die Bundesliga geht. Zudem konnte der Trainer lange nicht mit dem kompletten Kader arbeiten, wegen der WM und weil viele Neuzugänge erst spät verpflichtet wurden. Dazu passt, dass die im August geholten Johan Audel und Philipp Degen sofort ausgefallen sind und bis auf weiteres fehlen. So kommt ein Problem zum anderen.

Offensichtlich ist beispielsweise auch, dass die Mannschaft keinen Anführer hat - eine Rolle, die Sami Khedira und Jens Lehmann in der Rückrunde zumindest teilweise ausfüllten. Beide sind nicht mehr hier. Der Aushilfskapitän Cacau versucht in die Bresche zu springen, aber dabei verzettelt er sich. Er meint, überall auf dem Spielfeld präsent sein und vieles auf eigene Faust unternehmen zu müssen. Damit wird Cacau für die eigenen Kollegen jedoch noch unberechenbarer als für den Gegner.

Im Mittelfeld harmonieren Christian Gentner und Zdravko Kuzmanovic nicht. Den für diese Position bestens geeigneten Christian Träsch lässt Gross nur als Verteidiger ran. Auch die Entscheidung des Trainers, zu Saisonbeginn trotz schwacher Leistungen auf Georg Niedermeier und Khalid Boulahrouz zu bauen und Serdar Tasci draußen zu lassen, beschäftigt die Mannschaft weiter.

Insofern steht der VfB vor einer wichtigen Woche mit den Spielen am Donnerstag in der Europa League gegen Bern und am Samstag in der Liga gegen Gladbach. Der negative Lauf muss schnell gestoppt werden. Sonst dürfte es nicht lange dauern, bis Erwin Staudt seinen nächsten Auftritt hat.

Freiburg:
Baumann - Mujdza, Barth, Butscher, Bastians - Schuster - Abdessadki, Makiadi, Jäger (49. Nicu) - Cissé (83. Toprak), Reisinger (57. Yano).

Stuttgart:
Ulreich - Träsch, Niedermeier, Tasci, Molinaro - Kuzmanovic, Gentner - Camoranesi (61. Gebhart), Didavi (76. Boka) - Pogrebnjak (76. Harnik), Cacau.

Schiedsrichter:
Sippel (München).

Tore:
0:1 Pogrebnjak (27.), 1:1 Cissé (58.), 2:1 Schuster (71.).