Neue Köpfe, neue Ideen: Der italienische Familienbetrieb Di Gennaro rüstet sich mit einem neuen Feinkostladen in Stuttgart für die Zukunft.

Stuttgart - Die Jungen haben unser Gesicht verändert", klagen die Alten. "Eine Marke hat neben einer Vertrauens- auch eine Orientierungsfunktion", kontern die Jungen.

 

Die Familie Di Gennaro hat sich seit Anfang der 70er Jahre in Stuttgart ein Feinkostimperium aufgebaut. Allmählich hat die nächste Generation das Sagen. Parallel dazu hat sich die Branche grundlegend verändert. Darauf reagiert das Unternehmen mit Sitz in Wangen mit einem neuen Logo und einem neuen Verkaufskonzept. Und einem radikalen Schnitt: der Laden in der Kronprinzstraße wurde vorigen Monat quasi von heute auf morgen geschlossen.

Man werde in Stuttgart auf jeden Fall wieder ein Feinkostgeschäft eröffnen, betont die Familie. Spätestens 2013. Eine lange Spanne. "Wir prüfen zurzeit die angebotenen Standorte", sagt Sebastiano Di Gennaro. Der Betriebswirt ist 2008 in den Betrieb eingestiegen und der Geschäftsleiter, Geschäftsführer sind aber nach wie vor sein Vater Michele (71) und sein Onkel Antonio Di Gennaro (66).

Wer auffallen will, muss sich abheben

Zentral soll die Lage des neuen Ladens sein, aber auch "Charakter" haben, meint der 37-Jährige. Und Platz für all die neuen Ideen. Rund 900 Quadratmeter hatte das bisherige Ladenlokal, verteilt auf zwei Geschosse. Für den Handel ist das immer eine Herausforderung. Bei Di Gennaro war das Tiefgeschoss bis zuletzt verwaist.

Hinter der Schließung steckt ein grundlegender Strategiewandel. Er begann bei der Neugestaltung des Markenzeichens vor rund anderthalb Jahren. Das alte Logo mit der Trikolore wurde durch ein elegantes schwarz-weißes "g" und den Namen ersetzt. "Mit der italienischen Flagge wedelt inzwischen jede Woche ein anderer Discounter", sagt Sebastiano Di Gennaro. Wer auffallen will, muss sich abheben. Zumal wenn er betont, eine einzigartige Qualität zu liefern, authentische, gesunde Produkte - die freilich auch ihren Preis haben.

Zunächst galt es, die Familie zu begeistern. Keine einfache Aufgabe. "Wenn wir diskutieren, schreien wir", erläutert Antonio Di Gennaro. Er ist nach wie vor der Meinung, dass man auch mit den italienischen Nationalfarben "etwas Stilvolles" hätte gestalten können. Schließlich ließ er sich überzeugen, seine erste Liebe aufzugeben. Und auch Bruder Michele meint, die neuen Etiketten seien wirklich sehr schön.

Marktplatz im traditionellen Sinn

Ob die Kunden nun erkennen, dass das "g" auf den Tüten als Metapher dienen soll, als Gefäß für allerhand Köstlichkeiten, sei dahingestellt. Auf jeden Fall stechen die rund 300 Eigenmarken jetzt deutlich aus dem übrigen Sortiment heraus. Zu sehen im neu gestalteten Stand in der Stuttgarter Markthalle, wo das Herz des Unternehmens schlägt. Die hellen Natursteinwände und die dunklen Holzfurniere setzen sich deutlich ab von der improvisiert wirkenden Nachbarschaft. Der Obststand gegenüber der Käsetheke ist geschlossen, hier wird demnächst die neue Weinabteilung von Di Gennaro eröffnen.

Feinkost als klassischer Abverkauf edler Ware funktioniere nicht mehr, davon ist Sebastiano Di Gennaro überzeugt. Er muss es wissen, er promoviert zurzeit im Bereich Marketing und Handelsbetriebslehre. Für den neuen Laden hat er ein detailliertes Konzept ausgearbeitet. Statt der klassischen Kühltheke soll es etwa eine lange Reihe ganzer Schinken geben, die von der Decke hängen. An denen entlang flanieren die Kunden regelrecht und studieren die Beschreibungen. Auf Wunsch kommt der Verkäufer dann mit zum Schinken der Wahl und schneidet ihn an der "Beratungsinsel" auf.

Mit flexiblen Einbauten will der Juniorchef den Laden wie eine Art Opernbühne bespielen und ihn so zum "Ort des sozialen und kulturellen Austausches machen", zum Marktplatz im traditionellen Sinn. Statt des bisherigen klassischen Restaurants stellt er sich einen Bistrobereich vor, das italienische Lebensgefühl könnte ein Olivenbaum beisteuern - die Familie hat noch einen Hain in Apulien. Hier können Kleinigkeiten spontan probiert werden, mit oder ohne Service. Der Juniorchef sagt: "Das Anbieten von etwas Neuem, Überraschendem gewinnt an Bedeutung, damit auch der unterhaltsame, erlebnisorientierte, gar spektakuläre Aspekt des Einzelhandels." Die Gründer sagen: "Ohne Mut kommt man zu nix."

Ein Familienunternehmen mit Kunden in ganz Deutschland

Gestern Im Mai 1969 kamen die Brüder Michele und Antonio Di Gennaro als Gastarbeiter aus Apulien nach Stuttgart. Sie arbeiteten zunächst auf einer Baustelle, dann bei einem Unternehmen in Plochingen, das Kunststoffgussteile herstellte. 1971 stiegen sie in den Lebensmittelhandel ein. Ganz unvorbelastet waren sie nicht: der Vater hatte mit Olivenöl gehandelt. Zunächst kauften sie etwa Spaghetti in ihrer Heimat und fuhren die Ware selbst zu Baustellen und Wohnheimen. Ihre Kunden auch im ersten Laden in Wernau waren zunächst ausschließlich Landsleute. Die erste deutsche Kundin, daran erinnern sich beide genau, war eine Feinkosthändlerin aus Göppingen.

Heute Di Gennaro beschäftigt in Stuttgart rund 70 Mitarbeiter, 50 im Handelszentrum, zwölf in der Markthalle, deutschlandweit sind es rund 100. Auch die zweite Generation ist im Unternehmen tätig: Michele hat neben Sebastiano eine Tochter, Antonio drei Söhne und eine Tochter.

Kunden Von Wangen aus beliefert Di Gennaro als Großhändler rund 4000 Kunden in ganz Deutschland, Handelskonzerne (Delikatessenabteilungen in Supermärkten), Einzelhändler und Gastronomen. Weitere Verkaufsstandorte sind die Breuningerländer in Sindelfingen und Ludwigsburg sowie Läden in München, Frankfurt, Düsseldorf und Nürnberg. Im Jahr 2010 haben die Di Gennaro Handelsgesellschaften 22 Millionen Euro umgesetzt, vier Prozent mehr als im Jahr davor.