Nur wenige Fahrzeuge haben noch keine grüne Plakette. Die Koalition nimmt darauf keine Rücksicht, sie möchte noch einmal nachlegen.    

Stuttgart - Wie wäre es, das ganze Land zur Umweltzone zu erklären? Dann wäre die jetzt von der neuen Landesregierung aufgebrachte Diskussion über großflächiger abgegrenzte Umweltzonen schnell beendet. Und spätestens von 2013 an dürften nur noch Autos mit grüner Plakette oder mit einem Sonderstatus wie dem historischen H-Kennzeichen durch Baden-Württemberg fahren.

 

Solche radikalen Pläne sind nicht neu. Sie wurden sogar von der alten CDU/FDP-Koalition diskutiert - und verworfen. Nicht zuletzt aus rechtlichen Gründen, weil eben nicht überall hohe Feinstaubwerte nachgewiesen wurden. Einmal wegen eines eher mäßigen Verkehrsaufkommens, zum Zweiten mangels flächendeckend eingesetzter Messstationen. Deshalb wurden seit 2007 Luftreinhaltepläne dort erstellt, wo Feinstaubwerte die europäischen Grenzwerte nachweislich überschritten haben. In der Folge entstanden seit dem 1. März 2008 immer neue Umweltzonen im Land, von Mannheim bis Freiburg, von Stuttgart bis Ulm. Doch in etlichen der mittlerweile rund 20 Zonen ist die Feinstaubbelastung gleich geblieben oder sogar angestiegen. Der Grund ist, dass die Konzentration des Feinstaubs sehr stark von Witterungseinflüssen abhängig ist. So war das Wetter 2008 offensichtlich günstig, die Grenzwerte wurden nur selten überschritten. Dagegen zeigt das Jahr 2006 deutliche Ausschläge nach oben. Somit ließ sich kaum erkennen, dass die Umweltzonen die Luftwerte verbessert hätten.

Grün-rote Koalition möchte noch einmal nachlegen

Die damalige Verkehrsministerin Tanja Gönner (CDU) legte im Frühjahr 2009 eine Bilanz vor, derzufolge die Feinstaubbelastung durch Fahrzeuge in Stuttgart zwischen März 2008 und März 2009 um rund 15 Prozent zurückgegangen ist. Auf diese Zahlen beruft sich das Verkehrsministerium heute noch. Und es ergänzt sie durch Schätzungen, laut denen sich die Feinstaubemissionen 2010 in Stuttgart durch Autoabgase gegenüber 2007 um 40 Prozent vermindert haben könnten. Die genannten Gründe: einmal dürfen Fahrzeuge mit veralteter Abgastechnik nicht in die Umweltzone einfahren, zum Zweiten haben deswegen viele Eigentümer ihre Diesel-Pkws mit modernen Rußpartikelfiltern nachgerüstet; zum Dritten machen sich allgemeine Fortschritte in der Abgastechnik überall bemerkbar. Also auch in den Umweltzonen.

Die grün-rote Koalition möchte noch einmal nachlegen. Im Koalitionsvertrag ist bereits davon die Rede, dass Umweltzonen über regionale Luftreinhaltepläne großflächiger abgegrenzt und mit wirksamen Maßnahmen zu versehen seien. Ähnlich formulierte es jetzt die Staatssekretärin Gisela Splett (Grüne), als sie sagte, dass "wir künftig großflächiger begrenzte Umweltzonen brauchen". Auf Nachfrage erklärte das Ministerium, dass derzeit erstmals ein gemeinsamer Luftreinhalteplan für mehrere Kommunen erstellt werde, und zwar für Pleidelsheim, Ingersheim und Freiberg (alle Kreis Ludwigsburg). Ob es auch eine gemeinsame Umweltzone geben wird, muss das Regierungspräsidium Stuttgart entscheiden. "Weitere regionalisierte Luftreinhaltepläne sind derzeit noch nicht in Planung", heißt es aus dem Ministerium.

Plaketten sollen stärker überwacht werden

Dass die Feinstaubbelastung aufgrund neuer oder größerer Umweltzonen deutlich abnimmt, ist aber wegen einer anderen Zahl nicht zu erwarten, die ebenfalls aus dem Verkehrsministerium kommt. Danach hatten zum Stichtag 31. März 2011 rund 90 Prozent aller Kraftfahrzeuge in Stuttgart eine grüne Plakette. Man nimmt an, dass im Großraum Stuttgart wegen der vielen Umweltzonen mehr Fahrzeuge nachgerüstet wurden als im ländlichen Raum. Das Ministerium geht davon aus, dass der Anteil an Kraftfahrzeugen ohne grüne Plakette landesweit "geringfügig höher ist".

Unter die zehn Prozent der Fahrzeuge ohne grünen Punkt an der Windschutzscheibe fallen auch die gelb gekennzeichneten. Die dürfen vom 1. Januar 2012 an nicht mehr in die Umweltzone Stuttgart einfahren. In den meisten anderen Umweltzonen im Land treten diese Fahrverbote erst ein Jahr später, zum 1. Januar 2013 in Kraft. Darüber hinausgehende Regelungen werden nur noch wenige Fahrzeuge betreffen, weil die allermeisten Autofahrer zumindest eine oder zwei Umweltzonen im Land gelegentlich ansteuern. Ob sich der Aufwand weiterer Umweltzonen lohnt, um auch den kleinen Rest zum Nachrüsten oder zum Fahrzeugwechsel zu bewegen, werden die Behörden zu diskutieren haben. Schon 2008 hatten sich Rathauschefs darüber beschwert, dass sie einige Hunderttausend Euro für Schilder an den Rändern der Umweltzonen ausgeben.

Die Staatsekretärin fordert jetzt auch, dass die Plaketten, die zur Einfahrt in die Städte berechtigen, stärker überwacht werden sollen. Verstöße wurden bisher nur selten mit 40 Euro und einem Punkt in Flensburg geahndet. Doch auch hier gilt, dass spätestens nach 2013 nur wenige "Plakettensünder" erwischt werden können. Und zwar ganz einfach deshalb, weil es von ihnen immer weniger geben wird.

Keine Regel ohne Ausnahme: Die Neuerungen

Ausnahmen: Zum 15. September 2011 greifen neue Regelungen zu Ausnahmen vom Fahrverbot. Die werden für Fahrzeuge ohne oder mit roter Plakette höchstens bis Ende 2012 gewährt. Bisher wurde auch manche Ausnahmeregelung für Fahrzeuge zugelassen, die technisch nicht nachrüstbar waren. Nun gilt: erst wenn die Ersatzbeschaffung eines für die Zufahrt zur Umweltzone geeigneten Fahrzeugs wirtschaftlich unzumutbar ist, wird eine Ausnahme gemacht. Gewerbetreibende müssen belegen, dass die Beschaffung eines geeigneten Fahrzeugs ihre Existenz gefährdete.

Wohnmobile: Erleichterungen bei den Regelungen für die Einfahrt in Umweltzonen soll es für Wohnmobilbesitzer geben. Zumindest für die Fahrt in den Urlaub können sie eine Ausnahmegenehmigung erhalten, wenn ihr Fahrzeug aus technischen Gründen nicht nachrüstbar ist.