Diethelm Scholle aus Kenzingen hat eine wichtige Aufgabe: Er sorgt dafür, dass alle Truppen der Bundeswehr ihre Weihnachtsgrüße bekommen. Als Reserve-Fregattenkapitän koordiniert er die Feldpostversorgung für die Soldaten.
Kenzingen - Weltweit brennt an Heiligabend bis um 22 Uhr in allen Feldpostämtern der Bundeswehr das Licht. So lange können die Soldaten am 24. Dezember dort ihre Briefe, Karten und Geschenke abholen oder abschicken. Während die anderen also schon unter dem Tannenbaum feiern, warten die Feldpost-Soldaten darauf, dass noch die letzten Geschenke und Weihnachtsgrüße ihre Empfänger finden. „Das ist Ehrensache“, erklärt Diethelm Scholle aus dem badischen Kenzingen, der sämtliche Feldpostler für die Bundeswehr im In- und Ausland koordiniert.
Er weiß nur zu gut, wie wichtig seine Aufgabe ist. Die Post ist die Verbindung der Soldaten nach Hause. Bei der Deutschen Post stagniert die Anzahl der geschriebenen Briefe, bei der Feldpost nimmt sie zu. „Wir erleben dort geradezu eine Renaissance des Briefes“, sagt Scholle. Dabei können die Soldaten auch andere, modernere Kommunikationsmittel benutzen. Die Bundeswehr stelle die Versorgung mit Internet auch in den Einsatzgebieten, so gut es geht, sicher. Warum also sind Briefe für die Soldaten so wichtig?
„Ein Brief ist einfach etwas anderes als eine digitale Nachricht. Man kann ihn anfassen, er wurde von der Liebsten eigenhändig geschrieben, riecht vielleicht sogar noch nach ihr“, erklärt Scholle. Außerdem stünden die Soldaten im Einsatz tagtäglich unter enormen Belastungen. „Es befreit, wenn man sich das von der Seele schreiben kann. Und das geht per Brief besser als per SMS.“
Etwa vier Tage brauchen Päckchen bis nach Afghanistan
Päckchen nach Hause haben auch praktische Effekte. Oft wird Wäsche zum Waschen heimgeschickt. Auch dabei scheint Heimweh eine wichtige Rolle zu spielen. Notwendig ist das nämlich nicht. „Wir haben an jedem Einsatzort eine Wäscherei, die wäscht alles innerhalb von zwölf Stunden“, erklärt Scholle. „Aber es ist einfach etwas anderes, wenn es die Liebste wäscht.“
Pakete und Briefe für Soldaten werden an die Feldpostleitstelle in Darmstadt geschickt. Dort werden die Sendungen weitergeleitet, Militärtransporter nehmen sie mit zu den jeweiligen Empfangsorten. Der Zoll der jeweiligen Länder darf die Pakete im Beisein eines Feldjägers aber öffnen und nach Gefahrengut durchsuchen. Und natürlich gilt es die Einfuhrbedingungen zu beachten: Alkohol etwa ist in Afghanistan streng verboten.
Bis ein Paket die einzelnen Einsatzorte erreicht, dauert es unterschiedlich lange. Etwa vier Tage brauchen Päckchen bis nach Afghanistan, etwa zehn Tage bis nach Jordanien oder in den Irak. Im Einsatzgebiet oder daheim: Wer sicher sein wollte, dass bis Heiligabend die Weihnachtspost auch ganz bestimmt ankommt, musste bis 4. Dezember Briefe und Karten verschickt haben. Die Feldpostler haben in dieser Zeit Hochbetrieb. „Die Kollegen im Einsatz feiern Tausende Kilometer von ihren Familien entfernt Weihnachten. Da will niemand, dass die Pakte verspätet ankommen“, sagt Scholle. Die Leitstelle arbeitet deshalb mit sogenannten Weihnachtsverstärkern; stets sind vier Mitarbeiter im Einsatz.
In Erbil wünscht man sich einen neuen Poststempel
Die Feldpostler werden aus den Reihen der Reservisten rekrutiert und speziell ausgebildet. Im Zivilberuf müssen sie Postangestellte sein. Etwa 500 Mitarbeiter im In- und Ausland hat die Feldpost, darunter sind etwa 20 Frauen. Jedes Jahr befördert die Truppe etwa 1,3 Millionen Sendungen. Die fachliche und militärische Feldpost-Ausbildung findet parallel zum normalen Berufsleben statt und dauert etwa zweieinhalb Jahre. Im Einsatz sind die Postler als Mitglied der Logistikbataillone Soldaten wie alle andere auch. Sie übernehmen Wachdienste und müssen Streife laufen.
Einmal im Jahr reist Scholle durch alle Einsatzgebiete. Dieses Jahr hatte Scholle in Qasr al-Azraq in Jordanien und der kurdischen Hauptstadt Erbil im Irak einen Besuch abgestattet, die Kassen und die Betriebsführung geprüft und sich mit den Kollegen ausgetauscht. Dabei erfährt er auch Kleinigkeiten. Im kurdischen Erbil wünscht man sich einen neuen Poststempel: Das Motiv sei nicht mehr zeitgemäß. Im westafrikanischen Mali braucht man eine Kaffeemaschine, und in Jordanien vermisst man deutsches Klopapier – weil das hiesige so dünn ist.
Bei der Feldpost gibt es keine Computer
Für seine Kassenprüfung kann Scholle nur auf Stift und Papier zurückgreifen. Bei der Feldpost gibt es keine Computer, „wir müssen immer funktionieren, auch ohne Strom“, sagt Scholle. Die Rechnungsbücher überprüft er derzeit per Homeoffice zu Hause, in einem separaten Raum, zu dem nicht einmal seine Frau Zutritt hat, der Geheimhaltung wegen.
Als Bindeglied nach Hause, sagt Scholle, seien die Feldpostler beliebt. Wenn man „unser Posti“ genannt wird von den Kameraden, „das ist die größte Auszeichnung, die ein Feldpostler bekommen kann“, sagt er. Wenn die Feldpost-Soldaten an Weihnachten um 22 Uhr den Dienst quittieren, wartet auch auf sie ein Geschenk von ihrem Leitstellen-Koordinator Scholle. Spätestens dann bekommt jeder „Posti“ sein eigenes Päckle.