Felipe VI. kommt zu einem Besuch nach Deutschland. Bei seinen Landsleuten gilt er als kühl und vielleicht in Zukunft auch als verzichtbar. Was er falsch macht, analysiert der StZ-Korrespondent Martin Dahms.

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - Als Felipe de Borbón y Grecia am 19. Juni dieses Jahres vor dem spanischen Parlament seine Antrittsrede als König der Spanier hielt, versprach er seinen Zuhörern eine „erneuerte Monarchie für eine neue Zeit“.

 

Die Spanier sehnen sich nach Erneuerung. Ihr Land steckt nicht nur in einer wirtschaftlichen, sondern auch in einer moralischen Krise. Während viele nicht mehr wissen, wie sie über die Runden kommen sollen, werden ihnen täglich Nachrichten über Affären und Skandale geliefert. In einige davon war Felipes Vater Juan Carlos verwickelt: als Elefantenjäger, als inniger Freund einer deutschen Adligen, als Schwiegervater des umtriebigen Geschäftsmannes Iñaki Urdangarin. Deswegen dankte Juan Carlos ab: damit sein 46-jähriger Sohn das verloren gegangene Prestige der spanischen Krone zurückgewinnen möge. 

Skandale um Vater, Schwager und Schwester

In den bis gut fünf Monaten auf dem spanischen Thron ist das Felipe VI. nur unvollständig geglückt. Das ist nicht allein seine Schuld. Einige Affären lassen sich auch mit einem Personalwechsel nicht einfach aus der Welt schaffen. Der Skandal um die mutmaßlich illegalen Geschäfte seines Schwagers Urdangarin, der sich mit der Organisation von Sport- und Tourismuskongressen unrechtmäßig bereichert haben soll, schwelt weiter. Der Prozess gegen ihn wird wahrscheinlich erst im Jahr 2016 geführt; die spanische Justiz arbeitet quälend langsam. Anfang des Monats erklärte ein Gericht in Palma de Mallorca, dass auch Urdangarins Ehefrau, Felipes ältere Schwester Cristina, der Steuerhinterziehung verdächtig sei.

Ob sie deswegen angeklagt wird, ist noch ungewiss. Doch der Schatten der Korruption liegt weiter auf der Monarchie.   Noch ein anderer Skandal streifte kürzlich das Königshaus. Dessen ehemaliger Verwaltungschef Rafael Spottorno hatte in seiner früheren Funktion als Präsident einer Sparkassenstiftung jahrelang eine „schwarze“ Kreditkarte genutzt, deren Ausgaben in der Buchführung des Mutterinstituts, der Caja Madrid, verschleiert wurden. Rund 223 900 Euro gab Spottorno damit im Laufe von acht Jahren aus, durchschnittlich 28 000 Euro im Jahr, das ist mehr, als ein gewöhnlicher Spanier im Jahr verdient.

Viele wollen nun eine Republik

Als die Affäre Anfang Oktober ans Licht kam, gab Spottorno seinen Rücktritt als – unbezahlter – königlicher Ratgeber bekannt. Felipe dankte ihm seine „Dienste für die Krone“, dürfte sich aber ansonsten gefreut haben, ihn los zu sein.   Nun macht der König niemanden für die Verfehlungen anderer, noch dazu lang zurückliegende, verantwortlich. Doch anders als in den guten Zeiten von Juan Carlos, der sich nach dem Ende der Franco-Diktatur als Schutzschild der Demokratie bewährt hatte, steht die spanische Monarchie heute unter verschärfter Beobachtung. Die Zahl der Befürworter einer Republik ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen, auch wenn sie noch nicht in der Mehrheit sind.

Um die Skeptiker zu überzeugen, reicht es nicht, dass Felipe eine weiße Weste hat– nach allem, was bekannt ist. Er muss den Spaniern beweisen, dass sie ihn brauchen, dass der gut verdienende Monarch eine wichtige Funktion innehat. Das ist Felipe VI. noch nicht gelungen.   Der neue König ist für die Spanier so gut wie unsichtbar. Er hat noch kein einziges Interview gegeben. Ihm ist noch keine Geste eingefallen, um glaubhaft zu machen, dass die Sorgen der Spanier auch seine Sorgen sind.

Felipe findet nicht die richtigen Worte

Als die Krankenpflegerin Teresa Romero sich als erste Frau außerhalb Afrikas mit Ebola ansteckte, besuchte Felipe nicht das behandelnde Madrider Krankenhaus Carlos III, um dem medizinischen Personal die Solidarität und Dankbarkeit aller Spanier zu übermitteln. Seit Romero die Klinik geheilt verlassen hat, ist sie noch nicht vom König in den Arm genommen worden. Felipe hat sich noch nicht mit Opfern der Wirtschaftskrise getroffen, mit Arbeitslosen, Zwangsgeräumten, den Gästen der Armenküchen. Felipe hat noch keine klaren Worte zur Korruption in der Armee gefunden, deren Oberbefehlshaber er ist.  

Der König und seine Ehefrau, die frühere Journalistin Letizia Ortiz, leben in ihrer eigenen Welt aus Ausstellungseröffnungen, Landwirtschaftsmessen, Sportveranstaltungen, militärischen und religiösen Zeremonien. Als Felipe am 25. Juli in der Kathedrale von Santiago de Compostela das Jakobsgelübde ablegte wie alle seine königlichen Vorgänger vor ihm seit fast 400 Jahren, tat er es nach eigenen Worten, „um eine Tradition unserer Monarchie lebendig zu erhalten“. Wahrscheinlich ist dies die Krux seiner noch jungen Regentschaft: Felipe traut sich nicht, mit Traditionen zu brechen. Die Spanier bräuchten einen mutigeren König als den, der seit fünf Monaten auf ihrem Thron sitzt.