Das Fellbacher Rathaus von Ernst Gisel ist noch keine 30 Jahre alt. Der Klinkerbau aus dem Jahr 1986 ist jetzt eines der jüngsten Kulturdenkmale in Baden-Württemberg.

Fellbach - Innerhalb von wenigen Tagen sind zwei Bauwerke von Ernst Gisel in der Region zum Kulturdenkmal erhoben worden. Nach der Sonnenbergkirche in Stuttgart nun auch das Fellbacher Rathaus, das noch nicht einmal 30 Jahre alt ist. Martin Hahn vom Landesamt für Denkmalpflege übergab die Urkunde am Montagabend im großen Sitzungssaal, wo OB Christoph Palm eigens zu dem Anlass eine Feier mit vielen Reden anberaumt hatte.

 

Es ist eines der jüngsten Kulturdenkmale im Ländle

„Es ist eines der jüngsten Kulturdenkmale in Baden-Württemberg“, sagte Hahn, in der Automobilwelt würde man von einem „Youngtimer“ sprechen. Das Rathaus wurde am 4. Oktober 1986 in Betrieb genommen und hat schnell mehrere Architekturpreise eingeheimst. Der Schweizer Architekt Ernst Gisel, der den Wettbewerb mit großem Abstand gewonnen hatte, sorgte nicht nur für einen überzeugenden Entwurf samt städtebaulicher Einbindung, sondern auch in der Bauausführung für hohe Qualität von der

Willi Egli überbringt Grüße. Foto: Patricia Sigerist
Klinker-Fassade bis zum Lichtschalter. „Es ist ein ziemlich perfektes Stück Architektur“, sagte Hahn, und habe die Geschichte des Rathausbaus in Baden-Württemberg beispielhaft fortgeschrieben. Hahn freute sich darüber, dass Denkmalpflege in diesem Fall als Auszeichnung und nicht nur als Last empfunden werde. Auch die einstigen Kritiker könnten spätestens jetzt Frieden schließen mit dem Rathaus, sagte der Architekturkritiker und Autor Christian Marquart, der vor 28 Jahren einen Artikel in der Stuttgarter Zeitung überschrieben hat mit den Worten: „Ein Stück Stadt im großen Dorf“. Natürlich wäre Ernst Gisel gerne gekommen zu diesem Anlass, allerdings habe der Arzt davon abgeraten – Gisel wird am kommenden Sonntag 92 Jahre alt, berichtete Willi Egli, der von seinem Lehrmeister Grüße überbrachte und den „Standhaften von 1981“ gratulierte – damals stand der Baubeschluss nach harten Auseinandersetzungen der Stadtverwaltung mit Teilen der Bürgerschaft auf der Kippe.

Die Materialien werden durch das Altern noch besser

In einer kleinen Talkrunde mit OB Palm bekannte sein Vorgänger Friedrich-Wilhelm Kiel „ein Gefühl großer Genugtuung“ angesichts der Würdigung des Rathauses als Kulturdenkmal. Anfang der 80er Jahre gingen die Auseinandersetzungen „tief unter die Gürtellinie“. Für den früheren Leiter des Stadtplanungsamts, Bernhard Kerres, war der Architektenwettbewerb die erste Aufgabe in Fellbach, „eine große Herausforderung“. Die spätere Herausforderung, das Haus in Schuss zu halten, sei wegen der hohen Qualität eher einfacher gewesen: „Die Materialien von Gisel werden durch das Altern noch besser.“

Die Urkundenübergabe war für Palm auch eine gute Gelegenheit, dem früheren Baubürgermeister Eckart Rosenberger eine verdiente Würdigung zu widmen. Rosenberger ist im Februar 70 geworden, aber immer noch aktiv als Architekt. Die jetzige Baubürgermeisterin Beatrice Soltys erinnerte in ihrer Laudatio an die Leistungen ihres Vor-Vorgängers vor allem für die Gestaltung der neuen Stadtmitte. Rosenberger kam 1976 nach Fellbach. Dort wirkte er zunächst als Leiter des Stadtplanungsamtes und anschließend 16 Jahre lang als Baubürgermeister. In dieser Zeit hat er dem ehemaligen Weingärtnerdorf mit den kurz zuvor eingemeindeten Stadtteilen Schmiden und Oeffingen ein neues Gesicht gegeben.

Rosenberger reichte in seiner Erwiderung Lob und Anerkennung weiter an seine einstigen Mitarbeiter; er habe Glück gehabt, durch einen Generationswechsel bei den Amtsleitern ein junges, gut ausgebildetes und hoch motiviertes Team selbst aussuchen zu können: „Wir wollten alles andere als Mittelmäßigkeit.“