Im Stadtmuseum sind Spuren des Ersten Weltkrieges zu finden. Bei einer Führung wirft der Stadtarchivar einen Blick auf die Schreckenszeit. Fast 300 Soldaten aus Fellbach kamen nicht mehr nach Hause.

Fellbach -

 

Der Erste Weltkrieg, der vor 100 Jahren begann, hat tiefe Spuren in der Stadt hinterlassen. Da sind die 278 Toten, deren Namen am Kriegerdenkmal an der Lutherkirche verewigt sind. An der Heimatfront wurde aber nicht nur getrauert. Die Fellbacher sammelten für die Soldaten und packten Päckchen mit Socken und Handschuhen. „Es gab eigens ein Komitee für Hilfs- und Liebesgaben, wie es genannt wurde“, sagte Stadtarchivar Ralf Beckmann. Die Geschenke sollten die Truppen vor Kälte schützen und das Gefühl vermitteln, nicht allein zu sein.

Die Familien bereiten sich auf den Abschied der Männer vor

Ein Krieg sei keine Katastrophe, die einfach so über die Welt hereinbricht, sagte Beckmann. „Er will vorbereitet ein.“ Auch die Fellbacher Familien bereiteten sich auf den Abschied von ihren Männern und Söhnen vor. Im Fotoatelier von Otto Lutz wurden Erinnerungsfotos geschossen. Kaum war der Krieg erklärt, brach aber auch Hysterie aus. Der Bote vom Kappelberg warnte in einer Sonderausgabe vom 3. August 1914 vor „russischen Spionen in Frauenkleidern“. Es gab Verkehrskontrollen, Ausweise mussten gezeigt werden und Schultheiß August Brändle teilte Uniformen aus und organisierte die militärische Wache. „Er ist auch einige Male an die Front zu den Fellbacher Einheiten gereist, um zu schauen, was dort am dringendsten gebraucht wurde.“ Ungefähr 24 000 Pakete wurden zwischen 1914 und 1918 von den 7000 Daheimgebliebenen zu den 670 Frontkämpfern aus Fellbach geschickt worden.

In einer Vitrine im Stadtmuseum ist die Erkennungsmarke eines gefallenen Fellbachers ausgestellt. Die Hälfte, die seine Familie als Beweis für sein Ableben bekommen hatte. Die andere Hälfte wurde dem toten Soldaten in den Mund gesteckt, damit der Leichnam im Falle einer Exhumierung identifiziert werden konnte.

Fast 300 Soldaten kommen nicht mehr nach Hause

Der Historiker Otto Borst habe in seinem Buch über die Geschichte Fellbachs viel Interessantes und Richtiges geschrieben, sagte der Stadtarchivar. Aber die Aussage, dass der Erste Weltkrieg keine Zäsur für Fellbach bedeutet habe, stimme nicht. „Es war ein einschneidendes Ereignis, fast 300 der Soldaten kamen nicht mehr nach Hause, und viele andere waren verletzt.“ Vor allem aber habe er im Grunde genommen 30 Jahre Kriegszustand eingeläutet, der bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs andauerte.

Der Vertrag von Versailles, in dem Deutschland die Alleinschuld am Krieg gegeben wurde, und der Young-Plan, in dem es zu Reparationszahlungen bis 1988 verpflichtet wurde, wurden auch in Fellbach kontrovers diskutiert. Schultheiß Brändle habe seinerzeit öffentlich im Fellbacher Tagblatt dagegen protestiert, sagte Beckmann. Drei Monate nach dem Aufruf von Brändle kündigte eine Anzeige die erste, vom Bürgermeister genehmigte Versammlung der Hitler-Jugend Fellbach an. „Und die verbrannten dann am Cannstatter Platz symbolisch den ,Schand-Plan’.“

Um das Kriegerdenkmal gibt es Streit

Auch um das Kriegerdenkmal an der Lutherkirche gab es Streit. „Eine breite Strömung unterstützte den Plan, aber ein Drittel der Fellbacher war nicht glücklich damit, weil sie eine Gefahr des nationalistischen Rummels sahen“, sagte der Stadtarchiv. Ganz unbegründet war die Sorge nicht. Die Säule mit dem nach Westen blickenden Löwen, für die Beckmann nirgendwo anders ein vergleichbares Beispiel gefunden hat, sei das spannende an der ansonsten schmucklosen Muschelkalkwand mit 278 Namen: „Der Löwe ist ein Zeichen dafür, dass noch etwas aufzuarbeiten ist, dass es eine offene Rechnung gibt, und genauso war die Stimmung in der Weimarer Republik.“