Helmut Dittrich aus Fellbach hat sich aufs Motorrad gesetzt und ist 14 000 Kilometer nach Russland gefahren. Erst ein früher Wintereinbruch in Sibirien bremst ihn aus.

Rems-Murr: Sascha Sauer (sas)

Interview - Er hat 20 Länder durchfahren und dabei 14 000 Kilometer zurückgelegt: Helmut Dittrich von den Jagdhornbläsern erlebte auf seiner Motorrad-Tour gen Osten einige Überraschungen. Und der 61-Jährige hat gesehen, dass materieller Wohlstand nicht Voraussetzung zum Glücklichsein ist.

 

Herr Dittrich, während sich andere in Ihrem Alter in den Pauschalurlaub verabschieden, setzen Sie sich aufs Motorrad und brausen nach Russland. Warum tut man sich das mit über 60 Jahren an?

Das mit dem Reisen habe ich eigentlich schon immer so gehalten. Mein Alter ist mir dabei gar nicht so recht bewusst, außer wenn ich in den Spiegel schaue. Während man sich in jungen Jahren mit Zelt, Raviolidosen und Einmannpackung vom Bund auf Reisen versorgt hat, schätzt man es jetzt doch schon, eine gute Unterkunft und gutes Essen zu genießen. Wobei eine Übernachtung in einer Jurte oder in einem Gästehaus und mit Reisenden aus der ganzen Welt an einem Tisch zu sitzen und Erlebnisse und Erfahrungen auszutauschen auch ganz reizvoll und bereichernd ist. Ich denke, die hauptsächliche Triebfeder ist die Neugierde auf fremde Länder, Menschen und Kulturen.

Bei der Nachwuchssuche geben Sie Vollgas – aber, dass Sie in Zentralasien für die Jagdhornbläser werben ist ein Witz, oder?

Ja sicher. Die Idee war eigentlich, einen Videoclip zu machen mit einem tollen Sound und dem Hinweis, dass man kein Jäger sein muss, um das Jagdhorn zu blasen. Jeder, ob jung oder alt, kann das überall blasen. Leider hat das bei mir in einer Höhe von 4600 Meter auf dem Pamir Highway auf dem Weg von Tadschikistan nach Kirgistan nicht geklappt. Da kam bestenfalls etwas warme Luft raus. Mit Sound war da leider nichts. Schade.

Wie viele Kilometer hat der Tacho Ihres Motorrads jetzt mehr, und welche Länder haben Sie durchfahren?

Es waren insgesamt 14 000 Kilometer und 20 Länder: Österreich, Italien, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, Montenegro, Albanien, Mazedonien, Griechenland, Türkei, Georgien, Aserbaidschan, Iran, Turkmenistan, Usbekistan, Tadschikistan, Kirgistan, Kasachstan, Russland, Mongolei.

Was hat Sie auf der Reise gen Osten ganz besonders überrascht?

Dass das Smartphone nicht mehr wegzudenken ist. Sowohl bei den Reisenden als auch bei der jeweiligen Bevölkerung der einzelnen Länder. Selbst im hintersten Winkel von Tadschikistan an der Grenze zu Afghanistan sind Facebook, Instagram und WhatsApp eine Selbstverständlichkeit. Fußball ist ein „Türöffner“, und Schwein-steiger und Kollegen sind auch auf dem Pamir Highway bekannt. Unsere Stecker von elektrischen Geräten passten in allen Ländern, die wir bereist haben. Fahrbare Müllcontainer mit Schiebedeckel, wie wir sie kennen, waren bis auf die Türkei auf der gesamten Wegstrecke bis in den Iran anzutreffen. Deutschland und seine Produkte haben einen guten Klang und werden überall geschätzt. Deutsche Autos fahren in großer Zahl und in allen Altersstufen in ganz Zentralasien. Und Maggi und Kinderschokolade gibt es auch in der Mongolei.

Was sind denn die größten Unterschiede zum Leben in Deutschland?

Es gibt weniger Hektik, materieller Wohlstand muss nicht Voraussetzung zum Glücklichsein sein. Man sieht überall viel mehr junge Leute und Kinder als bei uns. Die Menschen nehmen sich offensichtlich mehr Zeit füreinander und miteinander.

Ein Motorrad hat Sie 1500 Kilometer westlich von Ulan Bator im Stich gelassen. Wie meistert man so eine Panne?

Da eine Reparatur in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich war, wurden die Maschinen in einen Kastenwagen gepackt, und wir sind die 1500 Kilometer nach Ulan Bator drei Tage lang als Beifahrer gereist – inklusive mongolischer Folkloremusik aus dem Radio. Bei zahlreichen Stopps konnten wir da die Lebensweise der Bevölkerung hautnah miterleben.

Ein früher Wintereinbruch in Sibirien hat Ihnen die letzte Etappe vermasselt. Wie endete jetzt die Reise?

Es ging mit der Transsibirischen Eisenbahn von Ulan Bator fast fünf Tage lang nach Moskau. Nach einem Tag Aufenthalt in Moskau kehrten wir dann mit dem Flieger nach Stuttgart ins Ländle heim. Die Motorräder werden von einer Spedition Anfang Oktober abgeholt und nach Stuttgart transportiert.