Neben den dürstenden Fichten bereiten inzwischen sogar die tief wurzelnden Rotbuchen Sorge. Im vergangenen Sommer sind in Fellbach „zum ersten Mal stehende, dicke Buchen abgestorben“, sagt Dagmar Wulfes, die neue Leiterin des Kreisforstamts.

Fellbach - Überall im Fellbacher Stadtwald waren zuletzt ungewöhnlich viele Polter zu sehen, Holzlager also, die bei so manchem Spaziergänger Sorgen um den Forst aufkeimen ließen. Nicht ganz unberechtigt, denn an den unterschiedlichsten Stellen musste Revierförster Stefan Baranek im vergangenen Jahr Bäume fällen lassen, die durch Trockenheit oder Borkenkäfer geschädigt waren. Genau 2996 Festmeter waren es, also fast doppelt so viel wie die in der Forsteinrichtung genannte Langfristplanung von 1500 Festmetern pro Jahr vorsieht.

 

1040 Festmeter sollen es in diesem Jahr werden

„Wir reduzieren jetzt den Holzeinschlag“, sagte Baranek anlässlich seines Jahresberichts vor dem Verwaltungsausschuss des Gemeinderats. 1040 Festmeter sollen es in diesem Jahr werden – wenn die Natur nicht wieder zuschlägt, denn der Wald leidet weiter. „Im vergangenen Sommer sind zum ersten Mal stehende, dicke Buchen abgestorben“, ergänzt Dagmar Wulfes, die neue Leiterin des Kreisforstamts. Das erfordert rasches Handeln, denn der Wertverfall der zum Verstocken neigenden Rotbuchenstämme tritt sehr rasch ein. Gleichzeitig ist die Holzernte bei vertrockneten Buchen besonders gefährlich, weil unerwartet Äste auf den Waldarbeiter fallen können.

Da im Fellbacher Stadtwald zudem auf dessen Erholungsfunktion Wert gelegt wird, ist ein noch stärkerer Schutz der Waldbesucher vor herabfallendem Totholz notwendig. „Das wird unsere Arbeit verändern“, sagt Dagmar Wulfes, die darin gar eine künftige Hauptarbeit befürchtet.

Der war 2019 auch mit der Bereitstellung von Brennholz beschäftigt, das bei unveränderten Preisen weiter sehr gefragt ist. Stefan Baranek charakterisiert den von Schadholz überfluteten Holzmarkt insgesamt als „nicht so prickelnd“. Die einzige Ausnahme sind Eichenstämme.

Viel Arbeit macht die Beseitigung von Brombeersträuchern am Waldrand

Auch unabhängig von der zusätzlichen Holzernte ist es Stefan Baranek 2019 nicht langweilig geworden. Durch eine gesteuerte Naturverjüngung und gezielte Neuanpflanzungen von trockenheitstoleranten Baumarten soll der Stadtwald weiter fit für den Klimawandel gemacht werden. 500 Esskastanien und erstmals auch 100 Baumhasel haben die Waldarbeiter angepflanzt. Hinzu kommen 400 rasch wachsende Douglasien und 200 Stieleichen, die ausnahmslos vor dem Verbiss durch Rehe geschützt werden mussten. Während Rehe starke Schäden im Wald anrichten und sogar dessen Artenzusammensetzung verändern können, sind Wildschweine höchstens im Weinberg lästig. Durch ihre Wühlarbeit unterstützen sie gar die Naturverjüngung der Wälder.

Viel Arbeit macht die Beseitigung von Brombeersträuchern am Waldrand, die als Herberge der Kirschessigfliege den Wengertern ein Dorn im Auge sind. Fürs Wild sind nach wie vor freilaufende Hunde eine Gefahr, während sich Spaziergänger zumeist auf den im Stadtwald reichlich vorhandenen Wegen tummeln. Gleich mehrere Stadträte regten eine verstärkte Waldpädagogik an. Bereits 2019 – und in ähnlicher Größenordnung in den Vorjahren – führte Baranek 31 Gruppen mit rund 1000 Besuchern durchs Revier. Hinzu kommen Angebote vom Haus des Waldes in Degerloch und künftig das im Schullandheim Mönchhof bei Kaisersbach entstehende waldpädagogische Zentrum. In Fellbach sollen vom Waldschlössle aus waldpädagogische Angebote stattfinden. Einen über die bisherigen Infotafeln hinausgehenden Schilderwald lehnt Bürgermeisterin Soltys ab: „Wir haben schon sehr viel.“

Hintergrund über den Wald im Rems-Murr-Kreis

Gut 40 Prozent der Fläche des Rems-Murr-Kreises sind von Wald bedeckt. Rund 11 500 Hektar davon sind Privatwälder, 23 000 Hektar im Eigentum von Land und Kommunen. Von Letzteren wiederum bilden rund 300 Hektar den Fellbacher Revieranteil des außerdem für Kernen zuständigen Revierförsters Stefan Baranek. In Fellbach dominieren Buchen (34 Prozent), Eichen (26 Prozent) und Kiefern (18 Prozent). In Kernen ist der Kiefernanteil mit 35 Prozent wesentlich höher. Bemerkenswert ist in Fellbach der hohe Anteil von teils sehr stattlichen, wertvollen Eichen, die landesweit nur acht Prozent Flächenanteil haben. Die besonders trockenheitsempfindliche Fichte, in vielen Regionen der Brotbaum der Förster, hat in Fellbach nur einen Flächenanteil von drei Prozent.

Die Artenzusammensetzung

Durch vorausschauende Förster und aufgrund der wirtschaftsgeschichtlichen Entwicklung des Fellbacher Waldes als Brennholzlieferant und Mastort für Schweine dominieren Laubhölzer. Vertreten sind auch Exoten wie Tulpenbäume, Mammutbäume und Japanische Sicheltannen. Neu hinzugekommen sind kürzlich 100 trockenheitstolerante Baumhasel.

Neue Chefin des Kreisforstamts

Neue Strukturen gibt es seit dem 1. Januar in der Forstverwaltung. Ausgelöst durch ein kartellrechtliches Verfahren gibt es seither getrennte Zuständigkeiten für Privatwald, für den Forst BW verantwortlich zeichnet, und kommunale Wälder, um die sich das Forstamt des jeweiligen Landratsamts kümmert. Im Rems-Murr-Kreis sind damit personelle Änderungen verbunden. Der bisherige, langjährige Forstamtsleiter Martin Röhrs wechselte zu Forst BW, seine Nachfolgerin im Landratsamt ist die Forstdirektorin Dagmar Wulfes. Die Diplom-Forstwissenschaftlerin war zuvor drei Jahre lang Leiterin des Forstamtes im Main-Tauber-Kreis und arbeitete bis 2016 im Stuttgarter Landesministerium für Verbraucherschutz und Ländlichen Raum, das auch für den Forst zuständig ist. Davor wiederum war die 56-jährige Auenwälderin bis 2014 bereits im Rems-Murr-Kreis tätig, sie kehrt also in Ihre Heimat zurück.

Die Forstdirektorin hat ihr neues Amt mit Dienstsitz in Backnang bereits am 7. Januar angetreten und stellte sich – begrüßt von Oberbürgermeisterin Gabriele Zull – jetzt dem Verwaltungsausschuss des Fellbacher Gemeinderats vor. Ihr Zuständigkeitsbereich umfasst auch den Fellbacher Stadtwald, dessen Revierförster unverändert Stefan Baranek bleibt.