Wer glaubt, der Feminismus sei passé, vertut sich. Auf dem Papier sind Männer und Frauen gleichberechtigt, in der Realität nicht.

Stuttgart - Vor ein paar Jahren kam ein Film in die Kinos, der zum "Rendezvous unterm Nierentisch" einlud. In Werbespots der fünfziger Jahre wurde da gewaschen und gebügelt, gekocht und geputzt, was das Zeug hielt. Das Publikum delektierte sich nicht nur an der biederen Ästhetik der Clips, sondern auch am schier steinzeitlichen Gesellschaftsbild, das nebenbei darin zum Ausdruck kam: Männer, die morgens in den Opel Kapitän stiegen und ins Büro brausten, Frauen, die ihnen andächtig nachwinkten und ansonsten auf Haushalt, Kinder, Küche abonniert waren. Die Vollkatastrophe trat in diesen Frauenleben ein, wenn das Essen anbrannte oder Vati kein sauberes Hemd mehr zum Anziehen hatte. Wie schön, dachte man in seinem Kinosessel, hin- und hergerissen zwischen Schaudern und Behagen, dass diese muffigen Nierentischtage hinter uns liegen, wie schön, dass wir inzwischen alle so rundum emanzipiert sind.

Der Feminismus, so die allgemeine Ansicht, hat sein Ziel erreicht. Die Chancengleichheit von Mann und Frau ist Konsens - auf ganzer Linie hergestellt und so unverbrüchlicher Bestandteil unseres Gesellschaftsvertrags, dass man das Thema im Prinzip abhaken kann. Verkämpfen muss sich dafür niemand mehr, keine mehr öffentlich ihren BH verbrennen. Nur wenn eine Kopftuchlehrerin ihr Haupt erhebt oder Burkaverbot und Zwangsheirat diskutiert werden, hissen Politik und Medien die Fahne der schwarz-rot-goldenen Leitkultur, auf der in Großbuchstaben die Worte "Freiheit, Gleichheit und Selbstbestimmungsrecht der Frau" eingestickt sind.

Schwarzer steht für den Emanzen-Feminismus alter Schule


Abseits der Integrationsdebatte ist die holde Weiblichkeit jedoch gebeten, von überzogenen Forderungen abzusehen. Die amtierende CDU-Familienministerin Kristina Schröder lehnte es kürzlich in einem "Spiegel"-Interview ab, Frauen im Berufsleben durch Quoten zu fördern. Ähnlich klang das, was in einer gefeierten Rede auf dem CSU-Parteitag im November die Vizechefin der Jungen Union in Bayern, Katrin Poleschner, von sich gab. Alice Schwarzer, die Mutter der Bewegung, schlug zurück, aber allein ihre Jugend schien den Politikerinnen in dieser Auseinandersetzung recht zu geben.

Wofür Schwarzer steht, gilt als der in die Jahre gekommene, unweibliche, männerfeindliche, verbiesterte Emanzen-Feminismus alter Schule, von dem sich Frauen der jüngeren Generation distanzieren, weil sie- nochmals Schröder - gemerkt haben, "dass Partnerschaft und Kinder Glück spenden". Männer hatten aufgrund ihres scharfen Verstands sogar schon früher erkannt, dass der Feminismus eine Falle war: Frauen in ihrem Selbstverwirklichungswahn seien schuld, dass die Deutschen aussterben, diagnostizierte der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher vor zwei Jahren, vorher stünde aber noch der Sieg des Matriarchats zu befürchten, prophezeite Matthias Matussek vom "Spiegel". Etwa zur selben Zeit wurde der "neoliberale Alphamädchen-Feminismus" beziehungsweise "Girlie-Feminismus" gegen den Feminismus der alten Schlachtrösser in Stellung gebracht: Charlotte Roche gegen Alice Schwarzer. Die Heldin von Roches "Feuchtgebieten", mit denen die ehemalige "Queen of German Pop Television" (Harald Schmidt) Auflagenzahlen erreichte wie nach ihr nur der Deutschlandabschaffer Thilo Sarrazin, verweigert sich - welch gefährlicher Tabubruch! - der Achselhaarrasur. Eine Weile lieferte das Buch dem medialen Smalltalk Futter, dann war auch das Thema durch.