Die ARD hat das Leben von Konrad Adenauer verfilmt. „Konrad Adenauer – Stunden der Entscheidung“ ist ein Dokudrama. Es ist am Dienstagabend auf Arte zu sehen und am Sonntagabend in der ARD.

Stuttgart - Der Alte“ ist nun schon 45 Jahre tot. Kein Politiker prägte die frühen Jahre der Bundesrepublik so nachhaltig, keiner polarisierte so stark wie Konrad Adenauer. 2003 wählte das ZDF-Publikum den ersten Kanzler der Bundesrepublik in einer Show „zum größten Deutschen“ aller Zeiten, vor Luther und Karl Marx. Da ist es schon erstaunlich, dass sich erst einmal, 1976, ein Filmteam an die Fiktionalisierung dieser historischen Figur rangemacht hat. Nun folgt der zweite Streich.

 

Konrad Adenauer – Stunden der Entscheidung“ ist ein Dokudrama, halb dokumentarisch, halb Spielfilm, und dementsprechend den Fakten eher zugetan, als es ein reines Biopic vermag. „Der Geist stimmt“, lobt denn auch Konrad Adenauer, der gleichnamige Enkel, der 1945 in Bad Honnef geboren wurde. Er spielte, als Sprecher der Adenauer-Sippe, den Katalysator zwischen der Familie und dem grimmepreisdekorierten Filmautor Werner Biermann. Er las das Drehbuch – elf Fassungen gab es immerhin! – und öffnete schließlich die Türen zum Familiensitz in Rhöndorf, wo vor original Adenauer’scher Tapete gedreht werden konnte.

Erst mal ein Frühstück

„Es lag mir viel daran, dass der Film gemacht wird“, sagt Adenauer, „auch weil ich dachte, wenn es Biermann nicht darf, kommt vielleicht keiner mehr.“ Er überredete seine Tante Libeth und seinen Onkel Georg, Privates auszusagen. Und genau das interessierte den Autor Biermann und seinen Regisseur Stefan Schneider: die verborgene Seite des Machtpolitikers. Was trieb den Menschen Adenauer an? Wie errang er Macht, und mit welchen Mitteln verteidigte er sie? Wo irrte er?

Ihr Blick hinter die Legende beginnt in Adenauers Schlafzimmer in Rhöndorf. Es ist halb sechs Uhr früh am 13. August 1961, als der Kanzler im Morgenrock die Nachricht empfängt, dass man durch Berlin Stacheldraht zieht. „Wirklich, mitten durch Berlin?“, fragt Adenauer. Und verlangt dann erst mal nach dem Frühstück. Man mag diesen szenischen und ziemlich intimen Einstieg irritierend finden oder mit den Worten seines Enkels „kühn“. Doch man nimmt dem Adenauer-Darsteller Joachim Bißmeier in jedem Moment ab: ja, so hätte es tatsächlich sein können.

Der „Spiegel“-Gründer war sein publizistischer Gegner

Auch Bißmeier ist wie Adenauer Rheinländer, 1936 in Bonn geboren. Physiognomisch ist er zwar ein bisschen dürr geraten im Vergleich zu seinem Alter Ego. Aber ihm gelingt das perfekte Maß, damit seine Darstellung Adenauers nicht in die Parodie abrutscht. Er lässt eine neue Wirklichkeit entstehen. Mit dem typisch Adenauer’schen Singsang hält sich der Schauspieler zurück. Er untertreibt eher, als zu übertreiben. „Ich dachte immer: Vorsicht, nicht zu viel Adenauer wollen!“, sagt Bißmeier.

Was der Autor Biermann und sein Regisseur Stefan Schneider wollten? Den Kanzler „weder verherrlichen noch verurteilen“. Sie zeigen Adenauer also als liebenden Ehemann (von Gussie, die Carolina Vera spielt) und Vater, als listigen Erfinder, als tief im Wilhelminismus verwurzelten Patriarchen, als kalten Machtpolitiker, als Strippenzieher, der Buttercremetorte als Schmiermittel zur Kanzlerschaft einsetzte.

Mut zur Lücke

Natürlich erlaubt sich das Dokudrama großen Mut zur Lücke – – die gestaltete Geschichte muss schlüssig ins Neunzig-Minuten-Raster passen. So kommt die von Adenauer kräftig geförderte deutsch-französische Freundschaft etwas dürftig als Wochenschau-Ausschnitt daher. Dafür hat Biermann eine Linie dicker gezeichnet, als sie wirklich war: die Beziehung zwischen Konrad Adenauer und Rudolf Augstein.

Der „Spiegel“-Gründer war Adenauers publizistischer Hauptgegner. Von Augstein stammt die Ansage: „Der Alte muss weg!“ Offiziell nahm Adenauer den Verleger aus Hamburg nicht zur Kenntnis. Aus dem Verächter wurde schließlich kurz vor Adenauers Tod ein Verehrer. Drei umfangreiche, fast hymnische „Spiegel“-Sondernummern widmete ihm Augstein im Jahr 1967 sogar. Es ist allerdings eine Mär, dass sich Augstein und Adenauer, wie im Film zu sehen, nach langer Feindschaft im kitschigen Abendlicht in Rhöndorf umarmten. Das ist der Emotion dann doch zu viel. „Mein Großvater war sehr zurückhaltend“, erinnert sich sein Enkel Konrad Adenauer.