Mit fünf weiteren Traditionsvereinen fordern die Stuttgarter eine Umverteilung der künftigen Fernsehgelder. Langfristig will der VfB wieder zu einer Macht im europäischen Fußball werden.

Sport: Carlos Ubina (cu)

Stuttgart - Der VfB Stuttgart ist noch eine Nummer in Europas Fußball. Auf Position 80 führt die Uefa den Bundesligisten in seiner Club-Rangliste, eingeklemmt zwischen Real Sociedad San Sebastian aus Spanien und dem AS St. Etienne aus Frankreich. Auch der Europäischen Club-Vereinigung gehört der VfB weiter an – dieser durchaus mächtigen Interessengemeinschaft, die 2008 aus den Edelvereinen des Kontinents hervorgegangen ist.

 

Die Mitgliedschaft in diesen erlauchten Zirkeln beruht aber vor allem auf dem verblichenen Ruhm vergangener Tage. Für die Vergangenheit haben die Stuttgarter allerdings keine Zeit mehr. Sie müssen sich jetzt um die Zukunft kümmern – und die heißt auf nationaler Ebene „Team Marktwert“. Dahinter verbirgt sich ein Zusammenschluss von sechs Traditionsvereinen: Neben dem VfB sind dies Hertha BSC, Werder Bremen, Eintracht Frankfurt, der Hamburger SV und der 1. FC Köln.

Sie alle kämpfen um eine Umverteilung der Fernsehgelder. Wobei sich die Protagonisten der altehrwürdigen Meister- und Großstadtclubs alle Mühe geben, nicht den Eindruck entstehen zu lassen, als handle es sich um eine Meuterei gegen den Ligaverband DFL oder um eine neue Front gegen die argwöhnisch beäugten Werks- und Investorenvereine wie den VfL Wolfsburg, Bayer Leverkusen oder 1899 Hoffenheim.

Eine Initiative der DF

Vielmehr agiert dieser frisch geschnürte Sixpack an Bundesligisten auf Initiative der DFL. Den Vorkämpfern wie dem VfB-Präsidenten Bernd Wahler ist es ein Anliegen, die neue Interessengemeinschaft nicht als geschlossene Gruppe zu verstehen – sondern als ein Bündnis, in dem weitere Vereine und Vorschläge willkommen sind.

Der Text einer Erklärung ist deshalb nicht im kämpferischen Ton verfasst, eher sensibel formuliert. Keiner soll verschreckt werden, da es um viele Millionen Euro geht – und beim Geld hört ja der Spaß nicht nur unter Managern auf. In aller Vorsicht platzieren der VfB und Co. deshalb Begriffe wie Modelle, Nachhaltigkeit, Objektivität. Fakt ist jedoch, dass das Team Marktwert mehr Medienerlöse erzielen will. Und Fakt ist auch, dass die Rechnung nur aufgeht, wenn andere Vereine weniger Geld erhalten.

„Wir brauchen die dritte Säule“, sagt Wahler zu den bisherigen Verteilungskriterien. Die erste Säule bildet ein einheitlicher Sockelbetrag für die Erst- und Zweitligisten, die zweite der Tabellenplatz einer Fünfjahreswertung – und an diesem Punkt wird nun angesetzt. „Wer den Wert unseres gemeinsamen Produktes Bundesliga steigert, weil er viele Fans hat und für öffentliches Interesse sorgt, der sollte bei der Verteilung der Einnahmen entsprechend berücksichtigt werden“, sagt Wahler.

Mehr Fans, mehr Geld

Zugespitzt formuliert: mehr Fans gleich mehr Geld. Weil die Anhänger nicht nur die Stadien füllen, sondern ebenso massenhaft vor den Fernsehgeräten sitzen und somit den Preis nach oben treiben. Nebenbei würde man sich wohl auch besser stellen als die mögliche und unliebsame Konkurrenz von RB Leipzig. Doch Wahler und seine Mitstreiter wie der Kölner Geschäftsführer Alexander Wehrle würden das so nie formulieren. Sie sprechen lieber von objektiven Kennzahlen wie „Fanbasis, Beliebtheit, Bekanntheit, TV-Reichweite und Interaktionsraten in Social Media“, mit denen sich der wahre Marktwert eines Vereins errechnen ließe. Aber: „Die Bedeutung jedes Clubs für die Liga sollte ebenfalls ein Gewicht haben“, sagt Wehrle.

Revolutionär ist dieses Vorhaben nicht, weil in sämtlichen großen europäischen Ligen (England, Spanien, Italien, Frankreich, Niederlande) bereits Verteilungsmodelle greifen, die mehrere Kennzahlen berücksichtigen. Als fundamentaler Angriff auf das in Deutschland gehegte und gepflegte Solidaritätsprinzip soll die Neuerung aber auch nicht verstanden werden, da es sich ja ohnehin nur um die 35 Prozent an Fernsehgeldern handelt, die bisher allein aufgrund der sportlichen Ergebnisse ausgeschüttet wurden. Der große Rest vom TV-Kuchen soll nach wie vor paritätisch verteilt werden – was die zweite Liga im Boot hält.

680 Millionen Euro bekommt das Oberhaus

Etwa 170 Millionen Euro werden diese Saison an das Unterhaus verteilt, 680 Millionen an das Oberhaus. Davon fließen 27,5 Millionen Euro an den VfB, 42 Millionen an den FC Bayern, 35 Millionen jeweils an Leverkusen und Wolfsburg. Doch künftig soll es mehr sein, was in der Branche bereits zu Diskussionen geführt hat. Zum einen, weil der Zweitligist FC St. Pauli mit seinem DFL-erprobten Geschäftsführer Andreas Rettig mit der Idee vorgeprescht ist, die konzern- und investorengeführten Vereine auszuschließen. Zum anderen, weil der FC Bayern damit liebäugelt, aus der Zentralvermarktung auszusteigen und für sich selbst deutlich mehr Geld herauszuholen.

In diesem Spannungsfeld zwischen einer möglichst hohen Liga-Attraktivität und den berechtigten Einzelinteressen muss die DFL den Kampf um die TV-Millionen moderieren. Schließlich soll bis Juni der neue Fernsehvertrag abgeschlossen sein: mit einer Laufzeit von 2017/2018 bis 2020/21, mit einem Gesamterlös von mehr als einer Milliarde Euro pro Saison und mit einem Verteilungsschlüssel, der die Wettbewerbsfähigkeit der Vereine national wie international garantiert. Denn schon in absehbarer Zeit will der VfB in Europa wieder eine wahrnehmbare Nummer sein.