Der Architekt und Künstler Fero Freymark, der seit einigen Jahren in Weissach lebt, feiert am Samstag seinen 85. Geburtstag – ein Rückblick auf ein spannendes Leben.
Im Eingang des Ateliers bei der Ölmühle in Weissach stößt der Besucher auf die Skulptur mit den in sich verschachtelten Stühlen, die entstand, als der Künstler und Architekt Fero Freymark 2005 bei einem Workshop in der Jugendvollzugsanstalt Heimsheim mit Insassen arbeitete. „Das war eine der eindrucksvollsten Erfahrungen mit Kunst, weil die Insassen ja keine Erfahrung mit ihr haben“, sagt Freymark, der an diesem Samstag seinen 85. Geburtstag feiert. Es war nicht nur eine künstlerische Erfahrung, denn Freymark hatte den Wunsch, während der Arbeit dort wie die Gefangenen in einer Zelle zu übernachten.
Auf einem Tisch im Atelier stehen die Modelle für seine Ukraine-Skulpturen. Es sind Holzmodelle für einen späteren Bronzeguss. Seit Beginn des Kriegs gegen die Ukraine setzt sich Freymark künstlerisch mit den Trümmerbergen der zerschossenen Häuser auseinander. Eine dieser Skulpturen mit dem Titel „Charkiw“ hat er im vergangenen Jahr bei der Biennale eingereicht, die dann ausgestellt wurde.
Beim Rundgang durch das Atelier springen einem auf einem Tisch Fläschchen, Pinsel und Pulver ins Auge. Bei den Pulvern handelt es sich um zerriebene Steine, alles Ockertöne. Auch Straßendreck ist darunter, wie Freymark sagt. „Das sind meine Farben“, betont er. Dann fällt der Blick auf ein Stühlchen mit Teilen eines Rahmens drumherum – eine Hommage an van Gogh. „Das Kinderstühlchen ist vom Flohmarkt“, so Freymark. Es soll an den Stuhl am Bett des Malers erinnern, der zerbrochene Rahmen an dessen Psyche und sein abgeschnittenes Ohr.
Er hat Yves Klein bei seinen Schwammreliefs assistiert
1939 in Köln geboren, kam Fero Freymark mit zwei Jahren zu seiner Großmutter nach Westpommern, weil seine Eltern ihn dort sicherer glaubten. „Dann kam die russische Armee,“ erzählt Freymark. Der Ausweg war die Flucht in Richtung Berlin. „Im Januar 1945 bei 27 Grad minus und 1,20 Meter Schnee“, erinnert er sich. „Mit anderen Flüchtlingen hinter der Front – so haben wir überlebt.“
1958 ist dann eines der entscheidenden Jahre in Freymarks Leben. In Gelsenkirchen entsteht unter dem Architekten Werner Ruhnau gerade das Musiktheater. Freymark heuert als 19-jähriger Praktikant in der Bauhütte Ruhnaus an. „Das war meine einschneidendste Lebensphase“, sagt er rückblickend. Ingenieure, Künstler und Handwerker arbeiteten auf der Baustelle Hand in Hand und wohnten dort gemeinsam. Auf der Baustelle begegnet er auch den damals noch unbekannten Künstlern Jean Tinguely und Yves Klein. Er assistiert Klein, der im Theaterbau seine berühmten Schwammreliefs installiert.
Bei seiner Arbeit für Ruhnau erfährt Freymark, dass Architektur und Kunst eine untrennbare Einheit bilden. Er erkennt die Bedeutung des Handwerklichen für die Kunst. Das bringt ihn dazu, sich in den Folgejahren Fähigkeiten im Handwerk anzueignen: Er arbeitet als Maurer in England, als Schreiner in Portugal und er sammelt Erfahrungen bei Schweißkursen und in einer Gießerei.
Kunst und Architektur haben sich durchdrungen
Seine Eltern wünschten sich, dass er Architektur studiert. Aber Fero Freymark zieht es auch zur Kunst. In München verbindet er beides: An der TU nimmt er sein Studium der Architektur auf, begleitend dazu besucht er Kurse bei dem Bildhauer und Professor Fritz Koenig. Kunst und Architektur – das war für ihn nicht mehr zu trennen. „Es hat sich gegenseitig durchdrungen,“ sagt Fero Freymark heute. Am Ende habe er sogar mehr Kunst in der Architektur gemacht.
1973 ist ein weiteres wichtiges Jahr für Freymark. Als er einen Film sieht, der von der Freundschaft des Schmiedes von Lourmarin in der Provence zu Albert Camus erzählt, will Freymark diesen Schmied unbedingt treffen. Mit dem Rucksack trampt er nach Südfrankreich. Und von da an entsteht seine besondere Verbundenheit zu der südfranzösischen Landschaft. Er macht bei seiner ersten Reise in die Provence auch die Bekanntschaft des Schriftstellers Gabriel Guignard, der im Zweiten Weltkrieg der Kopf der Résistance Sud war. Mit ihm wandert Freymark entlang der Natursteinmauern in die Steinbrüche von Ménerbes, Lacoste und Cabrières d’Avignon. Dabei wird seine Begeisterung für die Strukturen der geschichteten Steine geweckt, die fortan sein Kompositionsthema von der Zeichnung bis hin zu den skulpturalen Werken werden.
Besonders nach den Sprengungen ist Freymark viel in den Steinbrüchen. Manchmal bleibt er dort über Nacht. „Da ich in den Steinbrüchen gelebt und gearbeitet habe, habe ich den Stein in sämtlichen Formen erlebt“, so der Künstler.
Er hat in den Steinbrüchen gelebt und gearbeitet
Im Jahr 1984 baut sich Fero Freymark ein Atelier in Gordes auf. Von da an lebt und arbeitet er sowohl in Frankreich als auch in Deutschland und hat zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland.
„Das ist mein Lebenswerk: Steine in jeder Richtung. Immer der ineinander gesetzte Stein. Deshalb kommen sie jetzt als Ruinenstücke der Ukraine,“ weiß Freymark. Man müsse einen Lebenspunkt haben, der einen so fesselt, dass man daran arbeiten könne und wie ein Blutegel seine Energie daraus ziehe, betont er.
Fero Freymark hat an zahlreichen Wettbewerben teilgenommen und verschiedene Auszeichnungen bekommen, darunter 2009 im Grand Palais in Paris die Auszeichnung mit der Medaille de Bronce, 2014 die Goldmedaille für Malerei.
Und wie kam es zu dem Vornamen Fero, unter dem ihn jeder – im In- und Ausland – kennt? Eigentlich heiße er Dieter, erzählt Freymark. Sein Bruder hieß Peter. Schon in der Kindheit habe es ihn „genervt“, wenn seine Eltern „Peter! Dieter!“ riefen. Bei einer Ausstellung in Zürich sagte jemand zu ihm, der als Künstler viele Skulpturen aus Metall und Bronze geschaffen hat: „Du bist doch der Eisenmann. Du bist doch der Fero.“ In Deutschland kann man per Gesetz nur seinen Nachnamen ändern. Nach einigem Hin und Her und noch nicht lange darf sich Freymark jetzt aber offiziell „Fero“ nennen. „In Frankreich kennt niemand den Dieter“, betont er.