Der einstige Strippenzieher Chuck Blazer (im Hintergrund) ist im Wirbel um den Weltfußball-Verband Fifa und seinen wiedergewählten Präsidenten Sepp Blatter der wichtigste Zeuge der Anklage.

Sunil Gulati, Präsident des US-Fußballverbandes, gab sich zerknirscht. Er sei enttäuscht über die Wiederwahl Sepp Blatters, gleichwohl wolle er „sinnvolle Veränderungen“ innerhalb der Fifa anstoßen, erklärte Gulati in bester Funktionärssprache. Ziel müsse es sein, für transparente Geschäftsabläufe zu sorgen, die sich ausschließlich im besten Interesse des Sports bewegten. Er hoffe jedenfalls, dass Blatter die Reform zu seiner Top-Priorität machen werde. Was das genau bedeutet, dazu ließ sich der US-amerikanische Verbandschef allerdings nicht ein.

 

Gulatis Hoffnung könnte ohnehin verfrüht sein. Noch ist nicht mal der jüngste Korruptionsskandal, der in der vergangenen Woche durch die Verhaftung von sieben Fifa-Funktionären in Zürich ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangte, in seinem Umfang bekannt. Richard Weber, Chef der US-Steuerfahndung, jedenfalls ließ ausrichten: „Ich bin zuversichtlich, dass wir eine weitere Runde von Anklagen haben werden.“ Ob sich darunter Fifa-Boss Blatter befindet, wollte Weber nicht sagen. Er und seine Kollegen vom FBI und der Staatsanwaltschaft in New York glaubten jedoch fest daran, dass „andere Personen und Organisationen in kriminelle Taten verwickelt“ seien.

Die Strafverfolgungsbehörden ermitteln seit vier Jahren

Was Blatter als eine gezielte, von den USA angetriebene Verschwörung gegen seine Person und seine Amtsführung wertet, ist das Ergebnis einer vier Jahre langen Ermittlung der Strafverfolgungsbehörden in den USA. Entscheidend waren dabei offenbar die Aussagen eines Mannes, der auspackte und den Ermittlern einen Einblick in ein weltumspannendes Korruptionssystem gab, in dem Schmiergeldzahlungen und Bestechung gang und gäbe waren.

„Sie haben es immer und immer wieder gemacht. Jahr um Jahr, Turnier um Turnier“, sagte US-Justizministerin Loretta Lynch. Mehr als 150 Millionen Dollar seien im vergangenen Vierteljahrhundert durch dieses System geflossen. Hauptsächlich ging es um die Vergabe lukrativer Marketingrechte für Fifa-Großveranstaltungen, und es ging um die Frage, welche Länder das Recht erhalten, Turniere auszurichten.

Der Informant pflegte ein luxuriöses Leben

Der Mann, Chuck Blazer mit Namen, war bis vor ein paar Jahren einer der führenden Fußballfunktionäre in den USA. Er umgab sich mit Mächtigen aus Politik und Sport und pflegte einen exzentrischen Lebensstil. Er unterhielt eine Wohnung im Trump Tower in Manhattan, für die er nach Medienberichten eine Monatsmiete von 18 000 US-Dollar bezahlte. Gleich nebenan lag noch eine Wohnung, die Blazers Katzen vorbehalten war – Monatsmiete 6000 Dollar. Dazu kamen luxuriöse Wohnungen auf den Bahamas und in Miami, wo Blazer seinerzeit als Generalsekretär im Sold des nord- und mittelamerikanischen Fußballverbandes Concacaf   stand. Wegen seines dichten weißen Bartes und seiner fülligen Figur wurde Blazer „Santa“ genannt – der Weihnachtsmann. Er schwamm im Geld, so muss man die Medienberichte deuten. Aber er zahlte offenbar keine Steuern.

Im Spätsommer 2011 eröffneten Steuerfahnder aus Kalifornien ein Verfahren gegen Blazer. Einige Monate später spannten sie sich mit FBI-Agenten aus New York zusammen, die ein Interesse an den Umtrieben innerhalb der Fifa hatten. Daraus wurde dann eine gemeinsame Ermittlung, die nach Darstellung der „New York Times“ zeitweise Polizeibehörden und Diplomaten in 33 Ländern beschäftigte.

Blazer selbst erklärte sich zur Zusammenarbeit mit den Behörden bereit. Er hoffte offenbar auf Strafmilderung. Er zeichnete heimlich Unterhaltungen mit anderen Fifa-Funktionären auf, gab sein Wissen über die Fifa und das Korruptionssystem weiter. Derzeit liegt Chuck Blazer, der heute 70 Jahre alt ist, in einem Krankenhaus in New York und will sich nicht äußern. Er soll an Krebs leiden, heißt es.

Schmiergeld-Transaktionen liefen über Banken in den USA

Die Ermittlungen der US-Fahnder wurden nach Darstellung von Insidern auch dadurch erleichtert, dass Banken in den USA sich inzwischen nicht mehr so zieren, mit Staatsanwälten zusammenzuarbeiten, wie das noch vor einigen Jahren der Fall gewesen sei. Die Schmiergeld-Transaktionen liefen nach Darstellung der US-Behörden über Banken in den Vereinigten Staaten. Das gibt nach US-amerikanischer Auslegung des US-Rechts dem FBI das Recht, in solchen Fällen auch gegen Ausländer zu ermitteln. Wie der Wissenschaftler Abraham Newman jetzt in der „Washington Post“ schrieb, sind die USA bei der Anwendung nationalen Rechts im Ausland nicht allein. „Europa ist uns dicht auf den Fersen. Fragen Sie mal Google oder Facebook zu europäischem Datenschutz-Recht.“

Als nächster Schritt der US-Behörden im Korruptionsskandal werden Auslieferungsanträge an die Schweiz erwartet. Die sieben in Zürich festgenommenen Fifa-Funktionäre werden aller Voraussicht nach versuchen, dagegen juristisch vorzugehen. Das Verfahren kann sich lange hinziehen. Doch sollten die Funktionäre irgendwann einmal doch in den USA landen, dann wird vor allem eine mögliche Aussage des früheren Blatter-Kronprinzen Jeffrey Webb mit Spannung erwartet. Er steht in der Anklageschrift an oberster Stelle. Er könnte Chuck Blazers Beispiel folgen und Informationen gegen Strafmilderung tauschen.