Von Unterschlagung will Susanna Filbinger-Riggert zwar nichts wissen, einen Irrtum aber räumt sie ein: Die Tagebücher ihres Vaters, des früheren Ministerpräsidenten Hans Karl Filbinger (CDU), gehörten doch allen Erben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der durch einen StZ-Bericht bekannt gewordene Streit um die Tagebücher des früheren Ministerpräsidenten Hans Karl Filbinger (CDU) geht weiter. Dessen älteste Tochter Susanna Filbinger-Riggert wehrt sich gegen Vorwürfe ihrer Geschwister, räumt aber auch Fehleinschätzungen ein. Von einer „Unterschlagung“ der 2009 gefundenen Tagebücher, die ihr Bruder Matthias Filbinger kritisiert hatte, könne „keine Rede sein“, sagte sie im Südwestrundfunk. Allerdings habe sie die Rechtslage zunächst falsch eingeschätzt, was die Eigentumsrechte an den Aufzeichnungen angehe.

 

Ihr Bruder Matthias und eine Schwester seien 2009 aus der Erbengemeinschaft der fünf Geschwister ausgeschieden, sagte Filbinger-Riggert dem SWR. Als deren einmütig bestimmte Geschäftsführerin habe sie „alles geregelt, was Verwaltung, Verwahrung und den Zugang des Nachlasses meines Vaters betroffen hat“. Die beiden Geschwister hätten damit nicht befasst werden wollen. Erst vor wenigen Wochen habe sich herausgestellt, dass der Gesellschaftervertrag „Passagen enthält, die nicht rechtskräftig sind und die beiden folglich doch Erben sind“. Alle fünf Geschwister seien mithin auch Eigentümer der Tagebücher, sagte die Unternehmensberaterin, die lange in de USA gelebt hat und heute in der Nähe von Düsseldorf wohnt.

„Leider war sie falsch beraten“, bedauert der Verlag

Auch der Frankfurter Campus-Verlag, bei dem Filbinger-Riggerts Vater-Tochter-Biografie (Titel: „Kein weißes Blatt“) erscheinen soll, bestätigte eine Fehleinschätzung. Die Autorin sei ursprünglich davon ausgegangen, dass sie aus den Tagebüchern zitieren dürfe, und habe dies dem Verlag auch zugesichert. „Leider war sie falsch beraten“, wie die Einwände aus dem Familienkreis gezeigt hätten, hieß es in einer Erklärung des Verlags. Aufgrund der offenen Rechtslage habe man „vorsorglich Überarbeitungen vorgenommen“ und den Erscheinungstermin des Buches vom 18. April auf den 2. Mai verschoben.

Der einzige Sohn des 2007 verstorbenen Ex-Ministerpräsidenten, der Stuttgarter Unternehmensberater Matthias Filbinger, zeigte sich durch die Angaben seiner Schwester bestätigt. Sie selbst habe eingestanden, dass die Rechte bei allen fünf Kindern lägen, sagte er der dpa. Daher dürfe das Buch nicht wie geplant erscheinen. Bisher hat der Verlag wegen der Bedenken nur wörtliche Zitate aus den Tagebüchern entfernt. Matthias Filbinger will jedoch auch keine indirekten Zitate dulden. Er habe erst im Januar von der Existenz der Tagebücher erfahren und wolle erst einmal ihren Inhalt kennen. Solange dies nicht der Fall sei, könne er keine Freigabe erteilen. „Das sind zum Teil höchst persönliche, private Aufzeichnungen, die nicht in die Öffentlichkeit gehören“, hatte er der StZ gesagt. Differenzen gibt es zwischen ihm und seiner Schwester auch über die Rolle der CDU-nahen Adenauer-Stiftung. Laut Matthias Filbinger hat diese nur die politischen Dokumente seines Vaters erhalten, nicht aber die Tagebücher. Susanna Filbinger-Riggert sagte dem SWR hingegen, es sei vereinbart worden, dass auch die Tagebücher „in den dortigen Nachlass integriert werden sollten“. Dagegen habe keines der Geschwister Einspruch erhoben.

Reges Interesse an der Buchvorstellung in Berlin

Filbinger-Riggert hat das Buch, wie geplant, erstmals am Donnerstagabend in einer Berliner Buchhandlung öffentlich vorgestellt. Es seien „zahlreiche Besucher, darunter viele Pressevertreter“ gekommen, teilte der Verlag mit. Die Autorin zeigte sich von dem für sie ungewohnten Medienrummel überrascht. Sie und der Verlag äußerten sich zuversichtlich, dass dem Erscheinen des Buches nichts mehr im Wege steht. Eine Campus-Sprecherin sagte, man sei „weiterhin davon überzeugt, dass die Autorin die Tagebücher ihres Vaters lesen durfte und auch berechtigt ist, über die daraus gewonnenen Informationen zu sprechen und zu schreiben“. Filbinger-Riggert sprach gegenüber der StZ von einem „sehr persönlichen Buch, das ich vom Herzen geschrieben habe“. „Wenn alle Meinungen hätten berücksichtigt werden sollen, wäre das Buch nie fertig geworden.“