Der Bestatterin Barbara Rolf aus Leinfelden-Echterdingen ist im vergangenen Jahr die Leichtigkeit im Alltag abhanden gekommen. Sie hat erfahren müssen, was Erschöpfung bedeutet.

Leinfelden-Echterdingen - Offenheit ist für Barbara Rolf ein hohes Gut. Aus ihrer persönlichen Rückschau macht die Bestatterin deshalb kein Geheimnis: „Ich bin froh“, sagt sie unumwunden, „dass das Jahr vorbei ist“. Private Einschnitte, weltpolitische Entwicklungen – „Chaos, wohin man schaut“, sagt die Unternehmerin, die sich schon von Berufs wegen auskennt mit einschneidenden Veränderungen. Immerhin suchen nach der größten Zäsur, dem Tod eines nahen Angehörigen, jährlich mehr als 400 Menschen ihren Beistand. Auch 2015 war das so. Doch anders als in den vorangegangenen Jahren fehlte die Leichtigkeit im Alltag. „Es war wenig im Fluss“, beschreibt Barbara Rolf ihre Erfahrung. Stattdessen plötzlich Anstrengung, Ernüchterung und sogar Erschöpfung.

 

Dass sie die Grenze ihrer Kraft erreicht hatte, merkte die Diplomtheologin und Unternehmerin bereits im Sommer. Richtig bewusst wurde ihr die Situation während einer Fachdiskussion, zu der sie als Podiumsgast geladen war. „Als der Professor neben mir die Symptome einer Erschöpfungsdepression beschrieben hat, dachte ich, er redet von mir“, erinnert sie sich an ihre Verblüffung. Glücklicherweise konnte in der zweiten Jahreshälfte eine Behandlung beginnen, aus der Barbara Rolf unter anderem die Empfehlung mitgenommen hat, sich von mancher „Illusion“ zu verabschieden – etwa der Erwartung, dass ihre Ressourcen unendlich seien.

Herausforderung als „persönliches Lernfeld“ angenommen

„Nicht jede Reaktion war positiv“, hat die Bestatterin nach ihrem offenen Bekenntnis von Schwäche erfahren, andererseits durfte sie sich über Rückhalt und „wunderbare Begegnungen“ freuen. Dennoch: der Spagat zwischen der Verunsicherung in ihrem Umfeld und dem Ausloten der eigenen Zukunft machten der Chefin von 15 Angestellten zu schaffen. Alles habe indes zwei Seiten, ist ihr einmal mehr klar geworden: Was es bedeute, wenn der Boden unter den Füßen wegbricht, könne sie nun noch besser nachvollziehen. Sie hat ihre Herausforderung als persönliches „Lernfeld“ angenommen, das sie mit einem klaren Ziel bearbeiten möchte: „Nicht das Tempo ist entscheidend – auf die Richtung kommt es an, und die heißt Vorwärts“.

Barbara Rolf hat der Versuchung widerstanden, alles hinter sich zu lassen. Sie führt stattdessen ihr Unternehmen weiter, das sie vor acht Jahren gegründet hat. Ihr Umgang mit den Verstorbenen hatte sie damals rasch zur gefragten Gesprächspartnerin gemacht; Anfragen von Hörfunk, Fernsehen, Zeitungen und Diskussionsrunden häuften sich. „Dabei mache nicht nur ich gute Beerdigungen“, sagt sie, und eine „Event-Bestatterin“ sei sie schon gar nicht. Doch in einer Branche, die meist im Verborgenen agiere, habe ihre offene Haltung für Aufsehen gesorgt. Rolf plädiert dafür, sich viel Zeit beim Herrichten einer Leiche zu nehmen; sie ermuntert Angehörige zum Mithelfen und lädt zu Nachfragen ein; sie ermöglicht einen würdevollen Abschied auch in jenen Fällen, wo Kollegen den Sargdeckel am liebsten sofort schließen würden. Statt ein teures Totenhemd in Rechnung zu stellen, möchte die Geschäftsfrau für ihren letzten Dienst an einem Menschen bezahlt werden. „Die Branche muss umdenken“, sagt die Theologin, sonst werde die Bestattung künftig eben im Internet gebucht. Die Forderung nach mehr Transparenz habe zunächst durchaus Gegenwind entfacht, erinnert sie sich, inzwischen überwiege aber auch im Kollegenkreis ein positives Feedback.

Mit Zuversicht ins neue Jahr

Noch sind ihre Batterien nicht vollständig aufgeladen; dessen ist sich Barbara Rolf bewusst. Dennoch will sie mit Zuversicht ins neue Jahr gehen. Für ihren Jahreskalender hat sie Wegbegleiter um deren Geschichten von Abschied und Aufbruch gebeten. Das Motto dieser Sammlung: „Mutige Schritte“.

Serie
Alle Jahre wieder stellt die Redaktion der Filder-Zeitung in dieser Serie ganz unterschiedliche Menschen vor, die in den zurückliegenden zwölf Monaten etwas Besonderes – sei es in positivem oder negativem Sinn – erlebt haben.