"Jakob" ist das erste Buch, das die Prüfer an der Filmakademie Baden-Württemberg als Diplomarbeit anerkannt haben.

Ludwigsburg - Der Tod war da, aber Jakob hat ihn verpasst. Als der kleine Junge eines Morgens erwacht, ist seine Mutter fort. Er sieht zwar noch die Sargträger einen Feldweg entlang fort vom Haus gehen, aber er begreift nicht, was er da sieht. In der gerade erschienenen Graphic Novel "Jakob" geht es nun darum, wie gerade das Nichtverstandene, die Lücke, die unverwirklichbare Utopie ein ganzes Leben prägen. Jakob wird sich auf die Suche nach seiner Mutter, dem Allerwichtigsten, machen. Er wird sich mit sprechenden Tieren unterhalten, aber ihre Ratschläge nicht richtig verstehen, er wird auf deutliche Zeichen von Vergänglichkeit stoßen und sie doch so konsequent ignorieren, dass wir ihn selbst immer weiter als Kind sehen, obwohl die Bilder nahelegen, dass um ihn nicht Minuten und Stunden, sondern Jahre und Jahrhunderte vergehen. Wir befinden uns in einem Märchenland, aber keinem kuscheligen. Dieses in zarte Bilder gefasste herbe Fantasiereich kennt unter anderem die düstere Lebensweisheit der Grimm'schen Märchen, die spottlustige Bedrohlichkeit von Kafkas Parabeln und die leichthändigen Motivspinnwebereien der Comics von Neil Gaiman.

Der Comic verzichtet auf Tradition


So zielgenau zwischen alle Stühle wie der Autor Benjamin Schreuder und der Autor und Zeichner Felix Mertikat kann man sich nur mit Absicht setzen. Die beiden Studenten der Ludwigsburger Filmakademie legen ein Buch vor, das in seiner Traurigkeit durchaus beglückend zu lesen ist, das aber Gefahr läuft, auf dem Buchmarkt mangels Etikettierbarkeit verloren zu gehen. Denn "Jakob" ist ein Comic, der auf die traditionelle Kästcheneinteilung verzichtet, der den Blick weniger streng lenkt, der den seltsamen Zeitverlauf in seiner Welt auch dadurch betont, dass er uns die Seiten als Ganzes anbietet, dass er Gleichzeitigkeit und Gleichwertigkeit des Gezeigten suggeriert. Groß und Klein haben dieselbe Bedeutung, und die Vergangenheit könnte auch schon wieder die Zukunft sein. Denn Geschichten wie die von Jakob, Geschichten vom sich verirrenden Leben, kommen dauernd vor.

"Jakob": Ein gedruckter Film für Erwachsene


"Jakob" sieht oft aus wie ein Bilderbuch mit Sprechblasen. Aber es ist zwar die Geschichte eines Kindes, aber keine Kindergeschichte, sondern Erwachsenenlektüre. Graphic Novel, dieser englische Begriff, der oft ungenau für jeden dickeren Comic mit halbwegs zusammenhängender Story verwendet wird, scheint für Werke dieser Art erfunden worden zu sein. Wobei man "Jakob" nicht als bebilderte Literatur definieren muss, man könnte auch die Bezeichnung "gedruckter Film" verwenden.

Als solchen hat ihn jedenfalls die Filmakademie Baden-Württemberg akzeptiert. Denn "Jakob" ist das erste Buch, das die dortigen Prüfer als Diplomarbeit anerkannt haben, wenn auch aufgrund der Statuten, die für eine Arbeit nicht mehrere Diplome vorsehen, nur für Felix Mertikat. Benjamin Schreuder wird, auch wenn die beiden Autoren beteuern, die Beiträge zu "Jakob" ließen sich nicht dividieren, ganz regulär zur Prüfung noch ein eigenes Drehbuch vorlegen müssen.