Im Stuttgarter Filmtheater 451 wird über TV-Qualität geredet. Auch Dominik Graf nimmt teil.

Stuttgart - Dass einer nach Jahrzehnten der Arbeit fürs deutsche Fernsehen noch einmal kreative Unruhe auslöst, ist eher die Ausnahme. Man hat sich ja eingerichtet. Man hat gelernt, die Quoten, die Budgetbeschränkungen, die Bequemlichkeit der Zuschauer und die Verstocktheit der Redaktionen von vornherein als Sperrverhaue zu betrachten, die nur auf den ausgewiesenen Schleichpfaden durchquerbar sind. Der Münchner Dominik Graf, mittlerweile 59 Jahre alt, ist ein TV-Veteran. Trotzdem hat er vergangenes Jahr mit einer Fernsehproduktion sogar die Berlinale aufgemischt. Viele Kritiker schrieben ausführlicher und hymnischer über Grafs eher nebenbei gezeigte zehnteilige Serie „Im Angesicht des Verbrechens“ als über irgendeine Kinoproduktion im sonst so ruhmreichen Wettbewerb.

 

Dominik Graf ist also der ideale Stargast für eine Veranstaltung, die Marc Hug von der Stuttgarter Videothek Filmgalerie 451 eingefädelt hat. Vom kommenden Samstag an bis zum 2. Dezember zeigt Hug unter dem Titel „Viva La Television?“ im Filmtheater 451, dem Videobeamerkino in der Türlenstraße, kritische Filme über das Fernsehen und Produktionen des Fernsehens. An einigen Abenden hat er dazu auch Gäste eingeladen.

Zum Auftakt am Samstag gibt es um 18 Uhr den an der Hochschule der Medien entstandenen Kurzfilm „Dein neues Leben“ zu sehen, anschließend diskutieren der Regisseur Didi Danquart und die Autorin Leonie Breinersdorfer, die beide für die Serie „Soko Stuttgart“ arbeiten, unter anderem mit dem Theaterhaus-Macher Werner Schretzmeier, der in den Siebzigern die ungewöhnliche Serie „Goldener Sonntag“ mit Hanns-Dieter Hüsch produziert hat.

Auch der Tatort ist dabei

Eine Kostprobe von „Goldener Sonntag“ wird am Sonntag ab 18 Uhr gezeigt, anschließend gibt es zwei klassische Arbeiten von Dominik Graf zu sehen, die „Tatort“-Folge „Frau Bu lacht“ und die „Polizeiruf“-Folge „Der scharlachrote Engel“. Am Mittwoch, 30. November, wird Graf dann mit Andreas Schreitmüller, dem Leiter des Bereichs Spielfilme und Serien bei Arte, dem Dozenten Hans Beller sowie der Produzentin Gloria Burkert über Mögliches, Unmögliches und Beklagbares im Fernsehen diskutieren.

Graf war nie ein Kinosnob, der das Fernsehen als Medium zweiter Wahl sah. Im Gegenteil, an sein Studium an der Hochschule für Fernsehen und Film in München, die stark aufs Autorenkino ausgerichtet war, erinnert sich Graf als Zeit des Zweifels und der Niederlagen. Er war ganz und gar nicht zufrieden mit dem, was er da zustande brachte.

Das Selbstvertrauen fand Graf erst wieder, als er bei der Bavaria die Chance erhielt, einige Folgen der Krimiserie „Köberle kommt“ zu drehen. Seit damals hält der Regisseur die Arbeiten innerhalb von Genregrenzen für die Rettung des Künstlers vor sich selbst, für die Befreiung vom verkrampfenden Anspruch, etwas Bedeutendes und Unverwechselbares vorlegen zu müssen. Graf wurde zum Krimispezialisten, der gegen die deutschen Krimigewohnheiten rebellierte, der in der Serie „Der Fahnder“ wie in den Kinofilmen „Die Katze“ (1988) und „Die Sieger“ alles schneller und härter haben wollte, die Dialoge lebendiger, die Figuren abgründiger.

Man hat ihn oft als einen verstanden, der in amerikanische Erzählmuster vernarrt sei, was allenfalls halb wahr ist. Graf hat mit Elementen der amerikanischen und französischen Kinotradition immer von Deutschland erzählen wollen.

Sein Berlinale-Triumph „Im Angesicht des Verbrechens“ ist als erstes deutsches Gegenstück zur neuen Serienkultur aus den USA gepriesen worden, über die Christoph Dreher von der Merz-Akademie am Donnerstag, 1. Dezember, im Filmtheater sprechen wird. „Im Angesicht des Verbrechens“ wurde bei seiner TV-Ausstrahlung trotzdem zum Quotenflop. Graf selbst hat darauf hingewiesen, dass das Normalangebot des Fernsehens die Zuschauer dazu gebracht habe, auf Neues mit Verstörtheit und Ablehnung zu reagieren.