Es gibt ein paar fertige Muster, nach denen man die Geschichte junger Ökoterroristen erzählen könnte. Aber Kelly Reichardts Film über Idealisten, die einen Staudamm sprengen, ist zu klug, um Klischees zu benutzen. Er zeigt, wie aus guten Absichten Horror entsteht.

Stuttgart - Irgendwas muss man doch tun, das darf doch so nicht weitergehen: aufwallende Empörungen kennen wir alle. Bei manchen Menschen wird sie gar zum Grundgefühl der Existenz. Josh, Dena und ein paar andere sind junge Aussteiger aus dem Mainstream-Amerika, deren Leiden an den Zuständen aber nicht mit Online-Petitionen gegen den Krieg, die Massentierhaltung oder die Regenwaldabholzung zu lindern ist.

 

Josh (Jesse Eisenberg), der in einer Ökokommune lebt, will wirklich etwas tun, auch, um Dena (Dakota Fanning) zu gefallen, die er liebt, ohne es ihr sagen zu können. Und so erzählt Kelly Reichardts Spielfilm „Night Moves“ vom Phänomen des Aktivismus und der Radikalisierung. Geredet wurde schon lange genug, denken sich die Figuren in diesem Thriller der etwas anderen Art. Jetzt braucht es einen Knall, der nicht so leicht verhallt wie Worte. Um auf die Umweltzerstörung aufmerksam zu machen, wollen sie in Oregon im Nordwesten der USA einen Staudamm sprengen.

Jenseits der Beruhigungslügen

Dass das keine gute Idee ist, schon gar nicht, wenn der vorbestrafte Harmon (Peter Sarsgaard) mit von der Partie ist, daran lässt „Night Moves“ keinen Zweifel. Aber die nicht nur in ihrem Western „Meek’s Cutoff“ durch den inspirierten Umgang mit Genremotiven aufgefallene Regisseurin Kelly Reichardt zeigt das Kriminellwerden des Idealismus nicht als klaren Übertritt in ein finsteres Reich voll fanatischer Dunkelmänner, tickender Zeitzünder und mordbereiter Konspirationen – auch wenn just diese brisante Mischung bald auf die Figuren wartet.

Aber der Übertritt ist ein allmählicher, er führt in keine Unterwelt, sondern in eine Leere, in einen gesellschaftlichen Raum, in dem Status-Quo-Lügen keine Kraft mehr haben, in dem aber auch alternative, friedliche Hoffnungen nicht mehr aufkeimen wollen.

Wut und Wegschauen

Die Verschwörer kaufen für ihre Aktion ein gebrauchtes Boot. Wie sie sich als Paar auf der Suche nach einem Freizeitgerät auszugeben versuchen, das wird die Travestie der Normalität. Dass die beiden nicht sind, was sie zu sein vorgeben, fällt auch dem Verkäufer auf. Aber die bürgerliche Welt will hier nicht wahrhaben, was an Wut aus ihr hervorgehen könnte.

Kelly Reichardt zeigt besser, sachter und unspektakulärer als mancher RAF-Film, wie der gute Wille böse Taten gebiert. Die Charaktere folgen keiner Schablone, werden aber auch nicht geschönt. Immer enger, fiebriger, aggressiver wird ihr konspiratives Minisoziotop, und am Ende sitzt man hilflos vor der Leinwand, weil man ihnen heraushelfen möchte. Und das Gefühl ist wieder da: etwas muss man doch tun. Oder?

Night Moves. USA 2013. Regie: Kelly Reichardt. Mit Jesse Eisenberg, Dakota Fanning, Peter Sarsgaard. 112 Minuten. Ab 12 Jahren.