Ein vom SSB-Aufsichtsrat bestellter Gutachter bestätigt die Kritik der Arbeitsdirektorin Sabine Groner-Weber an ihrem Vorgänger. Die Bezüge von Betriebsräten seien viel zu hoch gewesen.

Stuttgart - Der Vorstand der Stuttgarter Straßenbahnen (SSB) AG soll seit 2006 drei freigestellte Betriebsratsmitglieder und den Vertreter der Schwerbehinderten durch überhöhte Vergütungen unzulässig begünstigt und damit gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen haben. Ob das Fehlverhalten auch strafrechtliche Folgen hat und die Verantwortlichen zumindest für Teilbeträge in Regress genommen werden können, sei offen. Zu diesem Schluss ist nach Informationen dieser Zeitung ein vom Aufsichtsrat der städtischen Tochterfirma beauftragter Gutachter gekommen.

 

Aus dem Aufsichtsgremium verlautete zudem, die neue Arbeitsdirektorin Sabine Groner-Weber sei in ihrem Vorgehen bestätigt worden. „Frau Groner-Weber hat richtig gehandelt“, betonte Aufsichtsratschef Fritz Kuhn (Grüne) auf StZ-Anfrage. Der OB hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe auf eine Begutachtung bestanden. Groner-Weber war im Sommer 2016 zur Erkenntnis gelangt, ihr Vorgänger Reinhold Bauer habe zu hohe Vergütungen gewährt. Sie strich daraufhin den Begünstigten die Bezüge radikal zusammen und verpflichtete sie zur Rückzahlung des nicht gerechtfertigten Gehaltsanteils für die letzten sechs Monate. Entdeckt wurde die hohe Entlohnung für Belegschaftsvertreter wie den Betriebsratschef Klaus Felsmann, der als gelernter Busfahrer mit fast 100 000 Euro pro Jahr dreimal mehr verdient haben soll als zulässig, durch die Forderung nach weiterer Anhebung der Bezüge.

Betriebsräten wurden die Bezüge gekürzt

Die Betriebsräte fühlen sich ungerecht behandelt. Die Vereinbarung sei seinerzeit von Juristen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite für in Ordnung befunden worden. Die Einstufungen, Pauschalen und Ausgleichszahlungen seien wegen des hohen Arbeitsaufwands angemessen gewesen. Moniert wurde auch das Vorgehen Groner-Webers. Die Kritik hat man am vergangenen Freitag bei einem Gütetermin am Arbeitsgericht Stuttgart erneuert. „Knall auf Fall“ sei damals entschieden worden, hieß es. Es habe keine Chance zum Widerspruch gegeben. Betont wurde auch, noch immer keinen Einblick in das Gutachten der Anwaltskanzlei Gleiss Lutz bekommen zu haben, auf dessen Grundlage die Umgruppierungen vorgenommen wurden.

Betriebsratstätigkeit ist ein Ehrenamt

Die Betriebsratstätigkeit gilt als anspruchsvoll, sie bleibt zur Stärkung der Unparteilichkeit dennoch ein Ehrenamt. Der Gesetzgeber sieht aber das Entgeltausfallprinzip vor. Der Betriebsrat wird so bezahlt, als ob er seine bisherige Arbeitsleistung erbracht hätte. Weil er sich aber mit zunehmender Dienstzeit von seiner ursprünglichen Arbeit und dem Arbeitsplatz entfernt und er sich nicht mehr seiner Karriere im Unternehmen widmen kann, soll eine hypothetische Betrachtung für einen gerechten Ausgleich sorgen. Man betrachtet die „normale“ berufliche Entwicklung vergleichbarer Arbeitnehmer und stuft Betriebsräte dann entsprechend ein. Extrem hypothetische Karriereverläufe sollen so ausgeschlossen werden. Im konkreten Fall war es bei den SSB lange Jahre als üblich angesehen worden, dass Busfahrer in die dritte Führungsebene aufsteigen könnten.

Die Annahme der Begünstigung ist nicht verboten. Für die Betriebsräte wäre nur dann eine Strafbarkeit gegeben, wenn sie den Vorstand dazu aufgefordert hätten. Das wird zu klären sein. Ob sie noch tragbar sind, wird wohl die SSB-Belegschaft 2018 bei der nächsten Betriebsratswahl entscheiden. Die Betroffenen haben stets erklärt, sie hätten sich nichts vorzuwerfen. Ihr Gehalt entspreche ih-rer Qualifikation. Allerdings erhalten etwa die in der Entgeltgruppe F gelisteten Busfahrer nur bis zu 3000 Euro im Monat. Der seit 2004 an der Spitze des Betriebsrats stehende Felsmann soll aber in E 12 eingruppiert worden sein, in der man bis zu 5300 Euro verdient. Die Differenz zum letztlich gewährten Monatsgehalt von etwa 8000 Euro setzte sich laut Groner-Weber aus unzulässigen Pauschalbeträgen und Aufwandsentschädigungen zusammen, die deshalb gestrichen wurden. Beim Gütetermin wurde öffentlich, dass die Räte nun in die Entgeltgruppe 8 zurückgestuft wurden (rund 3700 Euro).

Keine gütliche Einigung vor Gericht

Auf eine gütliche Einigung (in Entgeltgruppe 10, was 4400 Euro entspricht), hoffte der Vorsitzende Richter der 14. Kammer vergebens. Die Vertreterin des SSB-Vorstands verwies – wie auch Groner-Weber – auf den fehlenden Handlungsspielraum bei der Entlohnung.

Betriebsräte und die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi dürften ihre Haltung bestätigt sehen. Sie haben von Anfang an die „einseitige Festlegung der Vergütung“ als unfair bezeichnet und betont, man müsse doch Argumente austauschen können. Verdi wertete den Fall daher als „grobe Verletzung der Betriebskultur“.

Betriebsratsbegünstigung ist eine Straftat, die auf Antrag verfolgt wird und deshalb laut Experten kein taugliches Mittel sei, unzulässige Vergütungen zu verfolgen. Bedeutender sei eine mögliche Strafbarkeit der Untreue. Liegt diese vor, begründet sie einen Schadensersatzanspruch der SSB gegen drei Vorstände, von denen nur noch Wolfgang Arnold im Amt ist. Ausgeschieden sind Jörn Maier-Berberich und der Hauptbeteiligte Reinhold Bauer, Arbeitsdirektor von 1995 bis 2015. Alle drei haben nach StZ-Informationen im Dezember eine Vereinbarung unterschrieben, die eine Verjährung etwaiger Ansprüche verhindert. Andernfalls hätten sie einen Mahnbescheid erhalten. Die Rede ist von überhöhten Zahlungen von 170 000 Euro pro Jahr seit 2006. Offenbar kann nur für jene drei Jahre Schadensersatz eingeklagt werden, in denen die Gehälter ohne anwaltliche Hilfe vereinbart worden seien.