Manche Stuttgart Bürger müssen sich in Geduld üben, was ihren Steuerbescheid angeht. Bei vier bis fünf Monaten liegt die Bearbeitungszeit der Finanzämter derzeit. Das Hauptproblem liegt nicht in Stuttgart – sondern in Biberach.

Stuttgart - Die alljährliche Steuererklärung gehört für die meisten Bürger nicht zu den luststeigernden Tätigkeiten. Und viele, die nach der Abgabe ihrer Unterlagen beim Finanzamt eine baldige Steuerrückerstattung erwarten, müssen zurzeit dann auch noch sehr viel Geduld aufbringen, bis sie Post vom Amt bekommen: Vor allem wegen Personalengpässen trudeln die Steuerbescheide der Stuttgarter Finanzämter gegenwärtig einige Monate später ein, als dies sonst der Fall ist.

 

„Aktuell bearbeiten wir Steuererklärungen, die bereits Anfang Juli 2013 eingereicht wurden. Die langen Bearbeitungszeiten bitten wir zu entschuldigen.“ Mit diesem Hinweis auf der Internetseite des Finanzamts Stuttgart I werden die Antragsteller darauf eingestimmt, dass sie nicht so schnell mit einem Steuerbescheid rechnen können. „Zurzeit haben wir eine Bearbeitungszeit von vier bis fünf Monaten“, sagt Jürgen Lieven. Der Leiter des Finanzamts I räumt ein: „Das ist lang, zu lang.“ Üblicherweise vergehen nur zwei bis drei Monate, ehe der Steuerbescheid nach Abgabe der Unterlagen vorliegt.

Probleme in den Außenstellen der Finanzämter

Betroffen von den langen Bearbeitungszeiten ist die Gruppe der Antragsteller in der sogenannten Arbeitnehmerveranlagung, kurz ANV. Das sind Personen, deren Einkünfte nur aus nicht selbstständiger Arbeit stammen und die auch keine weiteren Einnahmen durch Kapitaleinkommen oder Immobilien haben. Im Finanzamt I, einem von sechs in Stuttgart, sind das 30 000 Fälle im Jahr. Dazu kommen weitere 46 000 Einkommensteuerfälle, deren Bearbeitung deutlich schneller erfolgt.

Warum aber geht derzeit gerade die Abarbeitung der einfachen Fälle so schleppend voran? Der Hauptgrund dafür: im Jahr 1992 haben die Stuttgarter Finanzämter wegen Personalmangels Arbeit ausgelagert, das Finanzamt I eben jene ANV-Fälle komplett nach Biberach. „Das ist unsere Problemzone“, sagt Jürgen Lieven. In Biberach arbeiten zehn Mitarbeiter, was, verglichen mit den gut 70, die im Amt I in diesem Bereich der Steuerverwaltung tätig sind, eine „dünne Personaldecke“ sei. Wenn in dieser Situation Personal ausfällt, etwa wegen einer Pensionierung, wegen Mutterschutzes oder Kündigung, und die Nachbesetzung wie in den Finanzämtern üblich erst spät im Jahr möglich ist, bildet sich schnell eine Bugwelle unerledigter Fälle.

Die Zahl der Fälle steigt

In dieser misslichen Lage sind auch andere Ämter. So hatte das Finanzamt II, das eine ausgelagerte Sachbearbeitung in Öhringen mit derzeit noch fünf von ehemals zwölf Mitarbeitern unterhält, ebenfalls erhebliche Rückstände zu bewältigen. Durch den enormen Einsatz der Mitarbeiter sei es aber gelungen, diese weitgehend abzubauen, sagt Amtsleiter Klaus Siebrand. Auf der Internetseite des Finanzamts II, das insgesamt auch etwa 76 000 Steuerfälle zu bearbeiten hat, ist der Hinweis auf die längeren Wartezeiten Anfang des neuen Jahres jedenfalls wieder verschwunden.

Klaus Siebrand verweist wie sein Kollege Jürgen Lieven aber darauf, dass die Zahl der Steuerfälle im Arbeitnehmerbereich auch aus anderen Gründen gestiegen sei. „Bei uns lag die Zunahme 2013 zwischen fünf und sechs Prozent“, sagt Lieven. So werden vermehrt Rentner steuerpflichtig, weil seit 2005 der Anteil der Altersbezüge steigt, der versteuert werden muss. Dies verstärkt sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch. Dann wirke sich aus, dass durch die gute Konjunktur die Beschäftigung zunehme. Überdies müssen immer mehr Menschen eine Steuererklärung abgeben, weil sie auch Nebeneinkünfte wie Mieteinnahmen oder Kapitalerträge haben. Anders als zu Zeiten des Lohnsteuerjahresausgleichs, auf den viele Bürger, die nicht zu einer Steuererklärung verpflichtet waren, früher verzichtet haben, wissen die Bürger heute, welche Ausgaben sie steuerlich absetzen können und welche nicht.

Land will mehr Personal in der Finanzverwaltung

Dieser Entwicklung begegnet die Landesregierung mit einem Stellenaufbauprogramm. Doch das brauche Zeit, sagt Klaus Siebrand. So sollen im Herbst in der Steuerverwaltung der Region 50 Ausbildungsplätze besetzt werden. Die organisatorische Trennung von Hauptstellen und ausgelagerten Sachgebieten hält er „auf Dauer nicht für sinnvoll“. Weil dies einstweilen aber so ist, setzt Jürgen Lieven auf organisatorische Veränderungen und mehr Personal, so dass auch im Finanzamt I der Rückstau bis zum Ende des ersten Quartals abgearbeitet sein soll. Lieven: „Die Arbeitnehmerfälle mit dem Buchstaben F werden wieder in Stuttgart bearbeitet.“

Steuererklärung als Pflicht oder per Antrag

Zuständigkeit In Stuttgart gibt es sechs Finanzämter. Die beiden ersten sind zuständig für die Antragsteller mit den Anfangsbuchstaben A bis H beziehungsweise I bis R. Das Finanzamt III bearbeitet die Stuttgarter Fälle S bis Z und die Steuererklärungen aus Waldenbuch, Steinenbronn, Leinfelden-Echterdingen, Filderstadt sowie aus den Ostfilderner Ortsteilen Kemnat und Ruit. Das Finanzamt IV ist für die Kraftfahrzeugsteuer zuständig. Zwei weitere Ämter kümmern sich um die Besteuerung von Körperschaften und Konzernen.

Pflichtveranlagung Im Einkommensteuergesetz wird zwischen Pflichtveranlagung und Antragsveranlagung unterschieden. Zur Abgabe einer Steuererklärung ist verpflichtet, wer Einkünfte ohne Lohnsteuerabzug etwa aus einer Vermietung oder Verpachtung von mehr als 410 Euro bezieht, wer Elterngeld bekommt, wer mehrere Arbeitslöhne nebeneinander hat oder auf seiner Lohnsteuerkarte einen Freibetrag eintragen lässt.