Der Länderfinanzausgleich bittet vorwiegend die südlichen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern zur Kasse – doch auf vielen weiteren Ebenen fließt Geld zwischen den Ländern.

Stuttgart - Der Länderfinanzausgleich – muss man dazu noch was sagen? 1,8 Milliarden Euro flossen aus dem Südwesten vergangenes Jahr unter dieser Überschrift ab. In den zurückliegenden zehn Jahren waren es mehr als 20 Milliarden Euro. Was hätte man mit dem Geld alles machen können? Erzieherinnen weiterqualifizieren, Hochschulgebäude sanieren, Landesstraßen flicken, Schulden tilgen . . .

 

Dabei sind die Bayern die Hauptzahler. Darum wollen sie dem Umverteilungsspiel auch vor dem Bundesverfassungsgericht bald ein Ende bereiten. Die grün-rote Landesregierung schließt nicht aus, sich einer Klage in Karlsruhe anzuschließen. Vorläufig setzt sie aber noch auf Verhandlungen mit dem Ziel, nicht nur den komplizierten Mechanismus des Länderfinanzausgleichs überarbeitet zu bekommen, sondern das ganze Gestrüpp föderaler Finanzbeziehungen auszulichten. Das könnte sich für Baden-Württemberg lohnen. Denn neben dem Länderfinanzausgleich gibt es andere – offene oder versteckte – Verschiebungen.

Umverteilung auch bei der Sozialversicherung

Einigermaßen transparent ist noch, was Baden-Württemberg der Umsatzsteuerausgleich kostet. Das waren vergangenes Jahr 1,4 Milliarden Euro, in den vergangenen zehn Jahren insgesamt gut 14 Milliarden. Der Umsatzsteuerausgleich ist vor dem Länderfinanzausgleich die erste Stufe im Bemühen, die Finanzkraft der Bundesländer anzugleichen. Auch hier blutet Bayern stärker als Baden-Württemberg, am heftigsten aber Nordrhein-Westfalen.

Umverteilung findet auch im System der Sozialversicherung statt, also in der Krankenversicherung, bei der Rente oder in der Arbeitslosenversicherung. Erwin Teufel, der ehemalige Ministerpräsident des Landes, war überzeugt davon, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber im Land viel Geld sparen könnten, wenn die gesetzliche Krankenversicherung auf Länderebene organisiert würde. Er war sich bewusst, dass diese Idee nicht durchzusetzen ist. Aber schon bei ihm regte der Ärger darüber, zusehen zu müssen, wie Wohlstand aus dem Land abfließt, die Fantasie an.

Einnahmen der Kassen fließen in den Fonds

Seither ist es nicht besser geworden. Im Gegenteil. Als der bundeseinheitliche Gesundheitsfonds eingeführt wurde, verloren die Krankenkassen die meisten ihrer Steuerungsmöglichkeiten. Die wichtigste war der Beitragssatz. Er gilt nun prinzipiell bundeseinheitlich. Die Einnahmen der gesetzlichen Kassen fließen in den Fonds. In Ländern, in denen die Beschäftigung und auch das Lohnniveau hoch ist, kommt überdurchschnittlich viel dort hinein. In Baden-Württemberg zum Beispiel. In den Zeiten vor dem Fonds konnten die Kassen mit diesem Geld selbst wirtschaften. Jetzt ist es ihrem Zugriff entzogen.

Dass es über den Gesundheitsfonds zu Umverteilungen zwischen den Ländern kommen würde, ahnte der Gesetzgeber. Deshalb baute man – auf Druck der „Geberländer“ Bayern und Baden-Württemberg – eine Konvergenzklausel ein. Sie sollte den Abfluss von Mitteln aus einem Land bei 100 Millionen Euro im ersten und 200 Millionen Euro im zweiten Jahr wenigstens deckeln. Das Bundesversicherungsamt (BVA) als Aufsichtsbehörde des Gesundheitsfonds wiegelt ab. Die Zahlen zeigten, „dass die zum Teil behaupteten milliardenschweren Belastungen einzelner Bundesländer durch den Gesundheitsfonds nicht der Realität entsprechen“, so BVA-Chef Maximilian Gaßner. 2009 zum Beispiel hätten Krankenkassen mit Versicherten in Bayern durch den Gesundheitsfonds sogar 3,4 Millionen Euro mehr bekommen. Ausnahme: Baden-Württemberg. Die Kassen dort erhielten seinerzeit 142,7 Millionen Euro weniger. Dank des Deckels waren wenigstens nur hundert Millionen futsch, 42,7 Millionen gab es vom Fonds zurück.

Mehr Geld soll im Land bleiben

Bayern und Baden-Württemberg trauen diesem Frieden aber nicht. Die Regierungen der beiden Länder kamen im Herbst überein, gutachterlich prüfen zu lassen, wie sich der Gesundheitsfonds regional auswirkt. Ziel von Baden-Württembergs Katrin Altpeter (SPD) und ihrem damaligen bayerischen Kollegen Markus Söder (CSU): „Es müssen wieder mehr Beitragsgelder im Süden Deutschlands bleiben.“

Die Umverteilungseffekte der Arbeitslosenversicherung sind Gegenstand einer Studie, die erst vor wenigen Wochen am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) fertig gestellt wurde. Kerstin Bruckmeier ist die Autorin. Sie arbeitet am Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Public Management bei Professor Berthold Wigger, aber auch am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, einer Forschungseinrichtung der Bundesagentur für Arbeit.

Eine ihrer Folgerungen: „Durch die regionale Umverteilung leistet die Arbeitslosenversicherung einen wichtigen Beitrag zum verteilungspolitischen Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen zu gewährleisten.“ Das ist aber gar nicht ihre Aufgabe. Bruckmann hat das System zu zwei Zeitpunkten untersucht, 2003 und 2007 – vor und nach der Arbeitsmarktreform. Man erinnert sich: Langzeitarbeitslose werden seitdem nicht mehr aus dem Haushalt der Bundesagentur finanziert, sondern aus Steuermitteln. Hartz IV entstand. Die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik werden anders eingesetzt.

Und Baden-Württemberg zahlt dabei

2003, so hat die Wirtschaftswissenschaftlerin berechnet, „zeigt sich ein durch die Arbeitslosenversicherung organisierter regionaler Ausgleich von Finanzmitteln in Höhe von 9,4 Milliarden Euro“. So hoch ist der regional ausdifferenzierte Saldo aus Beitragseinnahmen und Leistungsausgaben – mehr also als durch den Länderfinanzausgleich bewegt wurden. Das waren seinerzeit 6,6 Milliarden Euro.

Und wer zahlt dabei? Man ahnt es schon: natürlich Baden-Württemberg. Auch hier trägt der Südwesten mit Hessen und Bayern den größten Teil der Last, auf Einwohner umgerechnet sogar mit Abstand am meisten. Bruckmeiers Daten zufolge flossen im Jahr 2003 je Einwohner 201 Euro mehr an Beitragszahlungen ab als an Leistungen hereinkamen. In Hessen waren es 136 Euro, in Bayern 107. Demgegenüber wurden in Mecklenburg-Vorpommern je Einwohner 710 Euro mehr Leistungen bezogen.

Baden-Württemberg hat aber von den Hartz-Reformen profitiert. Denn 2007 wurden laut Bruckmeier in dem System nur noch 1,9 Milliarden Euro umgeschichtet. Der Pro-Kopf-Saldo für den Südwesten sank auf 150 Euro. Das reicht nach wie vor zum Spitzenplatz. Was die Menschen im Land kaum beruhigen dürfte: Das Ausgleichsvolumen wird, so analysiert Bruckmeier, „bei einem starken Anstieg der Arbeitslosigkeit wieder zunehmen“.