Der „Musterkreis im Musterländle“, wie der Alt-Landrat Horst Lässing den Rems-Murr-Kreis einst gerne bezeichnet hat, hat bei allem Respekt vor der Kreishauptstadt Waiblingen vor allem eine Vorzeigekommune: Fellbach. So jedenfalls sehen es die Verantwortlichen im Rathaus und wohl auch die meisten der 46 000 Einwohnerinnen und Einwohner, ausgestattet mit einem soliden Selbstbewusstsein. Der geflügelte Begriff hierfür ist der „Fellbacher Standard“ als Ausweis für eine offenkundig vorbildliche Infrastruktur.
Personalkosten in noch nie dagewesener Höhe
Doch dieses anderorts beneidete Niveau ist gefährdet. Das ergibt sich aus den aktuellen Haushaltsberatungen. Der Grund sind geringere Einnahmen, viele Ausgaben, Schulden von demnächst 82 Millionen Euro. „Die finanziellen Spielräume sind vollständig ausgereizt“, sagte der CDU-Fraktionschef Franz Plappert, „die Verschuldung nimmt zu, die Abschreibungswerte werden nicht erwirtschaftet, und die Personalkosten erreichen noch nie dagewesene Höhen.“ Bis zum Frühjahr müsse die Verwaltung ein Konzept vorlegen, wie „die strukturellen Schwächen reduziert werden können“. Und: „Der berühmte ,Fellbacher Standard’ ist ausdrücklich zu hinterfragen.“
Sparmaßnahmen sind „zu wenig innovativ“
Noch schärfer waren die beiden Fraktionschefs der Freien Wähler/Freien Demokraten, Martin Oettinger und Ulrich Lenk. Die geplanten Sparmaßnahmen seien „zu wenig innovativ“, es „mangelt an der notwendigen Weitsicht“. Ein Kritikpunkt insbesondere in Richtung von Baubürgermeisterin Beatrice Soltys betrifft den geplanten Neubau des Feuerwehrhauses.
Das Areal im Osten der Kernstadt steht längst fest. Doch die Kosten sind FW/FD deutlich zu hoch: „Mit einer nunmehr abgespeckten Version sprechen wir immer noch von über 30 Millionen Euro. Gestartet sind wir einmal bei knapp unter 20 Millionen“, erklärte Oettinger.
Die Fraktion bekenne sich zwar „ausdrücklich zum Engagement der Freiwilligen Feuerwehr in Fellbach“. Doch es stelle sich schon die Frage, „ob diese Kosten dem oft erwähnten ,Fellbacher Standard’ geschuldet sind, oder ob es nicht auch eine Nummer kleiner geht“. Ebenso umstritten ist bei der mit elf von 32 Sitzen größten Fraktion des Lokalparlaments der geplante Neubau der dreiteiligen Interimssporthalle neben der schwer sanierungsbedürftigen Gäuäckerhalle. Von Verwaltungsbeteuerungen nach dem Motto „das geht überhaupt nicht“ will Oettinger nichts mehr hören: „Diese Halle wird mit 15 Millionen Euro veranschlagt, während andere Kommunen im Landkreis eine zweiteilige Halle für rund 4,5 Millionen bauen können.“ 12 Millionen seien das Maximale.
Die prognostizierten Kosten für den Feuerwehr-Neubau hält die SPD hingegen für glaubwürdig. Die vorgesehenen Investitionen für die Häuser in Oeffingen und Fellbach „unterstützen wir trotz des erheblichen Volumens von über 30 Millionen Euro“, erklärte der Fraktionschef Andreas Möhlmann. Denn: „Es geht um unsere Sicherheit.“
Ein weiteres Thema, das von allen Rednern angesprochen wurde, war der Klimaschutz. „Wir müssen Fellbach zur Schwammstadt ausbauen“, forderte Agata Ilmurzynska (Grüne). Einiges sei schon umgesetzt, lobte die Fraktionschefin, etwa bei den sechs neu gesetzten Bäumen samt Begleitbepflanzung auf dem Vorplatz des F3-Kombibads. Eine Anregung zur künftigen Großbaustelle, der Neuen Mitte Fellbach, hatte sie auch: „Wie wäre es, in Fellbach ein Bächlein zu haben?“ Denn das Areal direkt neben dem Rathaus „darf keine Betonwüste werden, die Neue Mitte braucht viel Grün – dazu passt ein Wasserlauf hervorragend“. Photovoltaik in Weinbergen oder auf dem Dach der Schwabenlandhalle sind ebenfalls grüne Visionen. Und mit Spannung wartet die Fraktion überdies auf die Prüfung des Vorschlags von Windkraftanlagen auf dem Kappelberg.
Auch die SPD setzt auf einen Windkraftstandort auf dem Schurwald und regt nach Möhlmanns Angaben in Sachen Energie den „Ersatz der ineffizienten Kugelleuchten“ in der Innenstadt an.
Bei Solaranlagen das Schlusslicht im Rems-Murr-Kreis
Den Klimaschutz und die Klimaanpassung rückt mehr denn je in den Fokus ihrer Arbeit auch die zweiköpfige Gruppierung Die Stadtmacher. Simone Lebherz, hauptberuflich als Klimamanagerin bei der Stadt Backnang angestellt, lobte: „Klasse, dass im Haushalt die Begrünung der Stadttürme zu finden ist.“ Ansonsten sei Fellbach aber von einer „Vorzeigekommune“ weit entfernt. Trotz manchem erfreulichen Engagement ebenso kein Ruhmesblatt: „Es hat uns schon überrascht, dass Fellbach mit 18 Solaranlagen je 1000 Einwohner das Schlusslicht unter den Großen Kreisstädten im Rems-Murr-Kreis ist“, so Lebherz’ Verdikt.