In Europa stehen manche Staaten vor dem Bankrott. Irland, Island und Lettland sind positive Beispiele für die Bewältigung der Misere. Die Politiker haben dort auf Hilfe von außen und tief greifende Reformen gesetzt – Patentrezepte gibt es aber nicht.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - In Irland gibt es ein Wort, das ist tabu: Griechenland. Kein Politiker wird dieses Wort freiwillig in den Mund nehmen – außer er unterstreicht mit dem allergrößtem Nachdruck, dass Irland auf gar keinen Fall mit Griechenland zu vergleichen ist. Auch Lucinda Creighton, im irischen Außenministerium zuständig für EU-Angelegenheiten, versucht diese Parallele zu vermeiden. Sie erzählt lieber davon, dass Irland schnell harte Reformschritte vorgenommen und die „öffentlichen Ausgaben dramatisch zusammengestrichen“ habe. Auch vor dem heiklen Sozial- und Gesundheitsbereich wurde nicht haltgemacht.

 

Grundsätzliches Problem in Irland war die starke Ausrichtung der Wirtschaft und damit auch der Staatseinnahmen auf die Banken und den boomenden Bausektor. In der Krise selbst hat die irische Regierung dann die einheimischen Banken mit Hilfen in Milliardenhöhe vor dem Zusammenbruch gerettet, was allerdings das Haushaltsdefizit in die Höhe getrieben hat und auf dem Land wie ein Mühlstein lastet. Nun wird der Bankensektor umgebaut und auch das Steuersystem, das einseitig am Bausektor ausgerichtet war, wird auf mehrere Beine gestellt.

Die Iren nehmen die Krise allerdings mit großer Gelassenheit. Der Grund: anders als in Griechenland ist die irische Wirtschaft international wettbewerbsfähig. Das Land hat eine positive Handelsbilanz, exportiert also mehr Waren ins Ausland, als es einführt. „Wir haben einen boomenden IT-Sektor“, sagt der Manager eines Softwareunternehmens. „Griechenland hat zwar viel Sonne und schöne Strände, im internationalen Wettbewerb zählt das aber nicht.“

Island: Haftbefehle für die Banker

Island hatte Glück im Unglück. Als der Vulkan Eyjafjallajökull ausbrach, kam im Jahr 2010 der Flugverkehr in fast ganz Europa zum Erliegen – und katapultierte die Insel in die Weltpresse. Als sich die Aschewolke wieder verzogen hatte, kamen die Touristen in Heerscharen. Angelockt wurden die aber nicht nur durch den nun berühmten Vulkan, sondern auch durch die billige Krone. Denn die Regierung Islands hatte als Reaktion auf die Krise die eigene Währung abgewertet – was nicht nur den Tourismus, sondern auch den heimischen Export ankurbelte. Das war nur eine von vielen Maßnahmen im Kampf gegen die Krise. Eine der gewagtesten Züge war wahrscheinlich, die maroden Banken nicht zu retten, sondern pleitegehen zu lassen und zu verstaatlichen. Was die Gemüter der Bürger besänftigte: die Banker bekamen keine millionenschwere Boni überwiesen, sondern einen Haftbefehl zugesandt. Zuvor waren aber „Good Banks“ gegründet worden, in die das solide Inlandgeschäft der Banken überführt wurde. Die zweifelhaften neuen Finanzprodukte und die Schulden wurden in den „Old Banks“ abgeladen, die man kollabieren ließ. Das heißt, dass die internationalen Banken und Kleinsparer ihre Forderungen abschreiben mussten. Gleichzeitig wurden rigide Kontrollen für den Kapitalverkehr eingeführt, als Notbremse gegen den Absturz des Wechselkurses. Bis heute dürfen Ausländer keine Vermögenswerte aus Island abziehen und heimische Investoren ihr Geld nur auf der Insel anlegen.

Faktisch arbeitet die Finanzwirtschaft Islands im Moment wie unter einer Käseglocke. Inzwischen wächst die Wirtschaft wieder, doch noch ist die Krise nicht überwunden. Daran erinnert werden die Menschen dadurch, dass die meisten von ihnen noch horrende Hypothekenkredite aus der Zeit des Höhenflugs abzubezahlen haben. Vor dem Moment, wenn die Käseglocke angehoben wird und Island sich wieder auf dem freien Markt behaupten muss, ist der Insel bang.

Lettland: die Talsohle ist durchschritten

Ein Schritt kam für Lettland auch in der größten Krise überhaupt nicht in Frage: die Abwertung der eigenen Währung Lats. Dies war überraschend, denn andere Staaten hatten sich in vergleichbaren Situationen in der Vergangenheit häufig entschieden, ihre Währung abzuwerten, um international preisgünstiger und damit konkurrenzfähiger zu werden. Selbst der IWF hatte Riga diesen Schritt empfohlen. Doch die Regierung ist fixiert auf den Beitritt des Landes zum Euroraum und eine Latsabwertung hätte diese Bemühungen um Jahre zurückgeworfen. Aus diesem Grund hat Lettland, das nach einem Boom von der Krise schwer getroffen worden war, „intern abgewertet“. Fast ein Fünftel der Staatsdiener wurde entlassen, die Löhne wurden um 40 Prozent gekürzt und die Mehrwertsteuer angehoben.

Die Regierung setzte bei den ganzen Sparmaßnahmen auf eine fast aggressive Offenheit. Premier Valdis Dombrovski trat während der Krise fast täglich vor die Fernsehkameras, um dem Volk die notwendigen Schritte zu erklären. Das war ein Vorgehen, das die Bürger des kleinen Baltenstaates bis zu jenem Zeitpunkt nicht kannten. Die junge Demokratie hatte bisher vor allem mit verschwiegenen Oligarchen und Korruption zu kämpfen. Geholfen bei der Krisenbewältigung hat auch die nordeuropäische Ruhe und Gelassenheit der Letten. Zudem haben die Menschen der ehemaligen Sowjetrepublik während ihrer Geschichte gelernt, dass sie sich im Zweifel nicht auf den Staat als Helfer in der Not, sondern nur auf ihr persönliches Krisenmanagement verlassen können.