Die EU-Schuldenregeln sind kompliziert und in der Vergangenheit oft gebrochen worden. Sie sollen daher reformiert werden. Monatelang streiten sich die Länder über Neuerungen - nun steht ein Kompromiss.

Die Finanzminister der EU-Staaten haben sich auf Pläne für eine Reform der europäischen Schuldenregeln verständigt. Sie sehen unter anderem vor, dass die jeweils individuelle Situation der Länder stärker als bislang berücksichtigt wird, wie mehrere Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur nach einer Videokonferenz der Finanzminister am Mittwoch sagten. Die Pläne müssen von den Ländern noch angenommen und mit dem Parlament verhandelt werden.

 

Die neuen Fiskalregeln für die EU-Mitgliedsstaaten seien realistischer und wirksamer zugleich, schrieb Bundesfinanzminister Christian Linder (FDP) am Mittwoch auf der Plattform X (ehemals Twitter). „Sie verbinden klare Zahlen für niedrigere Defizite und sinkende Schuldenquoten mit Anreizen für Investitionen und Strukturreformen.“ Die Stabilitätspolitik sei gestärkt.

Wirksamere Sicherheitslinien für den Abbau von Haushaltsdefiziten

Der Einigung der 27 Länder war ein deutsch-französischer Vorschlag vorausgegangen, auf den sich Lindner und sein Amtskollege Bruno Le Maire am Dienstagabend verständigt hatten. Vor allem die beiden Wirtschaftsschwergewichte der EU standen sich in der Debatte lange gegenüber. Eine Einigung aller 27 Länder ohne eine Verständigung zwischen Paris und Berlin galt als nahezu ausgeschlossen.

Nach Angaben aus deutschen Regierungskreisen beinhaltete der Vorschlag der Nachbarländer wirksamere Sicherheitslinien für den Abbau von Haushaltsdefiziten und Staatsverschuldung als bisher. Zugleich sollten Investitionen und Strukturreformen der Mitgliedsstaaten besser berücksichtigt werden. Le Maire schrieb am Dienstagabend auf X (vormals Twitter) von hervorragenden Nachrichten für Europa, die gesunde öffentliche Finanzen und Investitionen in die Zukunft garantierten.

Monatelanges Ringen um Einigung

Europas Finanzminister rangen monatelang um einen Kompromiss für eine Reform des sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakts. Grundlage war ein Vorschlag der Europäischen Kommission von April. Er sieht vor, hochverschuldeten Ländern wegen der Folgen der Corona-Krise und des Ukraine-Kriegs mehr Flexibilität beim Abbau von Schulden und Haushaltsdefiziten einzuräumen.

In den Hauptstädten waren die Vorschläge umstritten. Die Bundesregierung etwa forderte strenge und einheitliche Mindestvorgaben. Frankreich, nach Deutschland die zweitgrößte Volkswirtschaft der EU, hatte sich hingegen klar gegen einheitliche Regeln ausgesprochen.

Haushaltsdefizite unter drei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts halten

Die bislang geltenden Regeln schreiben vor, Schulden bei maximal 60 Prozent der Wirtschaftsleistung zu begrenzen und Haushaltsdefizite unter drei Prozent des jeweiligen Bruttoinlandsprodukts zu halten. Wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine sind sie vorübergehend bis 2024 ausgesetzt. Bislang müssen Staaten normalerweise fünf Prozent der Schulden, die über der 60-Prozent-Marke liegen, im Jahr zurückzahlen. Eine Rückkehr zu den alten Regeln gilt als Gefahr für die wirtschaftliche Erholung Europas. Zudem wurde das Regelwerk auch schon vor der Pandemie oft missachtet - auch von Deutschland.

Bevor die neuen Regeln in Kraft treten können, müssen sie noch von den Ländern angenommen und mit dem Europaparlament verhandelt werden. Es wird erwartet, noch vor der Wahl zum Europäischen Parlament die Gesetzgebung abschließen zu können. Die Europawahl findet Anfang Juni 2024 statt.